Die Nazis und das Netz

Von Thilo Schmidt · 28.01.2009
Das Internet erreicht fast jeden, ist fast umsonst und multimedial. Ideal also auch für Rechtsextremisten - als Unterstützung im Kampf um die Herzen und die Köpfe. Doch so demokratisch, wie das Internet nun mal ist, so schwer ist es auch, es zu überwachen. Und so können antidemokratische und menschenverachtende Inhalte relativ ungesühnt weltweit verbreitet werden.
NPD-Wahlwerbespot: "Streichung der Zuschüsse für jüdische Gemeinden! Streichung der Fördergelder für Migration und Integration! Ausweisung aller kulturfremden Ausländer! Sozial geht nur national! Deshalb am 27. Januar: NPD wählen!"

Peters: "Der Bedeutungsgewinn des Internets hat auch die Art verändert, wie die rechtsextreme Szene funktioniert. Das ist relativ wenig überraschend, das Internet ist zugänglich für sehr viele Menschen, und das ist auch gut so - nur ein Effekt, den man da einkalkulieren muss, ist, dass auch Rechtsextreme da unterwegs sind und sich da breit machen."

Das "Weltnetz", wie es bei den Rechtsextremen heißt, ist effektiv, kostet wenig und erreicht fast jeden. Auf geschätzten 1650 deutschsprachigen Seiten werden braune Inhalte mittlerweile angeboten. Das Leitmedium der rechtsextremen Szene aber ist seit Jahren die Seite "Altermedia - Störtebeker-Netz". Toni Peters vom Apabiz, dem antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum in Berlin:

Peters: "Es wird sich schon bemüht, nicht gegen geltendes Gesetz zu verstoßen, allerdings relativ schludrig. Also der Ton, der da angeschlagen wird, ist ein sehr militanter und sehr radikaler. Da wird Holocaust in Anführungszeichen grundsätzlich geschrieben, da wird so was geschrieben wie 'bei dem Selbstmordattentat in Tel Aviv sind drei Menschen und zwölf Juden ums Leben gekommen', und so was geht da als Humor durch."

Im Störtebeker-Netz werden auch gerne Privat-Adressen von Antifa-Aktivisten oder kritischen Journalisten veröffentlicht, mit dem Hinweis in die Szene, doch mal einen "Besuch" abzustatten.

Neonazi-Musik: "... hetzt denn der alte Mannichl noch, Mannichl noch, Mannichl noch / hetzt denn der alte Mannichl noch Mann-ich-l noch / Ja, er hetzt noch, er hetzt noch ... "

Verfassungsschutz und Polizei beobachten Seiten wie diese regelmäßig.

Lechte: "Das Problem ist: Die Inhalte, die dort verbreitet werden, befinden sich oft in einem sogenannten Graubereich ... "

... sagt der Stralsunder Oberstaatsanwalt Ralf Lechte ...

" ... es gibt dort Betreiber, die uns zum Teil bekannt sind, die sich sehr gut mit der Rechtssprechung auskennen. Die also wissen, wann der Tatbestand der Volksverhetzung greift und wann nicht. Und sie wissen, wie sie ihre Texte formulieren müssen, damit sie immer sehr nah an die Grenze kommen, aber nicht in die Strafbarkeit hineinkommen."

Die Staatsanwaltschaft kennt jenen Stralsunder Neonazi, der als Hauptbetreiber des Störtebeker-Netzes gilt. Oftmals ist es jedoch schwierig, einen Verantwortlichen überhaupt auszumachen ...

Lechte: "Wie Sie wissen, sind viele Server in den USA, gerade von den Rechtsextremen, und in den USA gilt die Meinungsfreiheit uneingeschränkt. Das heißt auch: Rechtsradikale Inhalte dürfen dort verbreitet werden, ohne dass man dort gegen Strafgesetze verstößt."

Längst hat die rechtsextreme Szene aber auch Internetportale wie Youtube für sich entdeckt:

Neonazi-Musik: "In Belsen, in Belsen da häng'se an den Hälsen / Fidirallala, fidirallala fidirallalallala / In Buchenwald, in Buchenwald da machen wir die Juden kalt ... "

Die Neonazi-Band Kommando Freisler, auf Youtube verlinkt von einem Nutzer namens "ArischerPatriot". In seiner Kurzbeschreibung wirbt der "arische Patriot" offen "für ein nationalsozialistisches Deutschland".

Neonazi-Musik: "Du bist ein kleines Judenschwein, nur ein kleines Judenschwein". ..
Auch diesen Song gibt es bei Youtube. Sicher wird er irgendwann gelöscht, aber die Anonymität der User macht Youtube zu einer Hydra - man lädt den gleichen Titel unter neuem Namen einfach erneut hoch.

Neonazi-Podcast: "Ich werde mich niemals damit abfinden, dass man nichts tut. Ich weiß, warum sie sagen, man kann nichts tun, weil sie nichts tun wollen. Aber ich will etwas getan haben dagegen ..."

Aber auch solche Töne beherrschen die Neonazis mittlerweile. Dieser professionell gestaltete Podcast erinnert mehr an die linksautonome Subkultur, stammt aber von einer Neonazi-Kameradschaft aus der Lausitz, die so um Nachwuchs wirbt ...

Neonazoi-Podcast: "Wir haben gelernt, dass Reden ohne Handeln Unrecht ist ... "

Gegen rechte Seiten vorzugehen ist nicht ungefährlich. Der Greifswalder Theologiestudent Benjamin Schöler hat sich das Treiben der Neonazis im Netz eine Weile angesehen - und dann mehrere Webseiten-Betreiber angezeigt. Mit zweifelhaftem Erfolg. Es kam, wenn überhaupt ein Urteil fiel, zu geringen Geldstrafen. Stattdessen gelangten die Neonazis an seine privaten Kontaktdaten.

Schöler: "In einem Fall beispielsweise ist es so gelaufen, dass ich die Anzeige geschrieben habe, es dann zu polizeilichen Ermittlungen kam und schon bei der ersten Vernehmung der Angeschuldigten die Polizei meine Identität mitgeteilt hat, inklusive meiner Adresse und aller Daten. Auf einer rechtsextremen Website, hier in der Region, im Störtebekernetz, erschien dann tatsächlich meine Adresse, zusammen mit einer Warnung vor mir."

Er wird auf verschiedenen Neonazi-Seiten beschimpft, erhält Drohbriefe und Drohanrufe ...

Schöler: "Es hat auch schon einen Aufmarsch von Neonazis vor meinem Wohnhaus gegeben. Also ein eindeutiges Signal: Wir wissen, wo du wohnst. Nimm dich in Acht!"

Anonym mitteilen kann man verfassungswidrige Inhalte auch über die Seite jugendschutz.net. Das von der Bundeszentrale für politische Bildung geförderte Projekt will die Schließung solcher Seiten erreichen. Einen anderen Weg schlägt die sogenannte "Daten-Antifa" ein: Die Hacker kapern regelmäßig Neonazi-Seiten. Und legen sie lahm.
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