Die Medien und die Werbung

Von Michael Meyer · 07.12.2005
In der nächsten Woche will die EU-Kommission eine neue Richtlinie verabschieden, die den Medien bei Werbung und Produktplatzierung deutlich mehr Spielraum lässt. Die kommerziellen Sender begrüßen das. ARD und ZDF, aber auch die Zeitungsverleger lehnen die Richtlinie ab. Über dieses Thema diskutierten Medienmacher und Wissenschaftler auf einem Symposium in Berlin, zu dem die Landesmedienanstalten eingeladen hatten.
Wenn am Dienstag nächster Woche die EU-Kommission die neue Fernsehrichtlinie verabschiedet, dann werden die letzten Schranken der Medienregulierung fallen – so meinen jedenfalls kritische Beobachter. Bislang gilt in Deutschland beim kommerziellen Fernsehen die Obergrenze von 12 Minuten Werbung pro Stunde, ein bestimmter zeitlicher Abstand zwischen den Werbeblöcken und ein Verbot von Product Placement. All dies soll künftig wegfallen, beziehungsweise deutlich liberaler gehandhabt werden.

Kein Wunder, dass die kommerziellen Sender in Zeiten klammer Kassen die Novellierung begrüßen. Es sei aber gelinde gesagt ein Novum, dass nach dem Schleichwerbeskandal nun im Nachhinein die Praxis erlaubt würde – so etwas habe es bisher in keinem anderen Bereich gegeben, meinte der EU-Beauftragte der Landesmedienanstalten Gernot Schumann. Die neue Richtlinie werde das Fernsehen deutlich verändern, so Schumann:

" Thema Werbung: Ich glaube nicht, dass es mehr geben wird, sondern die Werbung wird im Programm anders verlagert sein. Wenn zum Beispiel der Einzelspot kommt, der ja jetzt grundsätzlich verboten ist, bedeutet das ja, beispielsweise: In einem Spielfilm, der Protagonist räkelt sich morgens nach durchzechter Nacht im Bett, Cut!, Aspirin, ja. Man wird situativ werben, man wird häufiger unterbrechen, als es jetzt der Fall ist, und man kann sich nicht mehr darauf verlassen, nach so und so viel Minuten das Bier zu holen oder das alte wegzubringen, das passiert alles spontaner und unvorhergesehener. "

Immer wieder werde argumentiert, dass die kommerziellen Sender aus betriebswirtschaftlichen Gründen neue Werbeformen, wie etwa die Schleichwerbung, bräuchten. Schumann hält dies jedoch für überflüssig, immerhin habe es in den vergangenen Jahren bereits eine Reihe von Liberalisierungen, wie etwa beim Sponsoring, gegeben. Die neue Fernsehrichtlinie sei aber trotz vieler Kritikpunkte durchaus noch zu verändern, betont Schumann:

" Wenn die Fernsehrichtlinie kommt, dann werden wir in Deutschland etwa zwei Jahre Zeit haben durch Gesetze in Deutschland diese Richtlinie umzusetzen, da werden auch noch mal die Karten neu gemischt. Es ist durchaus vorstellbar, dass Brüssel Product Placement erlaubt, aber die deutschen Gesetze sagen, für uns Inländer, also für die inländischen Veranstalter gibt es das nicht. Wie gesagt, da ist lange noch kein Ende abzusehen."

Der Konflikt zwischen den deutschen Landesmedienanstalten und der EU-Kommission steht exemplarisch dafür, wie notwendig Regulierung ist. Immerhin handelt es sich um eine Medienindustrie, die sich immer weiter globalisiert. Die jetzt schon international arbeitenden Konzerne, vor allem aus den USA wie Disney, Time Warner, Fox, Sony und andere werden durch die Digitalisierung sich noch weiter ausbreiten können – dies meint Norbert Schneider, Direktor der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen.

Schneider meint, dass es kreative Lösungen, etwa zur Förderung der kulturellen Vielfalt, geben müsse. Die UNESCO hat am 20. Oktober dieses Jahres eine Konvention zur Förderung der kulturellen Diversifizierung verabschiedet, die in der letzten Woche das kanadische Parlament passierte. Unabhängige Programmveranstalter und Produzenten sollen durch die Konvention gefördert werden. Kaum erstaunlich, dass die USA bereits angekündigt haben, der Konvention nicht zuzustimmen. Der kanadische Medienrechtler Peter S. Grant warnt davor, dass die Welthandelsorganisation WTO in Genf als Gegenspieler der UNESCO Medien genauso behandelt wie normale Konsumgüter:

" Der freie Handel behindert die Länder in ihrem Bestreben, die nationale Kultur zu fördern. Der freie Welthandel behindert so auch die Entwicklung von vielfältigen und eigenständigen Medien. Ein sogenannter freier Welthandel tut nichts anderes, als die jetzt schon vorhandene, ungleichgewichtige Medienordnung weiter zu zementieren. Er unterstützt den "Blockbuster-Effekt" und unterbindet die Beteiligung kleiner, unabhängiger Produzenten. Das Problem, all diese Fragen der Welthandelsorganisation zu überlassen, ist offensichtlich: Die WTO hat kein Gefühl für die Kultur, die WTO wird gesteuert durch knallhartes Wirtschaftsdenken. Die Debatten werden entschieden durch Wirtschaftsakademiker, die kulturelle Unterschiede nicht unterscheiden können. "

Insofern sei es auch kein Wunder, dass die EU-Kommission die Gebühren für öffentlich-rechtliche Sender auf den Prüfstand stelle – das ökonomistische Denken setze sich immer mehr durch, meint Peter S. Grant. Öffentlicher Rundfunk sei aber geradezu notwendig, wenn man bedenke, dass der freie Wettbewerb eben nicht alle wünschenswerten Inhalte zur Verfügung stelle – ein klassischer Fall von "Marktversagen".

Diesem Marktversagen müsse man begegnen, der Konflikt zwischen Medien als Ware und Medien als Kulturgut werde sich in der Zukunft noch verschärfen. Dabei sind die Überschneidungen von Kompetenzen zwischen EU, Bund und Ländern für die Medienpolitik ein großes Problem, aber auch für die Medienkonzerne. Dies bestätigte Gerhard Zeiler, Vorstandsvorsitzender der RTL-Gruppe - eines Unternehmens, das mit Radio und Fernsehen täglich 120 Millionen Menschen erreicht.

" Globalisierung und Regulierung gehören zusammen. Es geht nicht ohnedem. Und da muss ich einmal für die deutschen Regulierungsbehörden eine Lanze brechen: Sie werden es mir gar nicht glauben, dass ich sage: Ich würde mir manchmal in England oder in Frankreich solche Regulierer wünschen wie hier in Deutschland, einziger Nachteil – es müssen ja nicht gleich 15 sein. Einer würde auch genügen, aber auch an das haben wir uns gewöhnt. "

Zeiler meint, dass, obwohl es zum Beispiel in Frankreich eine nationale Quote für Musik im Radio oder Eigenproduktionen im Fernsehen gebe, dort nicht unbedingt mehr niveauvolle Filme oder Serien entstünden. In Deutschland sei ohne eine solche Quote eine viel lebendigere Produzentenlandschaft entstanden als im Nachbarland. Insofern könne Regulierung keine Kreativität ersetzen.

Die Bedeutung von immer größer werdenden Medienkonzernen räumte allerdings auch Zeiler ein, und Norbert Schneider von der Medienanstalt Nordrhein-Westfalen ergänzte: Es sei schon absurd, wenn man einerseits den Zusammenschluss von Springer und Pro7Sat1 aus Wettbewerbsgründen verbieten wolle und anschließend ein ausländischer Investor komme, der beide Konzerne aufkauft. Dieser Investor würde sich dann noch nicht mal eine Genehmigung einer Regulierungsbehörde einholen müssen – und zwar weder aus Washington, Genf, Brüssel oder Berlin.

Service:

Das Symposium "Im Regulierungsviereck von WTO, EU, Bund und Ländern - Rundfunk im Spannungsfeld zwischen Kultur und Wirtschaft", zu dem die Landesmedienanstalten eingeladen hatten, fand am 7. Dezember 2005 in Berlin statt.