Die Holzhammer-Methode

Moderation: Jürgen Könit · 06.05.2008
In Rom wurde 2006 das Ara-Pacis-Museum eröffnet. Es umgibt den antiken Friedensaltar des Kaisers Augustus mit einer modernen Hülle nach einem Entwurf des US-amerikanischen Architekten Richard Meier. Diese müsse nun entfernt werden, weil sie ein "invasiver Eingriff" in das Stadtbild sei, wird der neue römische Bürgermeister Giorgio Alemanno zitiert.
Jürgen König: In Rom nun unser Kollege Gregor Hoppe. Hallo, guten Tag, Herr Hoppe!

Gregor Hoppe: Ja, grüß Sie, hallo!

König: Rom soll umgekrempelt werden, sagt Venedigs Bürgermeister Massimo Cacciari. Glauben Sie das?

Hoppe: Nein, das glaube ich nicht. Massimo Cacciari hat sicherlich recht mit seiner Warnung vor dem, was Gianni Alemanno kulturpolitisch vorhat. Man muss fairerweise erwähnen, dass Gianni Alemanno immer gesagt hat, das hat keine Priorität für ihn. Er hat gesagt, die Theka von Richard Meier, die Hülle, die moderne zeitgenössische Hülle, die jetzt die Ara Pacis des Kaisers Augustus umgibt, die solle abgerissen werden, wenn dafür das Geld da ist. Das ist natürlich einfach ein Signal, das ist so ein bisschen Stimmungsmache. Das ist sehr populistisch, denn dieses moderne Bauwerk war jetzt beim normalen Mann auf der Straße von Anfang an umstritten. Es ist natürlich sakrosankt, das historische Zentrum Roms, da etwas Zeitgenössisches zu bauen. Das war für alle, die man so gefragt hat auf der Straße, immer schon ein Skandal. Allerdings die, die sich ein bisschen für Architektur interessieren und da auch weitergehende Kenntnisse haben, die sagen: Ja, was soll denn nun sein eigentlich mit Rom. Soll das immer so stehenbleiben, wie es jetzt ist, oder darf man auch Zeugnis ablegen davon, dass da moderne Menschen auch wohnen und ihre Bedürfnisse haben? Interessanterweise, Sie haben es selbst gesagt, die vorige Hülle, die eben zum 2000-jährigen Jubiläum der Kaiserwerdung von Augustus, damals 1938 unter Mussolini errichtet worden war, die hat schlicht den konservatorischen Standards von heute nicht mehr genügt. Richard Meier hatte eingegriffen. Ich finde, er hat das ganz gut gemacht. Sicherlich keine sensationelle Architektur, aber eben ein wenig kühn, ein wenig kompromisslos, ein modernes Gebäude am Tiber, es ist ja nicht direkt irgendwie auf der Piazza Navona oder so. Ich find es okay. Aber Alemanno bedient natürlich die Ressentiments, die es beim kleinen Mann auf der Straße dagegen gibt.

König: Ich meine, wenn es nur das Zeitgenössische des Bauwerks ist, dass da Anstoß erregt, man muss ja bedenken, Mussolini ließ einst ganze Mietshausviertel abreißen, um das Forum Romanum freilegen zu können, auch den Friedensaltar des Augustus ließ er, wie gesagt, überbauen. Gegen derartige Neubauten kann eigentlich die auch Alleanza Nazionale nichts haben?

Hoppe: Ja, das ist eben das Komische daran. Kein Mensch stört sich in Rom und schon gar nicht die Alleanza Nazionale, schon gar nicht Gianni Alemanno, der ja ganz gerne mal das Keltenkreuz am Halskettchen trägt, stört sich an den Eingriffen, an den massiven Eingriffen, die Mussolini hat vornehmen lassen. Das ist natürlich, wir haben es im Beitrag von Thomas Migge gehört, der faschistische Bau ist nicht so schlimm gewesen wie das, was die Nationalsozialisten für Berlin etwa geplant haben. Speer ist da weit weg. Viele faschistische Architekten gelten als Vorbilder auch durchaus bei ernstzunehmenden Architekten in Deutschland. Nur, die politische Bedeutung, mit der das Ganze aufgeladen ist, die stört in Rom keinen Menschen. Und das ist das etwas Sonderbare. Das ist das, was man in Deutschland auch wirklich verwunderlich findet, wie ich finde, völlig zu Recht. Bei uns wird immer diskutiert, zum Beispiel in München, sprengt man das Haus der Kunst weg. Hier stört sich kein Mensch daran, wenn Tausende von Autos täglich an einer großen Säule vorüberfahren, wo draufsteht Mussolini Dux, das steht völlig unkommentiert da und stört keinen Menschen.

König: Also, Mussolini Führer?

Hoppe: Ja, ja.

König: Die endgültige Entscheidung über das Ara-Pacic-Museum von Meier soll durch ein Referendum herbeigeführt werden. Könnte es ein solches Referendum geben, und welche Chancen hätte Alemanno bei einem solchen Referendum?

Hoppe: Es könnte ein solches Referendum geben. Er hätte meiner Meinung nach sogar die Chance, es zu gewinnen. Er müsste bloß absichern, dass die Finanzierung dafür da ist. Und wenn er da keinen richtig guten Sponsor findet, dann hat das überhaupt keine Chance. Denn das aus dem Stadtsäckel Roms herauszuschneiden, das, glaube ich, sähen die Leute dann nun doch wieder nicht ein. Das Ding ist 2006 eingeweiht worden. Es ist teuer bezahlt worden. Die Touristen zumindest gehen sehr gerne hin. Es entspricht laut der Soprintendenza, der obersten Aufsichtsbehörde für die Kulturgüter Italiens, auch den Anforderungen. Es soll ja nur die Hülle sein, die ein antikes Denkmal umgibt und schützt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass, wenn er die Finanzierung nicht auf die Beine stellt, dass er dann Chancen hat.

König: Rom hat drei Jahrzehnte linksliberaler Stadtregierung hinter sich. Alemannos Vorgänger im Amt war Walter Veltroni. Steht da jetzt ein genereller Wandel in der Kulturpolitik bevor?

Hoppe: Ich denke, ja. Er hat zumindest vor, Akzente zu setzen. Warum hat er das vor? Beide seine Vorgänger, nicht nur der von Ihnen erwähnte Veltroni, sondern auch Rutelli, der ja auch sein Gegenkandidat war im jetzigen Wahlkampf, waren jeweils die Kulturminister auch mal von Regierungen Prodi, Veltroni bei der ersten, Rutelli jetzt bei der gerade zu Ende gegangenen. Und da hat Alemanno, wenn ich so sagen darf, einen leichten Minderwertigkeitskomplex. Er hat sofort attackiert, zum Beispiel auch interessanterweise das von Veltroni eingeführte, relativ ambitionierte Filmfest Rom und hat gesagt: Was will ich hier mit DiCaprio, was will ich mit den internationalen Hollywoodstars, – mit denen sich, das sage ich offen, natürlich muss man zugeben, Veltroni auch geschmückt hat. Er will das in den Vordergrund stellen, was beim Filmfest Rom ohnehin eine große Abteilung war, dass die eigenen Produktionen, die italienischen Filme, kleinere Sachen, aber wunderschön teilweise, die in Cinecittà gedreht werden. Nur, das klingt natürlich etwas provinziell, gerade wenn man vor dem Hintergrund dessen, dass Veltroni das natürlich aufbauen wollte als Konkurrenz zu Venedig.

König: Wie viele Posten wurden noch neu besetzt jetzt in der Kulturszene?

Hoppe: Bislang ist noch nicht viel neu besetzt. Aber es ist klar, das hätte übrigens die Linke genauso gemacht, da wird jetzt sozusagen, das, was bei jedem Rathauswechsel geschieht, da werden die Pöstchen sicherlich neu verteilt. Das Filmfest wird einen neuen Leiter bekommen, verschiedene Museen vielleicht. Aber noch ist nichts geschehen, das sind nur Ankündigungen. Denn Alemanno hat ja zunächst einmal ganz was anderes vor. Er will das Feld innere Sicherheit massiv besetzen. Er will aufräumen mit den wilden Slums, die entstanden sind für Roma und Sinti aus Rumänien, hier unter den Brücken am Tiber usw. Kulturell sind es eher Ankündigungen bislang.

König: Trotz alledem entnehme ich, dass eigentlich die Römer die ganze Sache sehr gelassen hinnehmen, diesen Wechsel im Bürgermeisteramt?

Hoppe: Ja, das nehmen sie relativ gelassen hin. Erstens, die mit Faschismus konnotierten Dinge erregen die Deutschen sehr viel mehr, als es die Römer erregt. Die Römer, nicht nur die, die Alemanno gewählt haben natürlich, die sind sowieso einverstanden. Sehen Sie, bei uns wäre es wohl, glaube ich, undenkbar, dass der Schwiegersohn von einem Mann wie Pino Rauti, der hat immerhin den MSI weitergeführt, das ist so, als hätte man jetzt jemanden, der die NSDAP weitergeführt hätte nach dem Zweiten Weltkrieg, und dessen Schwiegersohn wird dann Bürgermeister von Berlin horrible dictu. Aber das regt die Römer eben alle nicht auf. Sondern sie sagen, na ja, schauen wir mal, ob Alemanno besser fertig wird mit den Missständen, die man der Linken zur Last legt. Ich weiß nicht ganz, ob zu Recht oder nicht. Aber ja, so ist das Leben hier. Da sagen die Leute, der mag zwar mit Hitlergruß begrüßt werden auf dem Capitol von seinen Anhängern und da nicht so richtig was dagegen gesagt haben, aber Hauptsache, er sorgt dafür, dass die Taxifahrer eben weiter ihre Pfründe haben. Das ist leider ein bisschen bitter, aber es ist so.

König: Die kulturpolitischen Pläne des neuen römischen Bürgermeisters Alemanno. Ein Gespräch mit dem Journalisten Gregor Hoppe in Rom. Vielen Dank!

Hoppe: Gern!