Die Deutschen und ihre Nationalhymne

Von Winfried Sträter · 10.08.2012
Ist es wirklich das "Lied der Deutschen"? Das August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1841 auf die Kaiserhymne von Joseph Haydn dichtete? 1841, als die Deutschen noch in Herzogtümern, Fürstentümern und Königreichen lebten und von Einigkeit und Recht und Freiheit träumten?
Als die Verszeile "Deutschland über alles" noch die Sehnsucht der Demokraten nach einer einigen und freien Nation ausdrückte, nach einer Überwindung der Fürstenherrschaft?

1848 - gescheiterte Revolution, 1871 - Reichsgründung, Erster Weltkrieg, Novemberrevolution, Weimarer Republik auf schwankendem Grund: Seit Fallersleben war sehr viel Wasser durch den Rhein geflossen, als Reichspräsident Friedrich Ebert am 11. August 1922 anordnete, dass dieses Lied nun die deutsche Nationalhymne sein sollte.

"Eberts Staatsstreich" - so nennt der Sebastian Haffner-Biograf Uwe Soukup in der aktuellen Ausgabe des "Cicero" diesen obrigkeitlichen Akt. Die Rechtsradikalen kokettierten schon damals mit der ersten Strophe, die Nationalsozialisten machten das "Deutschland über alles" zu ihrem politisch-militärischen Programm, und als dann nach 1945 das Reich in zwei Staaten zerfallen war, blieb es für den Nachfolgestaat des letzten deutschen Reiches, die Bundesrepublik Deutschland, bei der alten Hymne, abzüglich der ersten und zweiten Strophe. Kanzler Adenauer hatte verhindert, dass sich Bundespräsident Heuß mit seinem Wunsch nach einer neuen Hymne durchsetzte.

Ist es wirklich das "Lied der Deutschen"? Viele Westdeutsche fremdelten mit dem Deutschlandlied, und als es am 10. November 1989, dem Tag nach dem Mauerfall, auf der Rednertribüne vor dem West-Berliner Rathaus Schöneberg angestimmt wurde, gab es spontan ein gellendes Pfeifkonzert.

Die Bundesrepublik und die DDR waren zwei Staaten mit zwei Hymnen - und sie wurden ein Staat mit der einen Hymne: der von Ebert und Adenauer durchgesetzten.

Und wenn heute die Fußballnationalmannschaft antritt und die Hymne erklingt, dann stehen elf Männer in Reih und Glied, alle mit deutschem Pass, aber nicht alle mit deutschen Vorfahren - und die einen singen, die anderen nicht.

Aber selbst die, die singen, wirken nicht so richtig überzeugt davon, dass es ihr Lied ist, das sie da singen.

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