Die Probleme der Prinzessin als Spiegel der Zeit

31.08.2007
Die Star-Journalistin Tina Brown, ehemalige Chefredakteurin von "Vanity Fair" und "New Yorker", hat den Idealfall einer Biografie geschrieben. Sie bietet die Geschichte von Prinzessin Diana sowohl als Gesellschaftsroman als auch als zeitgeschichtliche Analyse dar. Brown liefert eine gut recherchierte, sachliche und dennoch emphatisch vorgetragene Biografie.
Seit 1992 Andrew Mortons Sensationsknüller "Diana. Ihre wahre Geschichte" erschien, ist der Buchberg, der sich auf dem Fundament des modernen Prinzessinnenschicksal erhebt, in schwindelerregende Höhen gewachsen. Die Prinzessin der Herzen und des globalen Starruhmes war nicht nur die meistfotografierte Frau des 20. Jahrhunderts. Sie war auch eine der Personen des 20. Jahrhunderts, vor deren Leben ein regelrechter Stau an Biografen und Schlüssellochguckern entstand.

Aus der Feder des persönlichen Lieblingsbutlers der Prinzessin, Paul Burrell, stammen allein zwei Erinnerungsbücher, gefüllt mit intimen Kenntnissen und Herzensergüssen. Noch die geringsten und nichtssagendsten Mitteilungen über das Leben, Leiden und Lieben, über die mimischen Aussagen und modischen Wandlungen der vor genau einem Jahrzehnt tödlich verunglückten Prinzessin scheinen für den internationalen Boulevard von Interesse zu sein. Anders gesagt: Die Geschichte Dianas diente und dient als Fallbeispiel globaler Identifikationsfähigkeit und Verstehbarkeit kultureller Codes.

Nun hat die Star-Journalistin Tina Brown den Diana-Bücherberg mit einem weiteren Buch bekrönt, das nicht weniger als 770 Seiten umfasst - und dennoch nicht überflüssig ist. Denn es gelang der Autorin, eine umfassend recherchierte, sachlich und dennoch emphatisch vorgetragene Biografie zu verfassen, die den Idealfall des Genres darstellt - denn Tina Browns Diana-Biografie ist zugleich Gesellschaftsroman und zeitgeschichtliche Analyse.

Tina Brown besitzt die besten Vorraussetzungen. Sie ist geborene Engländerin, intime Kennerin der englischen Upperclass und des englischen Adels sowie des internationalen Jet-Sets. Sie war Chefredakteurin von "Vanity Fair" und des "New Yorker" und lebt seit langem in Amerika. Sie schreibt mit objektivierendem Abstand und macht schon im Eingangskapitel klar, dass es in ihrem Buch nicht um raunendes Spekulieren, um suggerierendes Enthüllen geht, sondern um aufklärende Darstellung.

Sie fängt mit dem Ende der Geschichte Dianas an und widerlegt zunächst sämtliche Verschwörungstheorien und haltlose Mordversionen, die sich an den Unfalltod der Prinzessin in der Nacht vom 30. auf den 31. August 1997 knüpfen. Tina Brown holt historisch weit aus. Das heißt: Sie bettet die Figur Diana in ein gesellschaftliches und zeitgeschichtliches Gesamtbild und rückt so alles, was es über Diana zu sagen gibt, auch allen Klatsch und alle schmutzige Wäsche, ins Licht des Symptomatischen. Diana war, so kann man Tina Browns Biografie zusammenfassen, eine Person, deren individuelle Probleme von den Problemen ihrer angeheirateten Rolle noch überragt wurden.

Rezensiert von Ursula März

Tina Brown: Diana. Die Biografie
Aus dem Englischen von Sylivia Höfer, Barbara Heller, Andrea von Struve und Rudolf Hermstein. Droemer Verlag München, 2007
783 Seiten, 19,90 Euro
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