Die Rolle des Vaters in der Gegenwartsliteratur

Öfter da und doch oft fern

14:56 Minuten
Bundeskanzler Willy Brandt (r) wird am 11.07.1972 von seinem Sohn Matthias vom Flughafen abgeholt.
Bundeskanzler Willy Brandt und sein Sohn Matthias: Die Kindheit in den 70ern diente Matthias Brandt als Resonanzraum für seinen 2019 erschienenen Roman "Blackbird". © NTB As Norsk Telegrambyra
Kim Kindermann und Wiebke Porombka im Gespräch mit Frank Meyer · 20.05.2020
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Ratgeber für Väter gibt es inzwischen viele - was sie gemeinsam haben, beschreibt Kim Kindermann aus unserer Sachbuchredaktion. Auch neue Romane stellen die Beziehung zum Vater in den Mittelpunkt: Literaturredakteurin Wiebke Porombka mit Empfehlungen.
Wie werde ich ein guter Vater? Was ist ein guter Vater? In mehr als 70 Titeln sei dieses Thema allein in den zurückliegenden anderthalb Jahren verhandelt worden, sagt unsere Sachbuchredakteurin Kim Kindermann - darunter auch in etlichen Kolumnen-Büchern, in denen Männer über ihren chaotischen Alltag mit Kindern schreiben.

Vaterschaft im Schatten des Krieges

In den Romanen hingegen geht der Blick zurück, stellt unsere Literaturredakteurin Wiebke Porombka fest. Autoren wie Matthias Brandt in "Blackbird" und Frank Witzel in "Inniger Schiffbruch" schreiben über Väter, mit denen sie in den 1960er und -70er Jahren aufwuchsen.
"Das sind nicht mehr die Nazi-Väter, mit denen sich die Protagonisten auseinandersetzen. Das sind aber trotzdem Väter, die durch den Zweiten Weltkrieg Traumatisierungen erlitten haben", sagt Porombka.
Es seien die "anwesenden abwesenden Väter" - Väter, die schweigen oder nur mit einer starren Hülle an Verhaltensweisen durch den Alltag kommen. Und denen auch mal die Hand ausruscht.
In Bov Bjergs Roman "Serpentinen" bringt sich der Vater um. Nora Gantenbrinks "Dad" ist ein Hippie-Vater. Auch er ist abwesend, er vergisst seine Tochter regelrecht.

Sachbücher als Mutmacher

Im Sachbuchbereich dominiere hingegen ein positiver Umgang mit den Anforderungen an den "modernen Vater", betont Kindermann. Auch Väter hätten heute Angst davor, plötzlich Kinder zu haben. Sie würden sich dem aber stellen und damit auseinandersetzen - nicht zuletzt, weil die Gesellschaft und die Frauen, respektive Mütter, dies einforderten.
(huc)
Die besprochenen Titel im Überblick:
Bov Bjerg: "Serpentinen"
Claassen Verlag, Berlin 2020
272 Seiten, 22 Euro
Matthias Brandt: "Blackbird"
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019
288 Seiten, 22 Euro
Nora Gantenbrink: "Dad"
Rowohlt Verlag, Hamburg 2020
240 Seiten, 20 Euro
Ann Quin: "Berg"
Aus dem Englischen von Conny Lösch
Marix Verlag, Wiesbaden 2020
176 Seiten, 16 Euro
Frank Witzel: "Inniger Schiffbruch"
Matthes & Seitz Berlin, Berlin 2020
360 Seiten, 25 Euro
Anna Machin: "Papa werden. Die Entstehung des modernen Vaters"
Übersetzt aus dem Englischen von Ursel Schäfer und Enrico Heinemann
Kunstmann Verlag, München 2020
350 Seiten, 25 Euro
Björn Vedder: "Väter der Zukunft. Ein philosophischer Essay"
Büchner Verlag, Marburg 2020
172 Seiten, 18 Euro
Nils Pickert: "Prinzessinnenjungs - Wie wir unsere Söhne aus der Geschlechterfalle befreien"
Beltz Verlag, Weinheim 2020
256 Seiten, 18,95 Euro
Tillmann Prüfer: "Kriegt das Papa oder kann das weg?"
Kindler Verlag, Hamburg 2019
224 Seiten, 18 Euro
Jan Weiler: "Das Pubertier"
Kindler Verlag, Hamburg 2014
128 Seiten, 12 Euro
Wolfgang Urner: "Vater werden für Anfänger"
epubli Verlag, 2020,
106 Seiten, 12,99 Euro
Christian Hanne: "Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter"
arsEdition, München 2019
96 Seiten, 10 Euro
Ulf K.: "Der Meckerpapa"
Tulipan, München 2020
40 Seiten, 15 Euro
Stein Erik Lunde/ Øywind Torseter: "Papas Arme sind ein Boot"
Gerstenberg, Hildesheim 2011
32 Seiten, 12,95 Euro
Martin Schäuble: "Sein Reich"
Fishcer KJB, Frankfurt a. Main 2020
240 Seiten, 14 Euro
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