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Die "Generation Praktikum hat es eigentlich so gut wie nie gegeben"

Der Philosoph, der Taxi fährt, ist eher ein Einzelfall, meint Kolja Briedis vom Hochschul-Informations-System (HIS). Laut einer Studie des Unternehmens sind nur zwei bis vier Prozent aller Hochschulabsolventen ein Jahr nach dem Abschluss arbeitslos.

Kolja Briedis im Gespräch mit Aglaia Dane | 26.10.2011
    Aglaia Dane: Generation Praktikum – ein Schlagwort, das bei vielen jungen Leuten Sorgen hervorruft. Sie fragen sich: Muss ich mich nach dem Studium jahrelang von Job zu Job hangeln, gut ausgebildet, aber schlecht oder gar nicht bezahlt? Auch Kolja Briedis hat sich mit dieser Frage beschäftigt – aus wissenschaftlicher Sicht. Er hat für das Hochschulinformationssystem eine Studie erstellt zur Lage von Hochschulabsolventen. Sie kommt zu dem Ergebnis: Nur zwei bis vier Prozent aller Absolventen sind ein Jahr nach dem Abschluss arbeitslos, und die meisten haben sogar einen Job, der ihrer Qualifikation entspricht. Herr Briedis, ist die Generation Praktikum aus Ihrer Sicht ein Mythos?

    Kolja Briedis: Das muss man schon sagen. Ich glaube, dass es die Generation Praktikum eigentlich so gut wie nie gegeben hat. Ältere Studien aus unserem Hause belegen ja auch, dass es schon vor drei, vier, fünf Jahren nur sehr geringe Quoten gegeben hat, und wir müssen feststellen, dass das auch weiterhin gilt. Die Generation Praktikum ist auf jeden Fall kein Phänomen, das weite Teile von Hochschulabsolventinnen und -absolventen betrifft.

    Dane: Sie kommen in Ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass wenig Absolventen arbeitslos sind – aber was sind denn das für Verträge, die die dann haben? Sind das wirklich Festanstellungen, oder sind das Trainee-Stellen und Zeitverträge?

    Briedis: Also Trainee-Stellen kommen eher selten vor, das ist in bestimmten Fachrichtungen wie den Wirtschaftswissenschaften schon etwas häufiger, aber auch nicht im größeren Maße. Viele starten in der Tat mit befristeten Arbeitsverträgen, allerdings ist auch das nicht ungewöhnlich, diesen Trend beobachten wir in den letzten Jahren mehr und mehr, auch bei Hochschulabsolventinnen und -absolventen, allerdings gibt es in bestimmten Fächern das ohnehin sozusagen beim Berufsstart erst mal üblicherweise: Jemand, der ein Referendariat im Lehramt oder als Jurist beginnt, hat natürlich keinen Dauervertrag zu Beginn seiner Tätigkeit, der ist logischerweise befristet. Man kann sagen, dass rund die Hälfte der Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen allerdings mit Dauerverträgen beginnen, bei den Universitätsabsolventen, das hängt mit der Fächerstruktur zusammen, ist der Anteil niedriger und bei ungefähr einem Viertel.

    Dane: Wie ist denn das mit den Bachelorabsolventen? Bei denen hieß es ja häufig, dass deren Abschluss nicht so gute Chancen hat auf dem Arbeitsmarkt.

    Briedis: Also bei Bachelorabsolventen stellen wir erst mal fest, dass viele ins Masterstudium übergehen, ein Teil allerdings dann eben doch in die Erwerbstätigkeit startet, und wir können schon feststellen, dass der Bachelorabschluss durchaus angekommen ist auf dem Arbeitsmarkt, dass er akzeptiert wird, dass hier Absolventinnen und Absolventen beruflich unterkommen, wenngleich es da eben auch in bestimmten Fächern durchaus Probleme gibt.

    Dane: Schauen wir mal in die Fächer, weil ich kann mir vorstellen, dass der Unterschied zwischen einem Maschinenbauer, einem Mediziner und einem Philosophen doch recht groß ist. Gehe ich da richtig in der Annahme?

    Briedis: Auf jeden Fall, auf jeden Fall. Wir beobachten das schon sehr deutlich, dass bestimmte Fachrichtungen relativ gute Startchancen haben, und die Absolventinnen und Absolventen dort eben relativ gut verdienen. Dazu zählten zum Beispiel die technischen Fachrichtungen, also nicht nur Maschinenbau, sondern generell eigentlich fast alles, was sich im Bereich der Ingenieurwissenschaften befindet. Das gilt auch für die Informatik noch mit dazu. Probleme haben wir dann eher zum Beispiel in den geisteswissenschaftlichen Fächern. Bei denen gestaltet sich der Berufseinstieg meistens etwas schwieriger, allerdings muss man auch bei diesem Fach dazusagen, dass es sich häufig um die Einstiegsphase handelt, und über einen längeren Zeitraum hinweg dann eben doch auch so etwas wie eine Konsolidierung stattfindet.

    Dane: Der Philosoph, der Taxi fährt, ist also noch nicht Vergangenheit?

    Briedis: Ihn gibt es sicherlich, aber eher im Einzelfall. Viele Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler üben eher Tätigkeiten aus, die schon in der Nähe ihrer beruflichen Ambitionen liegen, die allerdings dann meistens zum Beispiel nicht in Vollzeitstellen münden, eben häufig befristet sind, die häufig auch nicht so gut bezahlt werden, wo sozusagen viele Merkmale nicht so richtig, noch nicht richtig auf eine akademische Anstellung passen.

    Dane: Wer also demnächst ein Studium aufnehmen will – was würden Sie ihm raten mit Hinblick auf die Karrierechancen?

    Briedis: Ich würde sicherlich dazu raten, sich im Vorfeld des Studiums darüber kundig zu machen, wie denn die Berufsaussichten hinterher sind. Allerdings würde ich mich nicht daran festhalten, wie sie denn aktuell aussehen, denn das kann auf der einen Seite doch immer wieder variieren, wir beobachten, dass es immer wieder Konjunkturschwankungen gibt, und insofern kann man heute gar nicht sagen, was in drei, vier, fünf Jahren möglicherweise dann eben zu einem Erfolg versprechenden Studium dazugehört beziehungsweise welches Fach dazugehört. Und insofern haben wir da keine klaren, würde ich keine klaren Vorgaben machen, sondern ich würde eher sagen: Man sollte schon darauf schauen, dass man etwas studiert, was einem selber auch Freude bereitet, wo man gut drin ist, denn nur das führt letztlich dazu, dass man auch später über ein langes Erwerbsleben hinweg zufrieden und glücklich werden kann.

    Dane: Kolja Briedis war das vom Hochschulinformationssystem. Das Interview können Sie nachhören und nachlesen unter www.dradio.de.

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