Die Erzkonservativen im Aufwind

Rätselraten um die Rolle Beata Szydlos

Beata Szydlo, Spitzenkandidatin von "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) auf einer Wahlveranstaltung
Beata Szydlo, Spitzenkandidatin von "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) auf einer Wahlveranstaltung © JANEK SKARZYNSKI / AFP
Von Henryk Jarczyk · 24.10.2015
Einst wurde sie als Schlaftablette verspottet, aber nun steht Beata Szydlo vor dem Sprung ins Amt der polnischen Ministerpräsidentin. Ihre Kritiker prophezeien, sie werde vollkommen von den konservativen Parteigranden abhängig sein.
Wenn Imagewechsel, dann richtig – sagen sich Erzkonservative in Polen und schicken genau deshalb eine Frau ins Rennen:
"ich heiße Szydlo, Beata Szydlo..."
Beata Szydlo, die polnische Bondvariante – wer hätte das gedacht. Einst als Schlaftablette und servile Gehilfin ihres Mentors Jaroslaw Kaczynski verspottet, jetzt Spitzenkandidatin der erzkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Im Frühjahr organisierte die 52-jährige Ethnologin erfolgreich den Wahlkampf von Präsident Andrzej Duda. Nun soll es weitergehen: Szydlo ist fest entschlossen, die PiS an die Macht zu bringen und den Posten der Regierungschefin zu übernehmen. Das ist zumindest der Plan:
"Ich weiß, unsere Gegner werden jetzt behaupten, und sie tun es bereits, dass ich aus dem Hintergrund gelenkt werde. Lassen wir den Quatsch. Ich werde mich nicht fernsteuern lassen. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich auf niemanden hören werde. Wer etwas zu sagen hat, dessen Meinung werde ich durchaus berücksichtigen. Das hat man mir so beigebracht. So wurde ich erzogen."
Damit wäre die Lage geklärt. Wirklich? PiS-Kritiker bezweifeln das. Beata Szydlo, so ihre Vermutung, sei in Wirklichkeit nur eine Marionette der alten Partei-Granden. Eine Regierungschefin von Jaroslaw Kaczynskis Gnaden und damit auf Abruf.
Abwegig ist dieser Gedanke keinesfalls. Die Situation gab es schon mal vor rund zehn Jahren. Auch damals ließ Kaczynski einen aus dem Hut gezauberten politischen Nobody den Premierposten erobern, um nach denkbar kurzer Zeit das Amt selbst zu übernehmen. Eine Wiedervorlage des gleichen Szenarios, sagt der Soziologe Aleksander Smolar, sei keineswegs ausgeschlossen.
"Frau Szydlo mag eine moderate Sprache sprechen, aber als Premierministerin wird sie vom Partei- und Fraktionsvorsitzenden Kaczynski vollkommen abhängig sein."
Sie versucht, Emotionen zu schüren
Behauptungen, die Beata Szydlo bewusst nicht zu kommentierten pflegt. Stattdessen ist sie sichtlich bemüht, ähnlich wie Kaczynski Emotionen zu schüren. Zum Beispiel in der Frage der Flüchtlingsaufnahme. Diesbezügliche Beschlüsse der EU-Innenminister nennt sie dementsprechend einen Skandal.
"Die Entscheidung wurde gegen die Sicherheit unseres Landes und ohne Zustimmung der polnischen Bevölkerung getroffen. De Facto wurden uns Quoten aufgezwungen. Es ist ein Präzedenzfall, der dazu führen wird, dass wir bei weiteren Flüchtlingswellen genau nach diesen Quoten weitere Flüchtlinge werden aufnehmen müssen, und zwar ohne Abstimmung mit den Nationalstaaten."
Stimmt zwar nicht ganz, aber wer weiß es schon so genau. Sollte die PiS an die Regierung kommen, verspricht Beata Szydlo jedenfalls, dann werde Polen vor allem auf EU-Ebene eigene Interessen stärker vertreten und nicht nach der Pfeife der Deutschen tanzen. Was derzeit eben nicht der Fall sei:
"Polen muss dieselben Chancen wie andere europäische Staaten haben. Schauen Sie, wie Deutsche und Franzosen um ihre Interessen kämpfen. Eine starke Position Polens in der EU wird uns ermöglichen, jene Erwartungen der Polen zu verwirklichen, die zurzeit für uns alle äußerst wichtig sind."
Nationalegoismen statt gemeinschaftliches Handeln – das scheint die Botschaft der Regierungschefin in spe zu sein. Kaczynski lässt grüßen. Das klingt nicht wirklich beruhigend.
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