Die Dynamik von Schwestern

Von Rainer Zerbst · 02.03.2013
Die echten Schwestern Corinna Harfouch und Castherina Stoyan spielen auch in "Was geschah mit Baby Jane?" diesen Part - und jede hat mit ihren Problemen zu kämpfen. Eigentlich schön, aber die Rollen hätten vertauscht gehört.
Die Sensation war natürlich Corinna Harfouch gemeinsam auf der Bühne mit ihrer realen Schwester, der Schauspielerin Castherina Stoyan, und das auch noch in einem Stück, in dem die beiden Schwestern spielen. Der Anfang des Abends bestätigte die hohen Erwartungen.

Corinna Harfouch als Blanche Hudson, einst gefeierter Filmstar, nach einem Autounfall im Rollstuhl, sieht im Fernsehen die Wiederholung eines ihrer alten Filme an und räsoniert, was alles besser hätte gemacht worden sein können, nicht von ihr, versteht sich, vom Regisseur, der es nicht verstanden habe, sie ins rechte Licht zu rücken. Jedes Wort dieser Invektiven ist mit Leben erfüllt, die Sätze kommen wie natürlich über Harfouchs Lippen, sie braucht nicht zu forcieren.

Ganz anders ihre Schwester. Zugegeben: sie hat den schwereren Part als Jane. Diese Jane war ein gefeierter Kinderstar, konnte dann aber nicht mehr reüssieren und lebt ganz in ihrer Vergangenheit. Sie ist gekleidet wie eine großgewordene Göre, stolziert über die Bühne, spricht weitgehend kicksend. Das akzeptiert man am Anfang als Ausdruck eines infantil gebliebenen Charakters, aber es ist allzu sehr Masche, als dass es zwei Stunden über goutiert werden könnte. Corinna Harfouch wird immer mehr zur bloßen Stichwortgeberin, bis sie die zweite Hälfte über - da von ihrer Schwester gefesselt und geknebelt - sprachlos bleibt.

Regisseur Christian Weise hat zudem als Bühnenbild das Haus der Schwestern nachgestellt, in dessen oberen Stockwerk weitgehend Blanche alias Harfouch residiert, man muss die Hälse recken, als säße man im Kino im Sperrsitz erste Reihe. Die Bewegungen der Akteure während der Szenenpausen geschehen bei halbhellem Licht, so sehen wir die gelähmte Blanche/Harfouch umhergehen, als spielte sie die Lähmung nur. Wenn Jane eine Nachbarin mit dem Hammer erschlägt, geschieht das bei Weise in Zeitlupe, so reduziert sich der Schrecken, der vom Sujet ausgehen müsste, bereits im Keim.

Das Ganze atmet den Charme einer Tourneetheateraufführung und man malt sich wehmütig aus, was geschehen wäre, wenn die beiden Hauptrollen anders herum verteilt gewesen wären, wenn eine Corinna Harfouch die Psychopathologie der Jane verkörpert hätte.