"Die Liebenden"

Von Anke Leweke · 02.05.2012
Auch mit seinem neuen Film "Die Liebenden" erinnert Christophe Honoré an eine schöne Tradition des französischen Kinos.
In den 60er-Jahren hatte Jacques Demy mit Filmen wie "Die Regenschirme von Cherbourg" oder "Die Mädchen von Rochefort" bewiesen, dass man durchaus ernsthafte Musicals drehen kann. Dass sich Magie und Realismus, Melodram und Wahrhaftigkeit nicht ausschließen. In Demys Fußtapfen tritt nun Honoré, nimmt uns zu Beginn von "Die Liebenden" mit in ein knallbuntes, fröhliches Paris der 60er-Jahre.

Wir lernen die wasserstoffblonde Schuhverkäuferin Madeleine (Ludivine Sagnier) kennen, die, um sich die feinen, roten Stöckelschuhe und andere Dinge leisten zu können, als Gelegenheitsprostituierte arbeitet. Eines Tages wird sich das lebensfrohe Mädchen in einen ihrer Freier verlieben. In einen Arzt aus Prag, der sie mit in das fremde Land nimmt. Doch dessen amouröse Eskapaden und die Zeitläufte, der Einmarsch der Russen, lassen sie mit der kleinen Tochter wieder nach Paris gehen. Was bleibt, ist eine lebenslange Amour fou. Obwohl Madeleine geheiratet hat, wird sie den Vater ihrer Tochter immer wieder in einem Pariser Hotel treffen.

Gespielt wird die in die Jahre gekommene Madeleine von Catherine Deneuve. Wenn sie singend auf ihr Leben zurückblickt, spürt man, dass sie weiß, worum es in den sentimentalen Textzeilen geht. Plötzlich schwingt sie mit, die gesamte Deneuvesche Filmografie, mit ihren vielen gelebten und ungeliebten Lieben. Wir folgen einer Frau im roten Ledermantel, die melancholischen Schrittes und rauchend durch das nächtliche Paris spaziert. Einer Frau, die sich auf der Leinwand stets ihre eigenen Liebeswege gesucht hat. In Honorés Film scheint ihre Tochter dieses Faible für unmögliche Lieben übernommen zu haben. Sie verliebt sich in einen schwulen New Yorker Drummer.

Es ist eine schöne Besetzungsideee, dass Vera von Deneuves Tochter Chiara Mastroianni gespielt wird. Es gibt da eine Vertrautheit, eine Seelenverwandtschaft, die einfach da sind. Und es wird immer mehr ihr Film. Wenn sie in einem Londoner Nachtclub verloren tanzt und dabei zum Objekt der Begierde und von einem Mann zum anderen gereicht wird, dann erfüllt sich die klassische Formel des Mucicals, Emotion wird zu Motion, das Gefühl geht in die Bewegung über. Ein cooler Club wird eingeholt von Gefühlen, die quer durch die Generationen und Epochen anders gelebt werden, aber die uns immer begleitet haben und stets begleiten werden. Plötzlich wird auch der letzte Winkel des Clubs von der Sehnsucht nach Liebe durchdrungen.

Frankreich 2011, Regie: Christophe Honoré, Hauptdarsteller: Ludivine Sagnier, Chiara Mastroianni, Catherine Deneuve, Louis Garrel, 128 min.