Die Personalie Maaßen und die SPD

Warum am Ende auch Nahles wackeln könnte

18.09.2018, Berlin: Andrea Nahles, Fraktionsvorsitzende und SPD-Parteivorsitzende, geht in das Bundeskanzleramt. Im Streit um Verfassungsschutz-Präsident Maaßen beraten am Nachmittag die Spitzen der Großen Koalition.
Andrea Nahles auf dem Weg zum Treffen in Kanzleramt am vergangenen Dienstag: "Großes strategisches Versagen", sagt Albrecht von Lucke. © Kay Nietfeld / dpa
Albrecht von Lucke im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 19.09.2018
Der angeschlagene Hans-Georg Maaßen wird befördert - und Andrea Nahles hat offenbar zugestimmt. Albrecht von Lucke sieht darin einen schweren strategischen Fehler der SPD-Chefin. Der Politologe bezweifelt, dass das letzte Wort schon gesprochen ist.
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz verlässt das Amt, wie es die SPD ultimativ gefordert hat. Ziel erreicht also aus Sicht der Sozialdemokraten. Aber dass Horst Seehofer Hans-Georg Maaßen ins eigene Ministerium holt - als Staatssekretär, mit deutlich höheren Bezügen, lässt die Lösung für viele in einem anderen Licht erscheinen. Und weil die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles dieser Lösung offenbar zugestimmt hat, steht die Sozialdemokratie nun als Verliererin da.
Der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke sagt, er sei konsterniert gewesen, als er erfahren habe, auf welche Lösung sich die Vorsitzenden der Koalitonsparteien in der Personalie Maaßen geeinigt hatten. Der Abgang sei fällig gewesen: "Es war aber eine Beförderung. Und das ist das Irre."

Strategisches Versagen von Andrea Nahles

Dass die SPD nach der Entscheidung vom Dienstag im Feuer steht, kreidet von Lucke der SPD-Vorsitzenden an: "Das liegt an dem großen strategischen Versagen von Andrea Nahles." Sie habe am Wochenende die Erwartungshaltung geweckt, dass Maaßen gehen müsse – und zwar ohne neuen Job geschweige denn einer Beförderung. "Und wenn man eine derartige Erwartungshaltung weckt, dann darf man sie nicht enttäuschen."
Lucke meint, Nahles hätte in dem Fall hart bleiben müssen: "Sie hätte klar sagen müssen 'Ich gehe keinen Deut zurück von dieser Position, dass Herr Maaßen gehen muss' – und ausdrücklich und nur gehen muss." Das hätte ihre Reputation in der eigenen Partei gestärkt, meint der Chefredakteur der "Blätter für deutsche und internationale Politik". Und vielleicht hätte sie so auch noch Angela Merkel veranlasst, ihre Richtlinienkompetenz durchzusetzen und notfalls Horst Seehofer zu entlassen.
Es habe also die Chance bestanden, die Situation zu klären. Nun gehe Seehofer noch gestärkt aus dem Streit hervor, Seehofer könne weiter Politik gegen Angela Merkel und Andrea Nahles machen.

Folgt die SPD Nahles?

Von Lucke zweifelt daran, dass die Entscheidung, Maaßen zum Staatssekretär zu machen, in Stein gemeißelt ist: "Im Gegenteil. Momentan baut sich ein Druck in der SPD auf, am Sonntag gibt es die Präsidiumssitzung, am Montag tagt der Vorstand." Er rechne mit einer hitzigen Debatte in der Partei, auch angesichts des Wahlkampfs in Bayern. "Ich glaube eher, dass Andrea Nahles am Schluss diese Position nicht wird halten können"
Zum Schwur komme es spätestens, wenn das Kabinett der Ernennung zustimmen müsse, denn es müsse eben das ganze Kabinett zustimmen. Eigentlich eine Formalie, aber ob das in diesem Fall auch eine Formalie sein wird, bezweifelt von Lucke. Denn wenn es zu dieser Abstimmung im Kabinett komme, müssten sich alle SPD-Minister auf die Position von Nahles festlegen.
"Sie werden alle Ja sagen müssen zu Herrn Maaßen in der Position eines zukünftigen Staatssekretärs. Das ist natürlich für die Glaubwürdigkeit des gesamten Spitzenpersonals ziemlich fatal. Die große Frage wird sein, sind die Ministerinnen und Minister bereit um der Koalition willen ihren Kopf für diese falsche Entscheidung hinzuhalten – oder sagen sie, das kann man nicht machen."

Nahles und der Parteivorsitz

Von Lucke hält die Frage gegenwärtig für völlig offen, glaubt aber, dass die Stimmung gegen die Ernennung von Maaßen zum Staatssekretär eher noch steigt. Dann werde es natürlich für Andrea Nahles sehr schwierig, ihren Posten zu halten. Wenn sich die Partei gegen Nahles' Entscheidung stellt, Ja zu Maaßens Ernennung zum Staatssekretär zu sagen, dann werde es für Nahles schwierig, Parteivorsitzende zu bleiben.
Der SPD fehle es an einem strategischem Zentrum, weder Nahles noch ihr Vize-Vorsitzender Olaf Scholz noch beide gemeinsam seien das bisher gewesen.
(mf)
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