Die Kuh ist nicht schuld an ihrem schlechten Image

21.01.2011
Ihr Image ist gerade in Zeiten des Klimawandels schlecht: Die Kuh gilt als Klimakiller. Bei ihrer Verdauung entsteht eine Menge Methan. Ihr Futter zerstört Urwälder und nimmt den Armen das Brot weg. Eine einfache Rechnung, vielfach wiederholt und dennoch falsch. Das jedenfalls behauptet Anita Idel in ihrem Buch.
Denn nicht die Kuh als solche ist schuld an der Misere, sondern die Art ihrer Haltung. Die Massentierhaltung, so kritisiert die Tierärztin, ist nur auf Gewinnmaximierung ausgerichtet und achtet nicht auf die artgerechte Haltung. Mit den oben beschriebenen fatalen Folgen.

Das beginnt schon bei der Ernährung. Eine Kuh verschlingt am Tag bis zum 100 Kilogramm Grünfutter. Das bekommt dem Wiederkäuer auch gut, denn ihr Pansen ist auf Gräser und Kräuter spezialisiert. Doch eine Wiese sehen heute nur noch wenige Tiere. Die meisten stehen Winter wie Sommer im Stall und werden vorwiegend mit Getreide, Mais und Soja gefüttert, um möglichst viel Milch zu geben oder möglichst rasch Fleisch anzusetzen.

Mit diesem Nahrungsmix wird die Kuh aber zum Futterkonkurrenten für den Menschen. Und: Ihre Mägen verwerten das Kraftfutter nicht besonders gut. Es ist, so schreibt Anita Idel' aus Sicht des Pansens "abartig". Da zwei Drittel der Kraftnahrung, die in die EU importiert wird, aus Entwicklungsländern stammen, fallen dort tatsächlich Urwälder ihrer Produktion zum Opfer. Die Rückkehr zur Weidewirtschaft würde diese Entwicklung stoppen, so Anita Idel. Was sie nicht erwähnt: Dann würde wohl auch Fleisch knapper und teurer werden.

Und auch der Tatsache, dass Kühe bei der Verdauung Methan rülpsen, begegnet Anita Idel kritisch. Denn viel schlimmer als das von den Kühen erzeugte Methan sei, dass für die industrielle Produktion des Tierfutters sehr viele Klimagase wie zum Beispiel Lachgas ausgestoßen werden. Würde man die Tiere so füttern, wie es ihnen entspricht, dann würden die Weidetiere zudem weltweit Grünflächen erhalten und damit Gutes tun: Gräser speichern in ihren Wurzeln große Mengen an Kohlenstoff, den sie der Atmosphäre entziehen. Futtermittelanbau vernichtet diese Speicherung. Gräser aber sind auf Graser angewiesen. Sie wachsen nur, werden sie regelmäßig beweidet. Nachhaltige Weidewirtschaft würde weltweit Kohlendioxid speichern. Statt Klimakiller würde die Kuh so zum Klimaretter.

Es ist die ganzheitliche Betrachtung, die Anita Idels Buch auszeichnet. Sie zeigt die Wechselwirkung von Bodenfruchtbarkeit und Weidetieren, ihre, richtig verstanden, naturbewahrende Funktion, befasst sich mit Milchwirtschaft und Käseproduktion, führt anschauliche Beispiele einer nachhaltigen Viehwirtschaft vor.

Das Verhalten von Kühen gehört ebenso zu den Themen, die sie aufgreift, wie tiergerechtes Schlachten. Man spürt bei der Tierärztin, dass sie ihre Patienten liebt, allein schon dadurch, wie sie von alten robusten Rassen schwärmt. Farbfotos ausgesucht schöner Rinder ergänzen ihre Berichte von Höfen, die auf artgerechte Viehhaltung setzen.

Besprochen von Johannes Kaiser

Anita Idel: Die Kuh ist kein Klima-Killer – Wie die Agrarindustrie die Erde verwüstet und was wir dagegen tun können
Metropolis-Verlag, Marburg 2010
200 Seiten, 18 Euro