Die "Römische Trilogie" von Ottorino Respighi

Epiphanie der "Ewigen Stadt"

Mit Rom musste er sich erst anfreunden: Der Komponist Ottorino Respighi stammte aus Bologna und empfing wichtige Prägungen in Sankt Petersburg
Mit Rom musste er sich erst anfreunden: Der Komponist Ottorino Respighi stammte aus Bologna und empfing wichtige Prägungen in Sankt Petersburg. © imago images / Leemage
Moderation: Volker Tarnow · 10.01.2021
Pinien und Brunnen singen ihr Lied, Feste der Vergangenheit ertönen neu: In seiner "Römischen Trilogie" brachte der italienische Komponist Ottorino Respighi die "Ewige Stadt" zum Klingen. Mit der Folge beinahe ewiger Missverständnisse.
Rom – "Ewige Stadt". An die Musik denken bei einem solchen Schlagwort wahrscheinlich die wenigsten, und wenn, dann taucht vor dem inneren Auge womöglich eher Floria Tosca auf den Zinnen der Engelsburg auf als ein reales Ereignis der Musikgeschichte.

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Giacomo Puccini hätte es besser gewusst: Der Komponist der "Tosca" bewunderte einen jüngeren Kollegen, mit dessen Namen sich die vielleicht bemerkenswerteste Rom-Komposition der Instrumentalmusik verbindet: Ottorino Respighi (1879-1936). Dessen "Römische Trilogie" versammelt sinfonische Dichtungen, die von unterschiedlichsten Seiten der Stadt auf den sieben Hügeln angeregt sind: "Fontane di Roma" (Römische Brunnen, 1916), "Pini di Roma" (Römische Pinien, 1924) und "Feste romane" (Römische Feste, 1928).


Dass der aus Bologna stammende Respighi privat ein sehr gespaltenes Verhältnis zu Rom hatte, ja, unter der Stadt gelitten haben soll, steht auf einem anderen Blatt. Dass seine musikalische Ausbildung – für einen italienischen Komponisten sehr ungewöhnlich – auch in Sankt Petersburg bei Nikolai Rimsky-Korsakow stattfand, ebenfalls.

Sinfonisches aus dem Land der Oper

Jedes dieser Werke umfasst vier pausenlos ineinander übergehende Sätze, könnte also auch als Programmsinfonie gelten – oder man fasst die Orchesterpoeme als eine große, rund einstündige Sinfonie in drei Teilen auf. So müßig solche Gedankenspiele anmuten mögen, so beziehungsreich sind sie doch im Hinblick auf Respighis Hintergrund: Italien und die Sinfonie, das ist ein schwieriges Thema, wie überhaupt die Orchestermusik im 19. Jahrhundert dort keine große Rolle spielte.
Ist der Weg das Ziel, oder ist es die Stadt, auf die er zuläuft? Die Via Appia ist einer der musikalischen Schauplätze in Ottorino Respighis "Römischer Trilogie"
Ist der Weg das Ziel, oder ist es die Stadt, auf die er zuläuft? Die Via Appia ist einer der musikalischen Schauplätze in Ottorino Respighis „Römischer Trilogie“.© imago images / Shotshop
Italienische Komponisten von Sinfonien wie Giovanni Sgambati, Alberto Franchetti oder Giuseppe Martucci sind denn auch allenfalls als Geheimtipps zu verbuchen – kaum weniger Respighis Zeitgenossen der "generazione dell’ottanta", die in den 1880er-Jahren geborenen Komponisten Ildebrando Pizzetti, Gian Francesco Malipiero und Alfredo Casella. Sie alle verband mit Respighi das Bestreben, in ihrer Heimat das Feld nicht allein der Oper zu überlassen. Und, fatal für das Echo der Nachwelt: Etliche bedeutende Künstler dieser Generation waren Anhänger des italienischen Faschismus.
Darunter litt auch die Wahrnehmung der "Römischen Trilogie": Entspricht der imperiale Glanz, in dem Respighis monumentale Orchesterbesetzung Rom erscheinen lässt, nicht einem Wunschbild Mussolinis? Wird dessen "Marsch auf Rom" von 1922 nicht zwei Jahre später in dem Satz "I Pini della Via Appia" musikalisch raffiniert nachgezeichnet? Ließ sich Respighi in den letzten Jahren seines Lebens nicht vom Regime des "Duce" dekorieren?

Durch diese Stadt führt kein Plan

Ein Blick in die ausladende Partitur beweist, dass das Werk in vielen Details der Ästhetik des italienischen Faschismus nicht entgegenkam, dass es eher auf einer oberflächlichen Ebene als "passend" wahrgenommen werden konnte. Beispielsweise dann, wenn man dem Irrtum erlag, die Musik als klingende Kulissenmalerei wahrzunehmen.
Doch ist die "Römische Trilogie" keine Vertonung eines Stadtplans, und ihr wichtigster und von Respighi bewunderter Interpret, Arturo Toscanini, war glühender Antifaschist. Allein dieses Beispiel zeigt, dass es nicht so einfach ist, zwischen all den Pinien, Brunnen und Festivitäten der "Ewigen Stadt" den richtigen Weg zu finden – zumal der Komponist selbst einer spontan gelungenen Interpretation im Zweifelsfall mehr vertraute als den Details seiner eigenen Partitur.
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