Die Bibel in Farbe

Von Jörn Florian Fuchs · 05.06.2009
Adam, Eva und Luzifer - in der Opter "Adam in ballingschap" treffen sie aufeinander. Das Stück basiert auf einem bibeltreuen Theatertext des Dramatikers Joost van den Vondel, den Regisseur Guy Cassiers in einer surrealen Filmlandschaft inszeniert hat: Mit sattem Grün fürs Paradies und rotem Flackern für höllische Visionen.
Der Amsterdamer Aufführungsort passt schon mal: Statt im kühl durchgestylten "Muziektheater am Waterlooplein" gibt es den Startschuss zum Holland-Festival diesmal in der rührig-schmucken "Stadsschouwburg am Leidseplein", wo sich nur ein Steinwurf entfernt die Hölle (Coffeshops und Grachtenstrich) auftut. Im Gebäude selbst spielen sich hingegen erstmal himmlische Szenen ab. Es begegnen sich Adam und Eva, Luzifer tritt auf, unterstützt von weiteren Unterweltsgesellen, und nach dem Apfelbiss steht das eben noch so frohe Paar auf der nun leer geräumten, tristen Bühne herum. Was war geschehen? Eine Bibelstunde etwa, bei einem renommierten Avantgarde-Festival?

Tatsächlich hat der 1964 geborene Komponist Rob Zuidam einen halbwegs bibeltreuen Theatertext des Dramatikers Joost van den Vondel ebenso ernst wie traditionsausschlachtend vertont. Da klingt es mal nach luftigem Barock, mal nach spätem Richard Strauss. Plötzlich wummern mächtige Tuttischreie aus dem Graben, dann wieder klopft und stampft es wie bei Orff. Handwerklich ist das alles recht solide, aber unspektakulär - eine alte Geschichte wird stracks verpackt in nicht ganz so neue Töne. Wenn indes Eva (sensationell interpretiert von Claron McFadden) ihre Koloraturen zwischen Himmel und Hölle schmettert, dann endet Zuidams Zitatencollage und wird plötzlich richtig gute, unter die Haut gehende Musik.

Obwohl eigentlich der Titelheld, spielt Adam (mit jugendlich frischem Bariton: Thomas Oliemans) eher eine Nebenrolle, denn alles konzentriert sich um Eva herum. Regisseur Guy Cassiers stellt sie konsequent in den Mittelpunkt der mit Videos üppig bespielten Szenerie. Gemeinsam mit Arjen Klerkx schuf Cassiers eine leicht surreale Filmlandschaft mit sattem Grün fürs Paradies, rotem Flackern für höllische Visionen sowie allerlei abstrakten Formen. Projiziert wird auf eine große Leinwand und auf einen riesigen Menschenkörper. Auf letzterem verwandelt sich dann etwa der erkenntnisverheißende Baum in ein grelles Röntgenbild von Brust und Lunge und man denkt sich: aha, so hängen also religiöser Mythos und heutige Naturwissenschaften zusammen - oder werden hier einfach kurzgeschlossen.

Als Kontrast zur kontinuierlichen, erstaunlich ruckelfreien Bilderflut bewegt sich das biblische Personal vorwiegend statisch-statuarisch. Wenn dann auch noch ein edel berobter Chor kommentierender Engel auftritt, wird das Ganze vollends zum altertümlichen Oratorium mit ziemlich zusammengewürfelter Musik (von der "Radio Kamer Filharmonie" unter Reinbert de Leeuw ordentlich zum Leben erweckt). Darüber mögen sich manche vielleicht ärgern (vor allem ein hartnäckiger Buhrufer im Publikum), aber es zeigt doch eine Entwicklung, denen derzeit Tonsetzer von Großbritannien (Jonathan Harvey) bis Russland (Vladimir Martynov) anheimfallen. Ein Zeichen der Zeit also, insofern liegt die Amsterdamer Produktion voll im Trend.