Die Geschichte des Zaubermarktes von Bé

Ich bin ein Löwe und meine Eltern sind Eichen und Steine

Hubert Ficht erhält den mit 10.000 Mark dotierten Hermann-Hesse-Preis am 2. Juli 1965 in Karlsruhe für sein Manuskript "Das Waisenhaus".
Hubert Fichte im Jahr 1965 © picture-alliance / dpa / DB
Hörspiel von Hubert Fichte · 18.03.2017
Auf dem Zaubermarkt in Togo treffen Nord und Süd aufeinander. Doch weit auseinander liegen sie nicht. Die Zauberformeln des Barockdichters von Lohenstein decken sich mit denen des afrikanischen Zauberers von Abomey.
Das Stück zählt zu den letzten Rundfunkarbeiten des 1986 verstorbenen Autors. In kaum einem anderen Hörspiel geht das oft bekundete ethnologische Interesse Fichtes eine so spielerische Verbindung mit der Poesie ein.
lm wesentlichen sind zwei Stimmen zu hören, die sich gegenseitig kommentieren: die Stimme des im Titel erwähnten "Löwen" und diejenige eines "Herrn aus Basel". Letztere, mehr der Versachlichung zuneigend, interpretiert den Löwen als "Thema der Identifikation und der Imitation. Mimesis sozusagen." Die Betrachtung des Zaubermarktes von Bé durch den "Löwen" löst eine zauberische Anverwandlung durch das Benennen von Dingen aus.
Sprachmagie ist am Werk. Eine Welt entsteht aus Sprache, und der sie erstehen läßt, Fichte, erlebt sich dabei als Schamane, Zauberer und Priester. Die afrikanischen Zauberriten aus Togo und Dahomey stimmen überein mit denen der Merseburger Zauberer, mit Daniel Casper von Lohensteins Zaubersprüchen aus der "Agrippina", mit den Beschwörungsformeln Johannes Bobrowskis. Fichte vergisst nicht, an die Runenhölzchen zu erinnern angesichts der Zauberzeichen auf dem togolesischen Markt von Bé. Allerdings sind sie nur wirksam, wenn sie geglaubt werden. Es gelingt Fichte, dem Hörer diesen Glauben näherzubringen und ihn als eine Qualität wiederzuentdecken.
Regie: Hans Gerd Krogmann
Mit: Siegfried Kernen, Franz-Joseph Steffens, Peter Lieck, Michael Thomas, Felix von Manteuffel, Sonja Karzau

Produktion: NDR 1986
Länge: 64'55

Hubert Fichte (1935-1986), geboren in Perleberg, wuchs in Hamburg auf, war Schauspieler, Schäfer, ab 1963 freier Schriftsteller. Mitglied der Gruppe 47 und des deutschen PEN. Zu seinen wichtigsten Werken zählen die Romane "Das Waisenhaus" (1965), "Die Palette" (1968) und "Versuch über die Pubertät" (1974), die ethnopoetischen Reiseberichte "Xango" (1976) und "Petersilie" (1980) sowie die unvollendete mehrbändige "Geschichte der Empfindlichkeit", die als Fichtes Hauptwerk gelten darf.

Hörspielmagazin Extra:
Die Weltverwörterung – Bausteine zu einem Portrait Hubert Fichtes.
Von Christian Linder