Die Schwierigkeit, sich halal zu ernähren

Von Michael Hollenbach · 20.03.2010
"Halal" bedeutet auf Arabisch "erlaubt". Wenn ein Tier muslimisch korrekt geschlachtet wird, muss sein Kopf in Richtung Mekka weisen. Der Schlächter muss den Namen Allahs anrufen. Sich hierzulande halal zu ernähren, ist nicht so einfach.
Sarwat Ramadan wetzt vor dem Schächten noch einmal sein Messer. Der muslimische Metzger legt das Schaf seitlich auf die Schlachtbank:

"So, wird das Tier hier hingelegt, festgemacht und sie merken, dass das Tier ganz ruhig ist."

Die Schlachtbank steht schräg in dem gekachelten Raum – der Kopf des Tieres muss nach Südosten weisen – in Richtung Mekka. Unterhalb des Kopfes auf dem Betonfußboden steht eine rote Plastikschüssel – für das Blut.

"Immer noch ganz ruhig, gleich ein Schnitt, arabisch, (..) Im Namen Allah wird das Tier geschlachtet, (...) nur den Hals ein wenig runter, das die Adern geöffnet bleiben, und mehr nicht."

Sarwat Ramadan gehört zu den wenigen muslimischen Schlachtern, die von den deutschen Behörden eine Ausnahmegenehmigung erhalten haben und ihre Schafe schächten dürfen – also ohne vorherige Betäubung wird den Tieren die Kehle durchgeschnitten. Ob das notwendig ist, um halal, also nach den religiösen Vorschriften des Islams zu schlachten – ist durchaus umstritten.

Orthodoxe Muslime wie Levent Akgül bestehen auf dem Töten ohne Betäubung; ansonsten sei das Fleisch nicht halal – oder wie es im Türkischen heißt helal:

"Eine Helal-Schlachtung ist in Deutschland so nicht möglich."

zumindest eine Halal-Schlachtung, ohne die Tiere vorher zu betäuben, ist wegen des Tierschutzes nur in Ausnahmefällen möglich. Die orthodoxe Schlachtung würde aber für die Nachfrage von mehr als vier Millionen muslimischen Verbrauchern in Deutschland bei Weitem nicht reichen, sagt Levent Akgül, Geschäftsführer einer deutsch-türkischen Marketingagentur:

"Dadurch, dass das in Deutschland nicht erlaubt ist, weichen die Schlachtereien ins Ausland aus. Ein Land, was sich darauf spezialisiert hat, ist Polen, ( ... ) und viele Schlachtereien, die auf islamische Schlachtung in Polen spezialisiert sind und so einen riesigen Markt mit abdecken können."

Allerdings: nur eine Minderheit der Muslime besteht darauf, dass die Tiere auch heute noch ohne Betäubung geschächtet werden, sagt Djavad Mohagheghi:

"Traditionell ist es üblich, per Hand zu schlachten und ohne Betäubung, aber da der Islam auch großen Wert auf den Tierschutz legt, wird es heute auch akzeptiert, dass mit Betäubung geschlachtet wird, von den meisten Gelehrten wird es akzeptiert. ( ... ) es gibt einige, die sagen, dass es mit Betäubung nicht gestattet ist."

Der gebürtige Iraner lebt schon seit 50 Jahren in Deutschland. Er betont, dass halal-essen zu den Grundsätzen des Islams gehört; es ist ein direktes Gebot des Propheten Mohammed wie Beten oder Fasten. Ausdrücklich im Koran erwähnt ist das Schweinefleisch, das als haram, als unrein, bezeichnet wird und von Muslimen nicht gegessen werden darf.

"Halal bedeutet erlaubt, halal bezieht sich nicht nur auf Lebensmittel, sondern auf das gesamte Lebensverhalten, also auch das Lügen ist nicht halal, oder Stehlen ist haram, nicht erlaubt."

In Befragungen haben 90 Prozent der Muslime in Deutschland sich als religiös oder sogar sehr religiös bezeichnet. Man geht davon aus, dass die große Mehrheit der hier lebenden Muslime sich auch an die religiösen Speisevorschriften hält. Schweinefleisch ist für fast alle tabu; geschächtetes Fleisch für die meisten verpflichtend.

Doch der Teufel steckt oft im Detail: Viele Fertiggerichte enthalten als Aromastoff geringe Mengen an Alkohol und sind damit haram; oder zahlreiche Produkte wie zum Beispiel Weingummi enthalten Gelatine und die wird meist aus Schweinefleisch hergestellt – also Gummibärchen sind haram. Doch der Markt hat hier mittlerweile reagiert und verzichtet zum Teil auf Schweinegelatine. Der Name der reinen Bären: Halalibo.

Vor jeder muslimischen Schlachtung – egal ob mit oder ohne Betäubung – muss der Name Allahs angerufen werden:

"Denn es ist dem Menschen generell verboten, irgendein Leben auszulöschen, nur dann ist es ihm erlaubt, wenn Gott es ihm gestattet; Gott gestattet es, wenn es zum Dienste des Menschen ist, ( ... ) dass die Menschen Nahrung erhalten."

Heutzutage sei es aber nicht mehr möglich, die Tiere einzeln zu schlachten, sagt Djavad Mohagheghi. Auch im Iran und in der Türkei werde maschinell und mit Betäubung geschlachtet.

"Es ist so, dass, wenn die Maschine angestellt wird, dann der Name Allahs gesprochen wird, und während der Schlachtdauer ständig auch Gott gepriesen wird."

Jedes Produkt, das halal geschlachtet wurde, erhält ein besonderes Zertifikat,
sagt Djavad Mohagheghi, der selbst als Zertifizierer arbeitet und die Produktion der Lebensmittel genau untersucht. Allerdings gibt es bis heute noch nicht eine Art Halal-TÜV und kein allgemeingültiges Halal-Zertifikat. Nicht überall, wo halal draufsteht, ist auch halal drin.

Deshalb gehen orthodoxe Muslime – wenn sie die Möglichkeit haben – zu dem Schlachter ihres Vertrauens wie zum Beispiel Sarwat Ramadan. Das Schaf kann das Messer nicht sehen, dass der Schlachter nun an die Kehle des Tieres setzt. Dann ein kurzer, fester Schnitt:

Das Schaf könne keine Schmerzen mehr empfinden, die Verbindung zum Gehirn sei unterbrochen, betont der muslimische Schlachter. Doch das Herz arbeitet noch und reflexartig zappelt das Tier mit den Beinen:

Noch einmal zuckt das Schaf kurz, dann zweieinhalb Minuten nach dem Schnitt ist es ruhig. Das Tier ist endgültig tot.