Die Eleganz der Garbo, das Timbre der Piaf

Von Anna Deibele · 05.10.2009
Sie singt, sie tanzt und sie steht gern auf der Bühne. Die in Russland geborene Valery Tscheplanowa gehört seit 2006 zum Deutschen Theater. Auch Andreas Dresen erkannte ihre Begabung und besetzte sie neben Henry Hübchen und Corinna Harfouch in der Hauptrolle seines neuen Kinofilms "Whiskey und Wodka".
Valery Tscheplanowa: ""Ich bin jemand, der die Bühne und das Theater benutzt, um Menschen zu begegnen. Also es ist mir nicht wichtig, auch zu spielen, es ist mir wichtig, dass man ein Interesse hat, ein Gemeinsames, etwas auszudrücken."

Auf der Probe:

"Ich dachte auch zwischendurch ob man quasi klare Erzählstrecken macht, und du dazwischen noch spielst…"- "Ja" – "Das fließt irgendwie!"

Valery Tscheplanowa probt mit ihrem Pianisten Nikolai Orloff. Ihre filigranen Gesichtszüge werden von blondem Haar umrahmt. Valerys zierliche Figur wird durch eine schwarze Lederjacke betont. Um ihre Schultern fällt ein langer ockerfarbener Schal:

Gesang:

"Ich bin die Hure an der Bar
die ich vor hundert Jahren war
ich bin, was du vergessen hast
der ausgestorbene Palast…"

Gesangsunterricht hat Valery Tscheplanowa früher nie gehabt. Schon immer hat sie sich aber für alles Kreative begeistert und sich die Sachen selbst beigebracht:

"Es gab eine Frau, eine Mutter einer Klassenkameradin, die hat mich irgendwann tanzen gesehen, und sie mochte das, und auch singen, und dann hat sie Abende veranstaltet, wo ich für reiche Ärzte und Anwälte bisschen gesungen und getanzt hab, und das war quasi meine Vorbildung."

Gesang:

"…Ich bin das Rauschgift, das du rauchst
und der Strom, den du verbrauchst
das Meer, das dir zu Füßen schäumt
Der Hund, der von dir träumt…"

Ihre Kindheit hat Valery Tscheplanowa eher als turbulent in Erinnerung. Schon als kleines Mädchen ist sie viel mit ihrer Mutter nach Frankreich und innerhalb der Russischen Föderation gereist. Sie kann sich nicht erinnern, länger als ein Jahr an einem Ort verbracht zu haben. Mit acht Jahren ist sie zum ersten Mal nach Deutschland gekommen:

"Ich komme aus Kasan, an der Wolga, und meine Mutter hat mich einfach mitgenommen. Meine Mutter ist Dolmetscherin. Also sie hat hier gearbeitet und sie hat sich verliebt irgendwann, und wir blieben dann letzten Endes nach drei Jahren pendeln."

In Kiel verbringt Valery Tscheplanowa den größten Teil ihrer Jugend. Mit 17 Jahren geht sie nach Dresden, um an der Paluccaschule Tanz zu studieren. Um sich finanziell über Wasser zu halten, nimmt sie diverse Jobs an:

"Ich begann in einer Kneipe zu kellnern. Daraus entwickelte sich ganz schnell, dass ich dort sang und dann wurde zu einer singenden Kellnerin. Als singende Kellnerin traf ich einen Akkordeonspieler und eine Flötistin und daraus entstand sich eine kleine Truppe"."

Parallel studiert Valery weiter Tanz. Zwar macht ihr das Studium Spaß, aber diese Kunstform ist ihr zu einseitig. So sucht sie bald nach einer anderen Möglichkeit, sich auszudrücken:

""Tanz war eher… das war eher Übermut, das war sehr kindlich noch. Und ich hab mich ja beworben, ich hab auch als Tänzerin gearbeitet, aber mir ist die Sprache sehr wichtig und mir war ziemlich früh klar, dass ich nichts machen kann, was stumm ist."

Sie reist in Deutschland und im Ausland herum, um neue Eindrücke zu bekommen. Hier und da ergibt sich auch die Gelegenheit als Sängerin oder Tänzerin zu arbeiten:

"In Erfurt, Köln… dann kam ich nach Berlin, dann bin ich nach Palästina gegangen. Dann war ich eine Zeitlang in Russland, dann kam ich wieder zurück. Dann war ich in Berlin… und in Frankreich."

"Ich hab einen Mann geheiratet – einen palästinensischen Komponisten – und dann war ich dort, um seine Familie kennenzulernen und blieb dann länger, weil es mir sehr gefiel."

Kurz darauf trennen sich die beiden wieder. Die Ehe bleibt kinderlos. Valery Tscheplanowa nimmt die Suche nach dem passenden Beruf wieder auf:

"Ich bin eigentlich an die Puppenspielschule gegangen und da traf ich einen russischen Regisseur und der hat mit sehr großer Vehemenz mir gesagt – er wünscht sich, dass ich Schauspielerin werde und das hat mich so getroffen, dass ich’s gemacht hab."

Vier mal spricht Valery Tscheplanowa an der Hochschule Ernst Busch vor und wird mit 21 Jahren aufgenommen.

Nach zwei Jahren genügt Valery das Angebot der Schauspielschule nicht.

"Ich bin aus allen Studieninszenierungen ausgestiegen und habe gemacht, was ich wollte!"

Zusammen mit dem Regisseur Martin Engler nimmt sie sich vier Monate Zeit für eine Inszenierung der "Salomé" parallel zum Schauspielstudium. Zum Studienende geht Valery Tscheplanowas großer Wunsch in Erfüllung, ans Deutsche Theater in Berlin zu gehen. Unter anderem ist sie in "Die Hamlet-Maschine" von Heiner Müller zu sehen.

Valery Tscheplanowa ist gleichzeitig Hamlet, Ophélia und Electra. Sie hat einen Hang zum Individuellen, Eigenbrödlerischen, Ungewöhnlichen.

"Das Schöne am Theater ist, dass man an Menschen gefesselt ist – das heißt man kann nicht weglaufen – und Film ist schon eine schnelle Sache."