Die literarische Welt in der geteilten Stadt

Von Sigrid Brinkmann · 17.01.2006
Klaus Mann, Carl Zuckmayer, Mascha Kaléko, Hermann Kesten - sie kamen auf Stippvisite nach Berlin, um vom Leben in Amerika, in Frankreich und Italien zu berichten oder um moralisierende Anekdoten zu streuen oder sich ihrer Leser zu vergewissern mit leisen Emigrantenmonologen, die während der ersten Wiederbegegnung mit dem verlorenen Vaterland entstanden waren.
Mose Ya’aqob Ben-Gavriel etwa schickte skurrile Erzählungen aus Jerusalem, derweil Gottfried Benn über den "Fortschritt vom Rad zur Guillotine", über die politische Welt insgesamt, polemisierte. Dichter, die eine eher weihevolle Kultivierung der Sprache betrieben, traten hinter Böll, Johnson, Fühmann, Maugham, dem frühen Brodkey, Camus und Neruda in den Schatten.

Der RIAS fahndete nach "Daseinsbildern" und diente so als Sprungbrett für Autoren aus der DDR und Osteuropa - nicht zuletzt für literarische Einzelgänger auf Verlagssuche im Westen. In knapp fünf Jahrzehnten wurde so das internationale "ABC" der modernen Lyrik und Prosa durchbuchstabiert.