Die Fotografiesammlung Gruber in Köln

Von Christoph Gehring · 26.01.2010
Der Fotografiesammler L. Fritz Gruber und seine Frau Renate sind maßgeblich verantwortlich für den Ruf Kölns als einer Stadt der Fotografie. Gruber begründete die Photokina-Bilderschauen und stiftete der Stadt eine der größten und damals wertvollsten Fotosammlungen.
Das Haus Gruber ist von außen ein unspektakuläres Reihenhaus aus den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Größer natürlich als die aneinandergereihten Normquader, in denen Architekten heute junge Familien einsperren, aber unspektakulär. Im Vorgarten eine Birke, die schon mal lebendiger war, neben der Haustür außen ein Spiegel - damit der Besucher noch einmal den Sitz der Frisur und der Krawatte überprüfen kann, ehe er den Messingklingelknopf neben dem Messingnamensschild "Gruber" drückt. Wenn dann die blau lackierte Haustür aufgeht, ist der Weg frei in ein Haus, dessen Besitzer bis zu seinem Tod 2005 dafür gelebt hat, die Fotografie als eine Form der bildenden Kunst zu etablieren: L. Fritz Gruber. Er erfand Anfang der 50er-Jahre die Messe "Photokina" und die sogenannten "Bilderschauen", die Fotokunstausstellungen also, die maßgeblich dazu beitrugen, den Ruf Kölns als Kunst- und Kulturstadt zu festigen und zu mehren. Er bot der Fotokunst ein Forum, beförderte die Karrieren unzähliger Fotografen und sammelte ihre Arbeiten - nicht wegen des Werts der Bilder, sondern aus Leidenschaft. Hinter der blau lackierten Haustür des unspektakulären Reihenhauses entstand so eine der bedeutendsten Fotografiesammlungen der damaligen Zeit, der 1970er-Jahre.

" Da war drin: Hugo Erfurth, Man Ray, Cecil Beaton, Irving Penn, Richard Avedon, August Sander, Albert Renger-Patzsch - der Jüngste war damals Chargesheimer. "

L. Fritz Grubers Witwe Renate, heute selbst eine gefragte Kennerin der Fotografie, sitzt umrahmt von Kunst und wohlgesetztem Licht und Erinnerungen an die große Zeit der Photokina-Bilderschauen im gelben Salon, dem Esszimmer ihres unspektakulären Reihenhauses. Und sie spricht von der Sammlung in der Vergangenheitsform, weil die Sammlung Gruber das Haus Gruber längst verlassen hat - das Ehepaar stiftete seinen Fotografieschatz schon vor vielen Jahren der Stadt Köln:

"Im Kölnischen Kunstverein fand 1972 eine kleine Ausstellung aus der Sammlung Gruber statt. Die Bilder wurden damals ohne Glas in Samt-Passepartouts, gotisch, schmal, sehr edel gezeigt. Das war kurz vor der Photokina 72 im September. Und der letzte Tag unserer Ausstellung dort, die ganz privat war, war der erste Tag der Pressevorbesichtigung für die Photokina und es kamen Fotografen und Schriftsteller und Journalisten aus der ganzen Welt und einer sagte: 'Das kaufen wir für Amerika!' Da sagte mein Mann: 'Oh Gott, das kann man ja auch kaufen oder verkaufen.' Und kurz darauf meldete sich der legendäre Kulturdezernent Kurt Hackenberg, ein Studienkollege meines verstorbenen Mannes aus den Vorkriegszeiten, und er fragte: 'Gruber, unter welchen Bedingungen geben Sie das der Stadt Köln?' Und dann hat mein Mann gesagt: 'Wenn Sie den ersten Teil ankaufen, weil wir keine Altersversorgung haben, dann stiften wir alles andere.' Der Ankauf waren 800 Blatt, wir haben gleich 935 abgegeben, danach haben wir alles andere gestiftet. Die Sammlung ist jetzt bei ungefähr 3000 Blatt."

Den Wert der Sammlung, die heute zu den Beständen des Kölner Museums Ludwig gehört, kann man in Euro kaum bestimmen. Sicher ist nur: Der Kulturdezernent Kurt Hackenberg hat vor mehr als 30 Jahren ein Schnäppchen für die Stadt Köln geschossen.

"Sagen wir von André Kertesz 'Die Gabel', wo der Kurator des Getty-Museums immer sagte, wir hätten den schönsten Abzug der Welt, so ein Bild kostet sicher 30.000, 40.000 Euro. Man Ray, die gesamte Sammlung Man Ray, das ist sicher viele hunderttausend Euro - ich möchte das Wort 'Millionen' nicht in den Mund nehmen, weil ich immer noch fassungslos bin, wie die Fotografie im Wert gestiegen ist. Also: Ich kann es nicht genau beziffern, aber relativ viel Geld."

Die Bedeutung ihrer Fotografiesammlung kennend, ihre Bedeutung für die Fotografie ahnend haben die Grubers nicht nur die Arbeiten der Kamerakünstler akribisch dokumentiert, sondern auch ihr eigenes Leben - in Texten, Bahnbilletts, Einladungskarten und tausenden von Schnappschüssen, bei denen Henri Cartier-Bresson, Helmut Newton, Annie Leibovitz und andere Größen der Fotografie den Auslöser drückten.

"Der gesamte dokumentarische Nachlass der Familie Gruber ruht im Historischen Archiv - hoffentlich wieder gehoben. Auch mit 14.000 dokumentarischen Fotografien, auch von bedeutenden Fotografen wie Chargesheimer, auch Cartier-Bresson, mit dem wir sehr befreundet waren, der hat uns in den 50er-, 60er-Jahren geknipst und kleine Snapshots geschickt. Und alles das, eben jene Dokumente, 25 laufende Regalmeter und 14.000 Fotografien im Historischen Archiv der Stadt Köln."

Und eben deswegen sind diese Dokumente bis auf Weiteres verschollen, am 3. März 2009 zusammen mit dem Archiv der Stadt Köln versunken in einer schlammigen Baugrube. Doch Renate Gruber ist Kölnerin, das heißt, sie ist eine zügellose Optimistin und steht zu ihrer Heimatstadt - auch wenn der Einsturz des Historischen Archivs und der Verlust der Gruber-Dokumente sie eines Teils des eigenen Lebens beraubt hat.

"Ich war fassungslos. Und ich muss gestehen, auch wenn das befremdlich klingt, ich war bis heute, ein dreiviertel Jahr später, nicht wieder in die Severinstraße 222 gegangen. Ich ..., ich ..., ich ... - es war ein sehr großer Schock. Aber ich bin voller Hoffnung, und um das zu dokumentieren habe ich auch wieder angefangen und habe wichtige Dinge [an das Archiv] abgegeben. Ich möchte, dass es weitergeht. Köln ist eine der wichtigen deutschen Städte und unser unglaubliches Archiv soll wieder auferstehen."