Die Macht der Maus

Von Günter Kaindlstorfer · 02.02.2012
Neben Andy Warhol und Roy Liechtenstein ist der gebürtige Schwede Claes Oldenburg einer der bedeutendsten Vertreter der amerikanischen "Pop Art." Im "Museum Moderner Kunst" in Wien, kurz "Mumok" genannt, ist ab Samstag eine eindrucksvolle Ausstellung mit Arbeiten des humorvollen Künstler zu sehen.
Mickey war sein Schicksal. Keine andere Figur hat Claes Oldenburg so lange und so intensiv beschäftigt wie der weltberühmte Nager aus Entenhausen, pardon, aus Mouseton, wie Mickeys Heimatstadt im Original heißt. Die größte seiner Mickey-Mouse-Skulpturen hat Oldenburg in Houston aufgestellt. Allein die Ohren der texanischen Monumental-Maus weisen einen Durchmesser von 5,5 Metern auf. Mickeys in allen Größen hat der Pop-Artist mit schwedischen Wurzeln geformt, in den 60er-Jahren sogar welche aus Papier, ganz winzige, fragile Mäuse, die sich jeder leisten konnte. Die Idee dahinter sei im Grunde eine demokratische gewesen, erläutert der Künstler: Auch Niedrigverdiener sollten sich einen Original Oldenburg leisten können.

"The idea was, to make them so many, that they would be very cheap, and they are made out of paper. And anybody can afford to have a mouse.”"

Das "Museum Moderner Kunst” in Wien besitzt eines der zentralen Werke von Claes Oldenburg: das sogenannte "Mouse-Museum", das der Künstler 1972 für die "Documenta" in Kassel konzipiert hat. Es handelt sich um ein begehbares Häuschen mit Mickey-Mouse-Grundriss, in dem wie in einem Kitsch-Museum 385 Spielsachen, Scherzartikel, Souvenirs aufgehäuft sind, vom grellbunten Eisbecher aus Plastik bis zum poppigen Kunststoff-Cheeseburger. Ein groteskes Museum des "American Way of Life", oder, wie Oldenburg es nennt, sein persönlichen "Mousoleum".

""The idea of the show is, that we are looking back at the period from the Mouse-Museum. The Mouse-Museum has collected of lot of souvenirs and things from that period.”"

Die Wiener Oldenburg-Schau zeigt das Frühwerk des Künstlers. Obwohl Claes Oldenburg in den USA ein Megastar sei, erklärt Co-Kuratorin Ann Temkin vom MoMA aus New York, seien seine Arbeiten aus den 60er auch in den Vereinigten Staaten so gut wie unbekannt.

""Oldenberg is an artist, who we think to know him quite well. But the work, that he did in the 1960s is very unknown.”"

Populär wurde Claes Oldenburg in den USA vor allem mit seinen Riesen-Skulpturen, die öffentliche Plätze in den verschiedensten Großstädten zieren, vom überdimensionalen Hamburger bis zum phallischen Monumental-Lippenstift. In der Wiener Ausstellung sind auch Skizzen zu niemals verwirklichten Skulpturen zu sehen. Kurator Armin Hochdörfer:

""Ich würde sagen, 80 bis 90 Prozent seiner Objekte sind nie realisiert worden und sind auch unrealisierbar."

Dazu gehören etwa ein Riesenteddy in King-Kong-Dimension für den New Yorker Central Park oder ein gigantomanischer Standventilator, der auf einem Hügel über Staten Island hätte rotieren sollen.

Zu den realisierten Innovationen, mit denen Claes Oldenburg die Kunst des 20sten Jahrhunderts bereichert hat, gehören die sogenannten "Soft Sculptures", seine ureigenste Erfindung. Es handelt sich um Skulpturen aus Vinyl.

"So many things are hard, so I thought, it would be interesting to make them soft. I got material like vinyl, which had the look of steel, but was very soft.”"

Dutzende dieser Weichskulpturen zieren die Ausstellung im Mumok: von einer zähflüssig dahinrinnende Klomuschel bis hin zum zerknautschten Doppel-Cheeseburger.

""Ich glaube, genau darum geht es: dass man wie in einem kleinen Überraschungs-Parcours durch die Ausstellung geht und uns plötzlich ein Objekt, das uns aus dem Alltag wohlbekannt ist, viel zu groß und ganz, ganz schlaff erscheint. Und man kann sich bei schlaffen Objekten immer auch vorstellen, dass sie wieder aufgebläht und in Form gebracht werden. Es ist, als ob ein Objekt schläft und plötzlich wieder aufwacht und sich aufrichtet."

Oldenburgs "Soft Sculptures" seien eine echte Innovation gewesen, meint Ann Temkin. Nie zuvor habe ein Künstler Plastiken geschaffen, die man nach Herzenslust knuddeln und begrapschen konnte.

""This is a colossal innovation. He was the first one to make a sculpture, that you can push and pull or pat down or fluff up, before that sculpture is rigid and firm.”"

Seine Sammlerinnen und Sammler gingen oft zu ehrfürchtig mit seinen Soft Sculptures um, klagt Claes Oldenburg. Der Künstler hätte nichts dagegen, wenn man seine Skulpturen öfter einmal schüttle oder umstelle, um sie von einer anderen Seite aus betrachten zu können.

""Every time you come home, you can change it. The problem is, that most people, who own Soft Sculptures, don't change them enough. They should take them and shake them, you know. I think, that softness is un-hardness, that's the interesting thing.”"

Im "Museum Moderner Kunst” ist es bis auf weiteres nicht erlaubt, Claes Oldenburgs Plastiken zu knuddeln und zu begrapschen. Aber anschauen und umrunden und von allen Seiten aus genussvoll betrachten kann man sie. Man wird sich nicht sattsehen können an der picksüßen Ironie, mit der der große Pop-Humorist Claes Oldenburg unsere schöne neue Konsumwelt schon in den 60ern zur Kenntlichkeit entstellt hat.
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