Die erste Spritztour der Geschichte

Von Uschi Götz · 05.08.2008
1886 hatte Carl Benz seinen Motorwagen zum Patent angemeldet, aber damit wenig Erfolg gehabt. Erst nachdem zwei Jahre später seine Frau Bertha heimlich den Wagen entwendete und mit ihren beiden Söhnen nach Mannheim fuhr, war die Alltagstauglichkeit des Automobils bewiesen. Die erste Frau am Steuer sorgte für den weltweiten Erfolg des Autos.
Eine stattliche Dame im bunten Kleid und einem großen Sonnenhut auf dem Kopf steigt in den hellblauen Wagen mit der Nummer 63.

"Das ist ein 1924er Benz, der auch hier in Mannheim hergestellt wurde."

Es ist Jutta Benz, die Urenkelin von Carl und Bertha Benz. Ihr Urgroßvater hat das Automobil erfunden, ihre Urgroßmutter war die erste Frau am Steuer.

"Meine Urgroßmutter war keine Emanze, sie war eine sehr couragierte Frau, die eine sehr gute Schulausbildung hatte. Ihre Eltern waren sehr großzügig, sie hat ja auch meinen Urgroßvater finanziell unterstützt, sonst wäre das alles ja nicht gelaufen. Man kann sie mit keiner Feministin in unserem landläufigen Sinn vergleichen."

Jutta Benz, seit ein paar Jahren pensionierte Lehrerin, versinkt fast hinter dem Steuer, so tief liegen die Ledersitze ihres Oldtimers. Vor ihr liegen knapp 100 Kilometer Fahrt, von Mannheim über Heidelberg nach Wiesloch bis nach Pforzheim, auf den Spuren ihrer Urgroßmutter:

"Die größte Leistung war, überhaupt zu fahren - zur damaligen Zeit ist ja nicht einmal mein Urgroßvater so weit gefahren. Der durfte in Mannheim ja nicht fahren, weil es zu schnell war. Und ich denke mir, es war einfach an der Zeit. Sie hatte dann das Gefühl, jetzt muss was passieren, weil er ja schon so lange an dem Patent-Motorwagen rumgemacht hatte. Einfach der Kick, zu sagen, jetzt nehme ich meine beiden Söhne, weil die hatten ja auch sehr viel Technikverständnis, und fahr nach Pforzheim, ich glaube, einfach dieser Antrieb, das zu machen, das finde ich eigentlich das Tollste daran."

Mit Jutta Benz gehen weitere 124 Oldtimer auf die Strecke. Kutschenwagen sind dabei, ein Mercedes Simplex, ein Renault AX, ein Ford T 14 und natürlich ein Benz Ideal. Das schwierigste ist der Start:

Frau: "So, dann muss ich hier dran. Fluten nennt man das, dann ziehen, bis Benzin kommt, dann die Benzinpumpe wieder aus. Das ist die Vorzündung, die muss ich vorstellen. Dann muss ich nach vorne an die Kurbel, ein- zweimal nur so hoch drehen."

Und los geht die Fahrt zu Ehren von Bertha Benz.

Wir schreiben das Jahr 1888: Carl Benz liegt noch im Bett und erfährt erst viel später von der Probefahrt seiner Frau und den beiden Söhnen. Zwei Jahre zuvor, 1886, hatte Carl Benz seinen Motorwagen zum Patent angemeldet: das erste Automobil der Welt und damit eine epochale Erfindung. Doch sein unternehmerisches Geschick ist nicht sehr groß.

Seine Frau Bertha erkennt schnell die Tragweite der Erfindung. Nur der Beweis, dass das Fahrzeug zuverlässig funktioniert und auch große Strecken überwinden kann, steht noch aus. Bertha Benz und ihre beiden Söhne Eugen und Richard werden es beweisen.

Bertha Benz galt als willensstark und tatkräftige Frau, die sich im Kaiserreich nur äußerlich der patriarchalischen Gesellschaft unterordnet. Manchmal glaubt frau, die Zeit sei irgendwie stehen geblieben. Noch immer gibt es Männer, die meinen, sie seien die besseren ... Autofahrer:

Mann: "Frauen fahren immer auf der mittleren Spur 120."
Mann: "Fahren langsamer als nötig ist, aber das ist nicht immer so, der Großteil fährt schon richtig und vernünftig."

Noch in den 50er Jahren waren Frauen mit Führerschein die Ausnahme und Frauen mit einem eigenen Wagen erst recht. In Saudi Arabien dürfen Frauen bis heute nicht hinters Steuer. Erst seit dem Geburtsjahrgang 1964 ist in Deutschland die Zahl der Frauen, die einen Führerschein haben, etwa genauso hoch wie die der Männer.

Frau: "Es gibt immer noch die Vorurteile, denke ich. Frauen können nicht einparken, wobei ich glaube, es sogar erwiesen ist, dass Frauen weniger Unfälle bauen und grundsätzlich defensiver fahren."

Wissenschaftler haben festgestellt: Männer kommen häufiger von der Fahrbahn ab und überholen auch gerne vor Kurven. 65 Prozent aller Unfälle in Deutschland werden von Männern verursacht. 80 Prozent aller Punkteeinträge in Flensburg gehen auf die Konnten von Männern.

Am Abend der weltweiten ersten Fernfahrt kamen Bertha Benz und ihre Söhne wohlbehalten in Pforzheim an. Sie hatte die Gebrauchstüchtigkeit des Motorwagens bewiesen. Die Firma von Carl Benz zählte in der Folge zeitweilig zur größten Automobilfabrik der Welt.

120 Jahre später fährt auch ihre Urenkelin Jutta reich an Eindrücken ins Ziel:

"Gut! Bis auf den einen Zwischenfall, wo uns eine Frau vorneweg gefahren ist und wenn wir nicht gebremst hätten wie blöd, dann wäre eventuell etwas passiert. Aber die hat überhaupt nicht links und rechts geguckt, sondern ist einfach nur gefahren. So etwas kommt natürlich auch vor."