Die griechische Krise und das Machtpoker in Athen

Von Jannis Papadimitriou, Deutsche Welle · 18.06.2011
Während Griechenland die Pleite droht, pokern die Athener Politiker um die Macht – wie Schulkinder, die sich um ihr Spielzeug streiten. Das wäre alles ziemlich lustig, würde das Land heute nicht vor dem Abgrund stehen.
Während Griechenland die Pleite droht, pokern die Athener Politiker um die Macht – wie Schulkinder, die sich um ihr Spielzeug streiten: Ministerpräsident Giorgos Papandreou will angeblich zurücktreten und bleibt dann doch im Amt, weil Oppositionsführer Antonis Samaras nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten will, was dieser allerdings bestreitet. Und anschließend wird die Regierung umgebildet, damit der renommierte Ökonom Papademos Finanzminister wird, aber dann weigert er sich doch, seine Hand ins Feuer zu halten.

Unterdessen verlangt die konservative Opposition Neuwahlen und verspricht allen Ernstes, das griechische Sparpaket in Brüssel neu zu verhandeln. Ähnliches haben die griechischen Wähler schon mal gehört: Noch vor der Europawahl 2009 wollte der damalige Spitzenkandidat der Sozialisten Giorgos Papakonstantinou den europäischen Stabilitätspakt auflockern und neu verhandeln. Nach der Wahl war diese Kampfforderung schnell wieder vergessen.

Das wäre alles ziemlich lustig, wenn das Land heute nicht vor dem Abgrund gestanden wäre. Die Machtverliebtheit der Politiker wird nur noch von ihrer Leidenschaft für Nepotismus übertroffen. In der Regel werden Jobs in Staat und Verwaltung nicht nach Qualifikation, sondern nach Parteibuch oder durch persönliche Beziehungen vergeben und auch Privatunternehmer pflegen ihre auf Gegenseitigkeit beruhenden Beziehungen zur politischen Klasse. Dadurch entstehen komplizierte Abhängigkeitsverhältnisse, die sich jeder Kontrolle entziehen und für Außenstehende nur schwer durchschaubar sind.

Auch weil sich Regierung und Volk voneinander entfernen, sind immer mehr Griechen sauer auf ihre Politiker. Jetzt kann man natürlich entgegnen, dass sie diese Politiker immerhin selbst gewählt haben, also seien sie auch mitverantwortlich für die heutige Situation. Einspruch: Man kann eben nur diejenigen wählen, die sich auch zur Wahl stellen. Und was wäre, wenn alle Protestbürger die Wahlen boykottieren würden? Dann würde man sie wahrscheinlich erst recht schelten mit der Begründung, sie würden rechten und linken Populisten durch Unterlassen den Weg ebnen.

Die Behauptung, alle seien irgendwie mitverantwortlich, erinnert an altgediente sozialistische Sprüche: "Der Sozialismus ist nur so gut, wie wir ihn gestalten." Natürlich sind die Bürger nicht ganz unbeteiligt an dem, was in ihrem Land passiert. Aber es ist schon wichtig, welche Impulse von oben kommen, welche Beispiele vorgelebt werden.

Um eben ein Beispiel zu nennen: Am Montag erklärte der Regierungsabgeordnete und Ex-Minister Giorgos Lianis seinen Austritt aus der Fraktion der Sozialisten mit der Begründung, er hätte kein Vertrauen mehr in die Wirtschaftspolitik der Regierung. "Die Wahrheit wird dem Volk vorenthalten und ich kann das nicht mehr mittragen", gab er zu bedenken.

Das klingt ehrenhaft. Aber man sollte auch nicht vergessen, wer Giorgos Lianis eigentlich ist – nämlich der Cousin von Dimitra Liani, einer Ex-Stewardess, die in den achtziger Jahren zu Ruhm kam, als sie den 40 Jahre älteren Regierungschef Andreas Papandreou, Vater des heutigen Ministerpräsidenten, zum Altar führte. Daraufhin stand auch ihrem Cousin der Weg in die Politik weit offen. Innerhalb weniger Jahre brachte es der ehemalige Journalist sogar zum Sportminister.

Gut, vielleicht war das nur Zufall. Aber es sind halt solche "Zufälle", die immer mehr Leute in Griechenland auf die Straße bringen.
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