Die innerdeutsche Grenze im Computerspiel

Von Eva Raisig · 10.12.2010
Mauertote und Schießbefehl als PC-Spiel? Nicht nur die Opferverbände fanden das geschmack- und pietätlos. Diese Version des ursprünglich als Serious Game entwickelten "Frontiers" ist umstritten.
Eine Grenzstation irgendwo an der spanischen Küste. Ein Fernrohr sucht den Küstenstreifen ab. Dann rennt ein Mensch durchs Bild, rennt auf den Grenzzaun zu. Hinter dem Zaun liegt Europa. Das Suchfernrohr folgt dem Flüchtling. Der Soldat auf dem Wachturm fixiert den unbewaffneten Mann. Dann fällt ein Schuss. Der Flüchtling fällt leblos zu Boden.

"Frontiers – welcome to the fortress Europe", ist ein sogenanntes Serious Game, also ein Computerspiel, das dem Spieler nicht nur Unterhaltung bieten, sondern ihm auch Wissen und Fähigkeiten vermitteln soll.

Ursprünglich waren Serious Games für Flugsimulationen entwickelt worden. Heute sollen sie beispielsweise krebskranken Kindern erklären, was in ihrem Körper passiert, Unternehmen hingegen versuchen mit Serious Games neue Mitarbeiter zu gewinnen, die Weltbank ermutigt mit einem kostenlosen Lernspiel junge Menschen, Lösungen für die sozialen Probleme auf der Welt zu finden.

Die Künstlergruppe "Goldextra" machte vor zwei Jahren dann den nächsten Schritt und gestaltete mit ihrem Spiel Frontiers einen Egoshooter als Serious Game. In "Frontiers" kann der Spieler die bedrückenden Hintergründe illegaler Flüchtlingsströme durchspielen – in der Rolle des Grenzsoldaten, der die europäischen Außengrenzen schützt oder als Flüchtling, der seine Flucht oftmals mit dem Leben bezahlt. Die Öffentlichkeit reagierte überraschend positiv – trotz aller Bedenken gegenüber Ballerspielen.

Zu serious wurde es vielen allerdings, als einer der Mitentwickler von "Frontiers", der Karlsruher Medienkunststudent Jens Stober, eine Version herausbrachte, die den Spieler an den innerdeutschen Grenzstreifen der 70er Jahre versetzt. Mauertote und Schießbefehl als Unterhaltung vor dem Bildschirm? Nicht nur die Opferverbände fanden das geschmack- und pietätlos. Die offizielle Vorstellung des Spiels am Tag der deutschen Einheit wurde abgesagt – um heute, da sich die Wogen geglättet haben, an einem ganz gewöhnlichen Freitag doch präsentiert zu werden, Podiumsdiskussion inklusive.

Für die Kritiker steht bereits fest: Ein pädagogischer Wert ist in dem Spiel nicht zu erkennen. Es sei vielmehr nur ein weiterer Beitrag zur Brutalisierung und Enthemmung der Gesellschaft unter dem Deckmäntelchen der historischen Aufarbeitung.
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