Die Cola-Connection

Von Petra Marchewka · 04.07.2005
Vier findige Jungunternehmer aus Hamburg haben - voneinander unabhängig - vier eigene Cola-Marken entwickelt. Der Koffeinkick aus dem Norden folgt neuen Marketinggesetzen: Ein Werbeslogan lautet "Trinken für den Weltfrieden", und nur Gastwirte, die richtig lieb zu ihren Angestellten sind, dürfen die braune Limo auch verkaufen.
Den Brauseriesen aus Atlanta trifft's in einem schwachen Moment, musste der Konzern doch im ersten Quartal 2005 einen deutlichen Gewinn-Rückgang verbuchen. Die hanseatischen Muntermacher namens "Peace-Cola" und "Hausmarke", "Premium-Cola" und "Fritz-Kola" liegen im Trend - obwohl deren Hamburger Erfinder weder über Branchenerfahrung noch über eigene Produktionsstätten und auch nicht über Geldgeber verfügen.

"Ich bin Hannes Rose..."

WG-Zimmer mit Blick auf viele Spuren einer stinkigen Hamburger Hauptverkehrsstraße.

Rose: "...komme ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen... "

Hannes Rose, freundlicher Blonder mit gewinnendem Lachen.

Rose: "...und studiere jetzt im zweiten Semester hier in Hamburg an der TU-Harburg Maschinenbau. "

Neben sich eine Getränkekiste. Darin: Die leeren Flaschen der Ladung seiner letzten Heimat-Tour.

Rose: "Ich würde es eher als ruhige, beschauliche Kleinstadt bezeichnen, ein bisschen verschlafen meinetwegen auch, nicht der hinterletzte Flecken auf der Welt, aber mit Sicherheit auch nicht die große Party-Szene. "

Keinesfalls der Nabel der Welt also.

Rose: "Genau. So wollte ich es sagen. "

Hannes Rose karrt mit seinem alten Kombi kistenweise braune Brause in den Norden. Marke: "Hausmarke". Ein Cola-Produkt, das er selbst erfunden hat und zu Hause brauen lässt.

Rose: "Na ja, (...) ich dachte mir auch: Coca Cola schmeckt irgendwie zu süß, groß andere Alternativen gibt’s ja nicht, und dann dachte ich mir: Warum nicht ‘ne Cola, die vielleicht noch ein bisschen nach Kaffee schmeckt, so ist das eigentlich entstanden. "

"Hausmarke". Erscheinung von brillanter Klarheit, Farbtiefe Dunkelbraun mit Annäherung an Rotorange, Viskosität stark perlend und schwer, in der Nase zuckrig-würzig, Aroma Zitronenbonbon mit Kaffeeklatsch. Gefälliges Bouquet, nicht sehr komplex, halbtrockene Süße, mittelgewichtiger Körper mit akzeptablem Abgang, von gutem Gleichgewicht. Gesamteindruck: Sehr lecker.

Lübbermann: "Ich trinke nicht mehr als zwei am Tag. Ist sonst zu viel. "

Eine Flasche mehr, und Uwe Lübbermann könnte gar nicht mehr schlafen.

Lübbermann: "Genau. "

Weil das Gebräu, das der Hamburger zusammen mit Freunden auf den Markt gebracht hat, so stark und gut sei, wie es früher nur die echte Afri-Cola war. Afri. Lübbermanns alte Lieblingsgetränkemarke.

Lübbermann: "Das war wie so eine Art gute Freundin, quasi... "

Aber dann wurde die Afri-Cola GmbH verkauft.

Lübbermann: "Und die fängt dann plötzlich an zu lügen... "

An die Mineralbrunnen AG.

Lübbermann: "Das war der Hauptpunkt... "

Das Ende einer langen, glücklichen Beziehung.

Lübbermann: "Ich war einfach stinkesauer, dass sie heimlich den Inhalt geändert haben und auch noch schwächer gemacht hatten. "

Als auf den Tisch hauen nicht mehr half, besorgte sich Lübbermann zusammen mit anderen hintergangenen Afri-Anhängern das alte Originalrezept.

Lübbermann: "Dann haben wir 1000 Flaschen gemacht, die den Leuten in unserem Kollektiv angeboten, damals 780 Leute, die sich pro Afri eingesetzt haben, dann waren die nach zwei Wochen weg, und dann mussten wir nachproduzieren. So einfach. "

Das Gebräu der aufgebrachten Afri-Fans heißt "Premium-Cola".

Premium-Cola. Unergründliche Farbtiefe mit Tendenz ins Nachtschwarz bei öliger Perlung. Rauchiger Eindruck trotz deutlichem Zitrusfruchtaroma, revolutionärer Charakter, grüne Säure mit lebendigen Tönen, im Mund würzig, das Gleichgewicht kantig-breit. Stabiler Abgang, Gesamteindruck: Bemerkenswert.

Zwei comic-haft verfremdete Gestalten grinsen schief vom Etikett einer Flasche koffeinhaltigen Inhalts. Das sind die Macher der Fritz-Kola, einer weiteren braunen Brause made in Hamburg. Die beiden BWL-Studenten, die sich hinter dieser Kola verbergen, sprechen nicht mehr mit den Medien. Sie kommen ja doch immer nur schlecht dabei weg, lassen sie verlauten. Sie sagen kein Wort mehr und verkaufen ihre Kola jetzt als stilles Wasser – in Szene-Kneipen, wo sonst.

Fritz-Kola. Klares Goldbraun mit wässriger Perlung, sauber in der Nase, jedoch mit leichtem Biss, deutlich identifizierbares Aroma bei nicht vorhandenem Bouquet. Am Gaumen flache Süße bei dünner Konsistenz, trotzdem ausgedehnter Abgang mit seidigem Nachklang. Gleichgewicht unausgewogen, Gesamteindruck: Kann man trinken.

Als Hannes Rose, der von "Hausmarke", mit ein paar Kisten seines Getränks im Kofferraum in Hamburger Kneipen anfragte, ob es vielleicht Interesse an Cola mit Kaffee-Geschmack gebe, spitzten die Fritz-Kola-Macher prompt die Ellenbogen und brachten schnell ein eigenes Cola-Kaffee-Produkt auf den Markt. Brakeler-Brause – nein Danke. Schlecht für Hannes Rose, der es seither etwas schwerer hat, im Norden Fuß zu fassen.

Dennoch: Die 10.000 Flaschen, die er bereits verkauft hat, sind ein Erfolg, zumal Rose - wie die anderen Cola-Macher auch - ohne den Hauch einer Ahnung vom Metier und ohne Startkapital ein Produkt etabliert hat, das es sich erst in der Nische und dann darüber hinaus gemütlich zu machen beginnt. Der Zufall will es, dass Marktführer Coca-Cola in Atlanta im ersten Quartal 2005 hierzulande einen deutlichen Gewinn-Rückgang verbuchte – aufgrund der bundesdeutschen Pfandgesetzgebung.

Rose: "Persönlich habe ich nichts gegen Coca Cola... "

Hannes Rose. Hausmarke.

Rose: "...aber es freut einen halt jedes Mal, wenn sich Leute bewusst dafür entscheiden, statt von diesem Weltkonzern die Plörre zu trinken, auf mein Produkt zurückgreifen. Ist halt jedes mal eine persönliche Freude. Wenn man sieht, dass man mit seinem eigenen Produkt dagegen ankommen kann. Und vielleicht Leute es sogar besser finden als das Mega-Mainstream-Produkt-Coca Cola. "

Lübbermann: "Es ist uns eigentlich eine besondere (Bahn rumpelt) Freude, gerade bei einer Cola zu zeigen, dass man das auch anders aufziehen kann... "

Uwe Lübbermann. Premium-Cola.

Lübbermann: "Ein Gegenentwurf zum Raubtierkapitalismus. "

Getränke als Gestalt gewordene Kapitalismuskritik in Zeiten, in denen ein politische Wandel nicht gerade einen wirtschaftspolitischen Schmusekurs verspricht. Der Geist in der 0,33 Liter-Flasche hingegen verheißt alternative Spritzigkeit und erfrischende Gedanken zum Thema Amerikanisierung.

Rose: "Ich wollte auch nicht auf diesen Zug aufspringen: irgendwie amerikanisch Hip-Hop und sonst was, die typischen Trendnamen, die halt möglichst knallig und peng sind, deshalb auch das braune Etikett, es sollte nicht unbedingt gelb, knall oder hellgrün sonst wie ins Auge springen, sondern durch das Gegenteil auffallen, und auch der Name dann eben deutsch statt englisch...

Dadurch dass dieser Trend und die Orientierung Richtung Amerika so Mainstream geworden ist, dass es halt wieder gegenläufige Bewegungen wieder gibt. "

Ein Club in Hamburg Altona. Früher eine Fabrik für Präzisionswaagen und Schlachthofbedarf, heute nächtliche Adresse für Wache. Über den Köpfen rumpeln S-Bahnen und Intercity-Züge, drinnen Dancehall-Reggae, Kanga Roots Soundsystem, Hiphop, mixtape lounge, bbdb, drum & bass club internet radio show...

John: "Die Leute fragen ganz viel: Was ist das? "

John. Nachname ist hier egal. Verkauft Premium-Cola in seinem Club.

John: "Das Tresenpersonal ist geschult, die wissen alles, und die trinken selber auch sehr viel Premium und mögen das sehr gerne, und entsprechend wird das dann auch nach außen kommuniziert. "

Dass sich die Gäste im Waagenbau mit Premium wach halten dürfen, ist nicht selbstverständlich.

Lübbermann: "Wir wollen jeden Laden eigentlich handverlesen aussuchen... "

Uwe Lübbermann.

Lübbermann: " ... der soll nach Möglichkeit ähnliche Werte oder eine ähnliche Philosophie fahren und auch Premium im Sinne von Qualität bieten. Sei es jetzt von der Musik her, von der Gesamtkultur oder so was. Das heißt es gibt in jeder Stadt, wo es Premium gibt, gibt es einen so genannten Checker, das ist wie ein Außendienstler, der aber nicht auf Gewinn achten soll, auf Zahlen, sondern er soll nur schauen, ob die Läden dazu passen und eben dann dem Händler erlauben, dass er dahin liefern darf. So ist das Konstrukt. "

Miguel: "Uns ist es eigentlich egal, ob es nun eine Bar, ein Club oder ein Supermarkt ist... "

Miguel. Checker in Hamburg.

Miguel: "...es ist wichtig, dass die Leute, die darin arbeiten, sich wohl fühlen, dass die Leute, die in den Laden reingehen, sich wohl fühlen, dass sie einfach gute Produkte konsumieren. Und Waagenbau zählt definitiv zu den besten Clubs der Stadt, ein sehr liebevoller Club, ist definitiv richtig für Premium-Cola. "

Dass der Checker es ernst meint mit der Umsetzung der Premium-Philosophie, bekamen schon verschiedene Interessenten zu spüren.

Miguel: "Eine Kette ist zu uns gekommen, und die wollten ganz groß deutschlandweit verkaufen, und da haben wir gesagt: Nö. Lass lieber. "

Miguel: "Ich hätte zum Beispiel nichts dagegen, in einem Supermarkt Premium-Cola zu verkaufen, aber bei so einer Kette wie Wal-Mart oder wie Pennie-Markt gehen wir nicht rein, weil die haben nicht den Respekt zum Produkt, und das Personal wird ausgebeutet. Und dieser Gastronomieladen war halt im gleichen Sinne betrieben. "

Lübbermann: "Es ist aber so, dass es selten vorkommt, dass wir nein sagen müssen, weil die Flasche an sich schon so aussieht, dass die Spießer das gar nicht verstehen und auch gar nicht gut finden. "

Die Flasche an sich fällt nicht weiter auf. Ist weder schön, noch bunt, und schrill schon gar nicht. Glas, weißer Kronkorken, schwarzes Etikett. Auf dem Etikett so gut wie nichts, nur ganz klein die Inhaltsstoffe, stofflicher wie philosophischer Art. "Sehr koffeinhaltiges Erfrischungsgetränk", steht da, und: "Wir mussten unsere alte Lieblings-Cola einfach echt weiterleben lassen." Premium also anstatt Afri. Neben Wasser, Zucker, Kohlensäure, Ammonsulfit Zuckerkulör, Phosphorsäure, Koffein und natürlichem Aroma steckt im Produkt der Traum von einer besseren Welt: Als weitere Inhaltstoffe weisen die Premium-Macher auf jeder Flasche Werte aus wie Aufrichtigkeit und Konsequenz.

Lübbermann: "In Premium steckt ‘ne ganze Menge von dem, wie ich mir die ganze Welt wünsche, das ist schon wahr. Ich glaube aber nicht, dass die ganze Welt so funktionieren könnte, wenn sie so wären wie wir. Wir sind schon auch sehr unorganisiert und planlos und es wächst nur gemütlich und wir machen auch viele Fehler und so weiter, (...) was das so genannte moralische Wirtschaften angeht, würde ich mir schon wünschen, dass andere Marken sich da mal ‘ne Scheibe abschneiden. "

Rose: "So richtig stinkereich bin ich damit noch nicht geworden... "

Hannes Rose. Der von "Hausmarke".

Rose: "...werde ich wahrscheinlich auch nicht... "

Hat bis jetzt, also in einem Jahr, rund 10.000 Flaschen verkauft, die meisten zu Hause in Brakel, und besonders viele, wenn im Ort das viertägige Volksfest stattfindet.

Rose: "...es ist halt ein kleines Zubrot zum Studieren, und ganz nett, ich sehe es als Hobby, normal muss man für Hobbies zahlen, und für mich bleibt vielleicht noch ein bisschen dabei über, dann ist es okay. "

Kein Businessplan, keine Betriebsgründungsdarlehen, kein Know How.

Rose: "Ich bin darauf gekommen während meines Zivildienstes, den ich auch in Brakel geleistet hab, in einer Behindertenwerkstatt, und irgendwie hatte ich das Gefühl, dieses Jahr, was ich jetzt noch in Brakel verbringe, da könnte ich irgendwas auch die Beine stellen, (...) hab dann mal Kontakt mit dem Braumeister der Brauerei aufgenommen, der sich da sehr kooperativ zeigte, und so entstand halt in einem ständigen Hin und Her mit dem Braumeister diese Idee. "

Rose: "Ich bin halt mit meinen Geschmacksproben im Freundeskreis durch die Gegend gezogen, hab’ probieren lassen, und was dann da den größten Zuspruch gefunden hat, das war dann letztendlich das Produkt. (...) In erster Linie habe ich natürlich auf mich gehört, weil ich ein Getränk machen wollte, was mir persönlich, was ich gerne trinken würde und nach wie vor gerne trinke, und leider auch in großen Mengen (lacht), auch wenn es etwas weniger Zucker ist als normale Cola, es sind ungefähr 10 Prozent weniger Zucker, ist es doch noch sehr zuckerhaltig und ungesund, aber na ja. "

Wie es weiter geht mit der Hausmarke, weiß der Student noch nicht. Das lässt er locker auf sich zukommen, sagt er und lacht schon wieder.

Rose: "...was mich sehr freuen würde, wenn sich vielleicht jemand findet, mit dem ich zusammen oder der vielleicht auch in Eigenregie darin Interesse hätte, das Getränk ein bisschen zu vermarkten und auf eigene Kappe praktisch zu vertreiben...
...aber ich seh’s wie es halt einem Hobby so ist, und wenn man irgendwann mal keine Zeit mehr dafür haben sollte, dann muss man es halt lassen. "

Lübbermann: "Wir haben jetzt das dritte Mal eine kleine Einnahme gehabt.... "

Uwe Lübbermann. Premium-Cola.

Lübbermann: "...ich habe jeweils angeboten, Leute, es ist Geld da, wollen wir das verteilen unter den Checkern, und die haben es abgelehnt. Die wollten es nicht haben. "

Alle, die an Premium-Cola beteiligt sind, verdienen ihren Lebensunterhalt in anderen Jobs. Uwe Lübbermann arbeitet zum Beispiel als Übersetzer.

Lübbermann: "Die Entscheidungen, die Du triffst, sind ja nicht frei, wenn Du Dein Butterbrot davon anhängig machst. (...) Wir haben ziemlich Angst vorm Wachstum, eigentlich. (...) Dass es so groß wird, dass wir normale Mechanismen anwenden müssten. Da würden wir notfalls die Handbremse ziehen. "

Im Moment verkauft sich Premium-Cola an handverlesenen Orten in 16 Städten, rund 20.000 mal im Monat. In zehn weiteren Städten wird der Verkauf in Kürze beginnen, Bars in Dänemark und der Schweiz hätten die Cola gern, dürfen aber nicht – weil ein Koffeingehalt von 25 Milligramm je 100 Milliliter in jenen Ländern nicht erlaubt ist. Zu hoch.

Miguel: "Es gibt zurzeit vielleicht einen leichten Trend auf dem Markt, was politische Korrektheit angeht... "

Miguel. Checker.

Miguel: "...ganz viele Produkte, was auch gut ist, sind ziemlich politisch korrekt eingestellt... "

Bier für den Regenwald, Bier für neue Bolzplätze...

Miguel: "...aber ich finde, es ist nicht unbedingt politisch korrekt, mit politisch korrekt zu werben. Und das machen wir halt nicht. "

Miguel: "Ich glaube, es ist gut, wenn immer mehr Produkte auftauchen, die eine bessere Welt haben wollen. Und umso mehr desto besser. Dann kann vielleicht eine Alternativgesellschaft entstehen, und mehr Menschen werden einfach sich Gedanken machen, was sie konsumieren, wo sie konsumieren, ob sie dem kleinen Obsthändler um die Ecke ihr Geld geben oder der großen internationalen Kette. Und das ist, glaube ich, wichtig. "