Die nukleare Selbstentmannung der Deutschen
Seit der amerikanische Präsident Barack Obama Anfang April in Prag die Vision einer nuklearwaffenfreien Welt beschworen hat, bestimmt das Thema auch die deutsche Außenpolitik. Dass Linke und Grüne begeistert zustimmen, ist kein Wunder. Aber auch bei der Regierungspartei SPD hat die Vision begeisterte Zustimmung gefunden - nicht zuletzt bei Außenminister und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. Und auch der FDP-Chef Guido Westerwelle, der bekanntermaßen das Außenamt in einer schwarz-gelben Koalition anstrebt, will die Welt von Atomwaffen befreien - zumindest die deutsche. Darum verlangt er vehement den Abzug der letzten US-Atomsprengköpfe, die noch auf deutschem Boden lagern.
Damit kein Zweifel besteht, die Vorschläge klingen gut und attraktiv. Sowohl die von Präsident Barack Obama, wie auch die von Guido Westerwelle. Sie haben nur einen Fehler: Sie sind völlig wirklichkeitsfremd. Denn schon hat der amerikanische Präsident wissen lassen, dass seine Pläne womöglich nicht zu seinen Lebzeiten verwirklicht werden können. Das ist gelinde gesagt die Zukunftsvision, die nichts kostet, aber prima klingt.
Die wiedergekehrte Nüchternheit der Obama-Verlautbarungen hat realistische Gründe. Die werden jedermann verständlich, wenn er die Situation der vorhandenen Atomstaaten analysiert. Aus den verschiedensten, aber hochbedeutsamen Gründen werden sich die existierenden Nuklearstaaten aus dem Fünferclub nie von ihrem Atomarsenal trennen. Für die USA, sowie für Russland und China sind ihre Atomwaffen Instrumente der Machtprojektion in ihrer jeweiligen Einflusssphäre. Für Frankreich und Großbritannien sind ihre überlebenden Atomarsenale keine Machtinstrumente mehr, aber umso entschiedener Symbole, auch als zweit- und drittrangige Mächte bei der großen Weltpolitik immer noch mitreden zu dürfen.
Bei den Atommächten außerhalb des offiziellen Clubs, Indien und Pakistan, gehören sie zur Machtbalance gegenüber dem Machtrivalen in Südasien. Für Israel ist die nukleare Bewaffnung finale Abschreckungsgarantie gegenüber der aggressiven arabischen Umwelt. Es ist keine Konstellation denkbar, unter welcher diesen Mächten ihr Arsenal entwunden werden könnte. Das gelingt ja nicht einmal im Fall Nordkoreas. Zwar wollen weder China noch Russland, dass die Steinzeitkommunisten an den nuklearen Drücker bekommen, aber schon einen Tag nach der Prager Obama-Rede blockierten beide Länder UN-Sanktionen gegen die so offensichtlich Atomwaffen entwickelnden Nord-Koreaner.
Ähnliches gilt gegenüber dem Iran. Die Regierenden in Teheran sind zur nuklearen Waffenproduktion entschlossen. Und selbst massive Sanktionen - wenn sie denn beschlossen werden sollten - halten den Iran nicht mehr auf. Erneut wird deutlich, dass sich die Atombombe nicht weg erfinden lässt.
Und so verschwinden auch die in Deutschland gelagerten amerikanischen Atomwaffen nicht, selbst wenn Berlin dies öffentlich fordern sollte. Die Bundesrepublik ist in das kollektive Verteidigungsbündnis der Nato eingebettet. Zu diesem gehört auch die militärische, und damit auch atomare Verteidigung, der alle Bundesregierungen immer zugestimmt haben. Und nebenbei sollte man nicht vergessen, dass die Bundesrepublik 40 Jahre lang Netto-Empfänger der Bündnis-Solidarität der Nato-Partner war.
Weiterhin sei daran erinnert, dass es dem Einsatz von Bundeskanzler Helmut Schmidt zu verdanken war, dass die Bundesrepublik im Rahmen der Nato Mitbestimmung über die auf ihrem Territorium schon vorher gelagerten US-Atomwaffen erhielt.
Wenn jetzt der Abzug verlangt wird, bleiben die US-Waffen weiter hier. Denn ein Ausscheiden Deutschlands aus der Nato kommt nicht in Frage. Im Übrigen herrscht weltweiter länderübergreifender Konsens darüber, dass das wiedervereinigte Deutschland auf jeden Fall Teil des Bündnisses bleiben und nicht als unabhängiges Land eine losgelöste Außenpolitik betreiben soll. Konsequenz: Die Atomwaffen bleiben in jedem Fall hier, aber Berlin hat keine Mitsprache mehr.
Sehr ähnlich verläuft der zivile nukleare Selbstentmannungsprozess der Deutschen. Während weltweit das Comeback der Atomenergie immer schärfere Konturen annimmt, versucht eine Mehrheit der politischen Parteien, Deutschland kernenergiefrei zu machen. Dabei werden allein in Europa derzeit 13 neue Kernkraftwerke gebaut. Für drei weitere gibt es konkrete Planungen. Allein in Frankreich stehen 60 Atomkraftwerke. Und die neuen EU-Mitglieder im Osten bauen Kernkraftwerke um die Wette. Und zwar solche von höchstem sicherheitstechnischen Standard.
Solche stellte einst Deutschland her. Kein ernsthafter Atomkraft-Gegner glaubt wirklich, dass der Energiehunger der industrialisierten Gesellschaften in Europa durch Luft-, Solar- oder Wasserenergie oder gar durch Sparen gedeckt werden kann. Wenn gleichzeitig aus Gründen des Klimaschutzes der Einsatz fossiler Brennstoffe tabuisiert wird, bleibt nichts anderes übrig, als den Atomstrom aus Frankreich oder Osteuropa zu kaufen.
Darüber freuen sich natürlich Franzosen und Osteuropäer. Indes unabhängig von Atomstrom wird Deutschland so nicht. Sind die Atomstromgegner zufriedener, wenn der Nuklearstrom nicht aus deutschen, sondern aus fremden Atommeilern kommt?
Dr. Friedrich Thelen, Jahrgang 1941, studierte Rechtswissenschaft, Geschichte und Philosophie. Er ist jetzt als Publizist tätig und war bis vor kurzem Büroleiter Berlin der "Wirtschaftswoche". Er hat langjährige berufliche Erfahrungen im angelsächsischen Raum.
Die wiedergekehrte Nüchternheit der Obama-Verlautbarungen hat realistische Gründe. Die werden jedermann verständlich, wenn er die Situation der vorhandenen Atomstaaten analysiert. Aus den verschiedensten, aber hochbedeutsamen Gründen werden sich die existierenden Nuklearstaaten aus dem Fünferclub nie von ihrem Atomarsenal trennen. Für die USA, sowie für Russland und China sind ihre Atomwaffen Instrumente der Machtprojektion in ihrer jeweiligen Einflusssphäre. Für Frankreich und Großbritannien sind ihre überlebenden Atomarsenale keine Machtinstrumente mehr, aber umso entschiedener Symbole, auch als zweit- und drittrangige Mächte bei der großen Weltpolitik immer noch mitreden zu dürfen.
Bei den Atommächten außerhalb des offiziellen Clubs, Indien und Pakistan, gehören sie zur Machtbalance gegenüber dem Machtrivalen in Südasien. Für Israel ist die nukleare Bewaffnung finale Abschreckungsgarantie gegenüber der aggressiven arabischen Umwelt. Es ist keine Konstellation denkbar, unter welcher diesen Mächten ihr Arsenal entwunden werden könnte. Das gelingt ja nicht einmal im Fall Nordkoreas. Zwar wollen weder China noch Russland, dass die Steinzeitkommunisten an den nuklearen Drücker bekommen, aber schon einen Tag nach der Prager Obama-Rede blockierten beide Länder UN-Sanktionen gegen die so offensichtlich Atomwaffen entwickelnden Nord-Koreaner.
Ähnliches gilt gegenüber dem Iran. Die Regierenden in Teheran sind zur nuklearen Waffenproduktion entschlossen. Und selbst massive Sanktionen - wenn sie denn beschlossen werden sollten - halten den Iran nicht mehr auf. Erneut wird deutlich, dass sich die Atombombe nicht weg erfinden lässt.
Und so verschwinden auch die in Deutschland gelagerten amerikanischen Atomwaffen nicht, selbst wenn Berlin dies öffentlich fordern sollte. Die Bundesrepublik ist in das kollektive Verteidigungsbündnis der Nato eingebettet. Zu diesem gehört auch die militärische, und damit auch atomare Verteidigung, der alle Bundesregierungen immer zugestimmt haben. Und nebenbei sollte man nicht vergessen, dass die Bundesrepublik 40 Jahre lang Netto-Empfänger der Bündnis-Solidarität der Nato-Partner war.
Weiterhin sei daran erinnert, dass es dem Einsatz von Bundeskanzler Helmut Schmidt zu verdanken war, dass die Bundesrepublik im Rahmen der Nato Mitbestimmung über die auf ihrem Territorium schon vorher gelagerten US-Atomwaffen erhielt.
Wenn jetzt der Abzug verlangt wird, bleiben die US-Waffen weiter hier. Denn ein Ausscheiden Deutschlands aus der Nato kommt nicht in Frage. Im Übrigen herrscht weltweiter länderübergreifender Konsens darüber, dass das wiedervereinigte Deutschland auf jeden Fall Teil des Bündnisses bleiben und nicht als unabhängiges Land eine losgelöste Außenpolitik betreiben soll. Konsequenz: Die Atomwaffen bleiben in jedem Fall hier, aber Berlin hat keine Mitsprache mehr.
Sehr ähnlich verläuft der zivile nukleare Selbstentmannungsprozess der Deutschen. Während weltweit das Comeback der Atomenergie immer schärfere Konturen annimmt, versucht eine Mehrheit der politischen Parteien, Deutschland kernenergiefrei zu machen. Dabei werden allein in Europa derzeit 13 neue Kernkraftwerke gebaut. Für drei weitere gibt es konkrete Planungen. Allein in Frankreich stehen 60 Atomkraftwerke. Und die neuen EU-Mitglieder im Osten bauen Kernkraftwerke um die Wette. Und zwar solche von höchstem sicherheitstechnischen Standard.
Solche stellte einst Deutschland her. Kein ernsthafter Atomkraft-Gegner glaubt wirklich, dass der Energiehunger der industrialisierten Gesellschaften in Europa durch Luft-, Solar- oder Wasserenergie oder gar durch Sparen gedeckt werden kann. Wenn gleichzeitig aus Gründen des Klimaschutzes der Einsatz fossiler Brennstoffe tabuisiert wird, bleibt nichts anderes übrig, als den Atomstrom aus Frankreich oder Osteuropa zu kaufen.
Darüber freuen sich natürlich Franzosen und Osteuropäer. Indes unabhängig von Atomstrom wird Deutschland so nicht. Sind die Atomstromgegner zufriedener, wenn der Nuklearstrom nicht aus deutschen, sondern aus fremden Atommeilern kommt?
Dr. Friedrich Thelen, Jahrgang 1941, studierte Rechtswissenschaft, Geschichte und Philosophie. Er ist jetzt als Publizist tätig und war bis vor kurzem Büroleiter Berlin der "Wirtschaftswoche". Er hat langjährige berufliche Erfahrungen im angelsächsischen Raum.