"Die Sache ist hier auch nicht besonders populär"

John Kornblum im Gespräch mit Marcus Pindur · 07.06.2011
Vor dem Hintergrund des anstehenden Präsidentschaftswahlkampfs erhoffe sich Barack Obama von Deutschland vor allem Unterstützung bei der Ankurbelung des Konsums, sagt der US-Diplomat John Kornblum. Das Thema Libyen werde keine große Rolle bei den Gesprächen zwischen Merkel und Obama spielen.
Marcus Pindur: Ein fünfzackiger weißer Stern auf goldenem Hintergrund, das ist die Freiheitsmedaille des US-Präsidenten – neben der Freiheitsmedaille des amerikanischen Kongresses, der höchste zivile Orden, den die USA zu vergeben haben. Den soll Angela Merkel bei ihrem Besuch in Washington heute bekommen. Ob diese Ehre tatsächlich die hohe Wertschätzung des amerikanischen Präsidenten Obama ausdrückt oder ob sie – wie es ein politischer Beobachter gesagt hat – für ihn eine Investition in die Zukunft ist, darüber habe ich vor knapp zwei Stunden mit John Kornblum gesprochen, ehemaliger Botschafter der USA in Deutschland, zurzeit in New York. Und zunächst habe ich ihn gefragt: Das transatlantische Klima wurde ja in letzter Zeit etwas getrübt durch die Stimmenthaltung Deutschlands im UN-Sicherheitsrat in der Libyen-Frage – erhofft man sich in der Obama-Administration in Zukunft wieder mehr deutsche Kooperation?

John Kornblum: Ja, man interessiert sich immer dafür. Es gibt eine Menge Krisenherde, wie wir wissen, und es ist nicht, dass Deutschland nicht mit Macht, aber die allgemeine Politik der Regierung oder wollen wir sagen der allgemeine Wunsch der Regierung ist, dass die europäischen Verbündeten mehr machen.

Pindur: Und da wird besonders Deutschland ja aufmerksam betrachtet, erstens, weil es das Wichtigste, das größte sagen wir mal, das größte Land in Europa ist, und zweitens, weil man in Washington immer noch wahrnimmt, denke ich, dass es so ein Ungleichgewicht gibt zwischen einerseits der ökonomischen Macht Deutschlands und andererseits der sicherheitspolitischen Verantwortung.

Kornblum: Das würde ich nicht so sehen, ehrlich gesagt. Das heißt nicht, dass man glücklich ist mit dem Beitrag von Deutschland, aber ich glaube, man hat sich da abgefunden, dass Deutschland sich nicht so verhält wie England und Frankreich. Der deutsche Beitrag in Afghanistan wird geschätzt, aber ich glaube, man hat mehr oder weniger aufgegeben in der Hoffnung, dass man viel größere Beiträge von Deutschland bekommen könnte. Das ist nicht der Hauptpunkt der Beziehungen.

Pindur: Also Sie denken, dass das Thema Libyen auch gar keine so große Rolle spielen wird bei den Gesprächen?

Kornblum: Nein, das Thema Libyen spielt keine große Rolle. Obama ist gerade gerügt worden vom Kongress, dass er die Libyen-Sache weiterführt ohne eine ausdrückliche Genehmigung vom Kongress. Also die Sache ist hier auch nicht besonders populär. Ich glaube, hier hat man gesagt, wir finden das vielleicht strategisch nicht so richtig, aber aus humanitären Gründen muss man was machen – Gaddafi hat sich wirklich scheußlich verhalten, und man muss was machen. Aber dass man jetzt sagt, Deutschland ist nicht mehr Teil des Bündnisses, weil es nicht da in Libyen ist, das glaube ich nicht.

Pindur: Wie eng schätzen Sie das Verhältnis zwischen Frau Merkel und Präsident Obama ein?

Kornblum: Na ja, wollen wir sagen, das ist keine Liebesheirat, das ist eine nüchterne Beziehung, wo sehr viel zusammen mitgemacht wird, wo es aber auch Differenzen bis hin zu kleinen Krisen gegeben hat. Wenn man hier die Zeitungen liest, gibt es eigentlich nur ein Thema, und das ist die Wirtschaft. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hartnäckig, die geht nicht zurück, wie man erwartet hatte, und in Amerika das Problem für einen Präsidenten im Wahlkampf ist nicht Inflation, sondern Arbeitslosigkeit. Und die Arbeitslosigkeit geht nicht zurück, und Obama hat große Schwierigkeiten damit. Und er erhofft, vielmehr als in Libyen, er erhofft natürlich Unterstützung von Deutschland in seinem Kampf jetzt gegen die Arbeitslosigkeit.

Pindur: Kommen wir noch zu einem Artikel, der im "Newsweek" stand über Angela Merkel, Überschrift "Wonder Woman", eine sehr positive Würdigung der Kanzlerin. Wird sie in den USA auch tatsächlich so wahrgenommen?

Kornblum: Ja, sie wird sehr hoch eingeschätzt hier. Man schätzt sie für ihre Standhaftigkeit und natürlich auch für ihre Unterstützung der Freiheit. Dass sie eine Wonder Woman ist, ist natürlich etwas übertrieben, aber so ist die Presse, wie wir wissen.

Pindur: Wie wir wissen, ja. Präsident Obama hat sich in einem Interview mit dem deutschen "Tagesspiegel" lobend über die deutsche Förderung grüner Technologie ausgesprochen – kommen wir mal wieder zurück zum Thema Arbeitskraft: Wie wird die Rolle der Deutschen überhaupt in der Wirtschaft betrachtet, was können die Deutschen für die Amerikaner bewirken?

Kornblum: Na ja, es hat ja eine ziemlich lange Zeit eine Debatte darüber gegeben, ob es die sogenannten Ungleichgewichte in der Wirtschaft gibt, und da hat man gesagt, es gibt nur zwei Länder auf der Welt, die große Exportüberschüsse führen, das ist China und Deutschland, und die beiden sollten sich anstrengen. Ich glaube, diese Kritik hat sich ein bisschen ergeben, auch weil es natürlich jetzt die Krise für den Euro gibt. Aber was Obama braucht, ist natürlich eine Ankurbelung des Konsums, mehr Geld sollte ausgegeben werden und mehr Leute sollen neue Arbeitsplätze bekommen, und alles, was Deutschland tun könnte, um diese Entwicklung zu fördern und zu beschleunigen, würde natürlich dankend angenommen werden.

Pindur: Die USA setzen weiter auf Kernkraft – wie wird dort diese Rolle rückwärts der Kanzlerin in der Frage der Atomkraft beurteilt?

Kornblum: Na ja, man setzt auf Kernkraft, aber nicht, wie man meint. Ich meine, wir haben auch eine Menge Kernkraftwerke, es werden im Moment keine neuen gebaut, aber es werden auch keine abgeschaltet. Dass Deutschland seine Kernkraftwerke abschaltet, wird hier mit einem gewissen Kopfschütteln gesehen, aber es ist wieder kein sehr großes Thema. Man muss einfach sehen, es gibt hier im Moment nur ein Thema, und das ist Arbeitslosigkeit.

Pindur: John Kornblum, ehemaliger amerikanischer Botschafter in Deutschland, im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur.


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