Die Racing Girls aus Argentinien

Gib Gummi, Mädchen!

Ein Instagram-Foto zeigt zwei Rennfahrerinnen in einem Auto.
Mit Instagram-Fotos gehen die "Racing Girls" auf Sponsorensuche. Denn Motorsport ist gerade in Argentinien ein teures Hooby. © Racing Girls Argentinia
Von Anne Herrberg · 13.10.2018
Die Argentinier sind ein motorverrücktes Land. Frauen durften beim Autorennen allerdings immer nur zugucken. Bis vor einem Jahr. Da hat Aixa Franke die Racing Girls gegründet – seitdem geben die Mädels Gas.
Anita: "Mein erster war ein Fiat 147, den hab ich tiefer gelegt und bin zu den Rennen, erst illegal. dann zu meinem ersten Track Day. Seitdem kann ich nicht mehr aufhören."
Flor: "Ich habe einen Ford Fiesta, den ich mehr liebe als meinen Freund. Das ist eine Liebe, die in mir schlummerte: Autos, es gibt nichts, was mir mehr gefällt.
Aixa: "Meiner ist ein Fiat 500, grau, das ist mein Baby. Ich wasche ihn, poliere ihn, gebe mein ganzes Geld für ihn aus, auch wenn es dann manchmal für die Miete nicht mehr reicht. Wir sind hier alle ein bisschen verrückt."

"Warum bitte sollen denn Autos nur Männersache sein?"

Willkommen bei den Racing Girls. Argentiniens erster Motorsportclub von Auto-verrückten Frauen.
"Frauen haben, was Autos angeht, eine Art Riegel im Kopf vorgeschoben. Wir kriegen das ja schon als Kinder eingetrichtert. Meine Mutter wollte mich erst gar keinen Führerschein machen lassen: Das ist zu gefährlich, lass den Mann ans Steuer, Frauen können das nicht. Bis du dir sagst: Warum bitte sollen denn Autos nur Männersache sein?"
Aixa Franke, 25, Industriedesignerin, hat den Club vor einem Jahr gegründet – heute sind 50 Mädels dabei. Zumindest beim Track Day, in kleinen getunten Personenwagen – denn größere Autos können sich in Argentinien, wo das Durchschnitts-Monatsgehalt bei 1000 Euro liegt, nur wenige leisten.
"Für Motorsport brauchst du viel Geld. Mit dem Club und unsere Instagram-Seite haben wir ein paar Sponsoren gewonnen. Sonst könnten wir das gar nicht stemmen. Das Auto, die Reparaturen, die Reifen, die Sitze, die Gurte und dann noch die Gebühr für die Rennen."

"Ein Traum, ich bin mega-glücklich!"

Und sie nimmt mich mit – an einem ganz besonderen Tag. Wir stehen im Boxenstopp, mitten in der argentinischen Pampa, hinter der Rennstrecke grasen die Kühe, davor parken getunte Chevrolets und Ford. Es riecht nach Benzin, Gummi und Testosteron:
"Das ist ein Hinterradantrieb, siehst du, der Motor stammt von einem Renault 12, Jahrgang 1990, Vorderantrieb, deswegen mussten wir ihn umbauen. Jetzt hier noch mit Glasfaser ausbessern. Fertig. Sieht ein bisschen wie ein Formel-Eins-Rennwagen aus, aber der hier bringt es nur auf etwa 200 Sachen."
Sport Prototyp heißt die Kategorie, aerodynamischer Einsitzer, 110 PS, zwei Millimeter über dem Asphalt.
"Ich bin so krass aufgeregt! Das ist mein erstes Mal in der Kategorie. Ein Traum, ich bin mega-glücklich!"

"Als Frau hast du es enorm schwer"

Aixa montiert den blausilbrig lackierten Kotflügel, die Reifen, kontrolliert den Luftdruck und wischt sich dann die Motorschmiere von den Händen. Früher hatten Frauen hier nur als sexy Boxenluder einen Platz. Das ändert sich, sagt Aixa, wenn auch langsam.
"Als Frau hast du es enorm schwer, weil das ein Sport ist, der normalerweise vererbt wird, vom Vater auf den Sohn und so weiter. Jetzt, auch mit der ganzen Feminismuswelle hier in Argentinien ändert sich das, wir bekommen viel positives Feedback. Mir hat zum Beispiel ein Pilot heute sein Auto geliehen. Aber natürlich gibt es auch die, die dich gar nicht mitfahren lassen, für die du nicht mal kompetent bist. Und wenn du es verbockst, ist das Klischee wieder perfekt. Ah, eine Frau."
Aixa steigt in den Anzug, bindet die Stiefel, dazu Helm, Nacken- und Schulterschutz, Daumen hoch und Gummi. Sie liegt fast hinter dem Steuer.

"Auf einen Gran Turismo irgendwann mal"

Drei Frauen sind heute dabei – Rekord. Auch die Renn-Reporter können es kaum fassen, als Aixa zunächst im vorderen Drittel der Gruppe startet, sich stabil im Mittelfeld hält. Doch plötzlich: ein seltsames Geräusch, der Motor heult auf, Aixa schlingert, verliert an Speed. Dann muss sie von der Piste zum Boxenstopp eskortiert werden.
Getriebeschaden – eine Hiobsbotschaft. Das Mechanikerteam versucht alles, doch die Zeit läuft davon. Für Aixa ist das Rennen zu Ende.
"Da ist ein Gleichlaufgelenk im Getriebe gebrochen, so ist das eben bei den Autos, manchmal lassen sie dich eiskalt im Stich. Das war nicht Aixas Schuld. Sie ist gut gefahren, selbstbewusst, ohne Angst", sagt Hernán Beric, dem der Rennwagen gehört. Er hat ihn Aixa für das Rennen ausgeliehen. Dann klopft er Aixa auf die Schulter, das Team klatscht, die Mädels nehmen sie in den Arm.
Abends im Camino Motor Coffee, einem bekannten Treff für Auto-Liebhaber, hat Aixa den Frust wieder weggesteckt – und schmiedet mit den Mädels schon neue Pläne.
"Auf einen Gran Turismo irgendwann mal. In einem Ferrari GT 250, dem schönsten und teuersten Auto der Welt!"
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