Die Axt im Walde

28.11.2011
Um Paarbeziehungen geht es Steffen Schleiermacher heuer in seiner fulminanten Konzertreihe "musica nova" im Leipziger Gewandhaus. Schief hängender Haussegen bei manchen Paaren inbegriffen: Der Komponist Gerhard Lampersberg und der Dichter Thomas Bernhard waren Weggefährten, dann schlug die Freundschaft in Hass um. Ein Doppelporträt mit Wutpotential!
Ein kleines Land in den Alpen, man kennt sich: Auf dem "Tonhof" in Maria Saal bei Klagenfurt versammelte der umfassend interessierte Komponist und Kunstförderer Gerhard Lampersberg (1928-2002) die künstlerische Elite der Nachkriegszeit – darunter H. C. Artmann und Peter Handke. Eine Kärntner Kunst-Kommune, zu der sich auch Thomas Bernhard hingezogen fühlte.

"die rosen der einöde", 1958 in modischer Kleinschreibung, waren ein Ergebnis der Künstlerfreundschaft: Bernhard schrieb einen Text, Lampersberg machte eine Oper daraus, Friedrich Cerha dirigierte die Uraufführung. Das hätte so weitergehen können, aber da Bernhard in gut österreichischer Tradition ein leidenschaftlicher Polemiker und ohnehin kein ganz "einfacher" Zeitgenosse war, geriet der eher stille Lampersberg ins Fadenkreuz des mehr und mehr populären Bernhard. "Holzfällen" nannte Bernhard 1984 einen Roman, in dem er die Axt gegen die österreichische Gegenwartskultur schwang – vor allem gegen einen gescheiterten, angeblich "ununterbrochen betrunkenen" Komponisten namens Auersberger.

Gerhard Lampersberg fand sich darin wieder, tappte in die Falle des literarischen "Wutbürgers", erwirkte vor Gericht die vorübergehende Beschlagnahmung des Buches – und trieb die Auflage in die Höhe… Lang ist’s her – und heute stellt sich vor allem die Frage, worin denn die kreativen Gemeinsamkeiten der beiden Streithähne lagen. Dieses Programm vermittelt uns einen seltenen Eindruck dieser kaum gespielten Musik, verortet Lampersberg in den Kunstströmungen seiner Zeit und lässt Thomas Bernhard mehrfach zu Wort kommen: als Schimpfenden – und als Vertonten. Denn Lampersberg hat aus Bernhards Gedichten Lieder gemacht.

Gewandhaus zu Leipzig, Mendelssohn-Saal
Aufzeichnung vom 23.11.11


"...früher ein Novalis der Töne, heute eine verkommene
und ununterbrochen betrunkene Figur..."

Ein musikalisch-literarischer Abend über Gerhard Lampersberg
und Thomas Bernhard

Mit Musik von Gerhard Lampersberg, Anton Webern und Morton Feldman
sowie Auszügen aus dem Roman "Holzfällen" von Thomas Bernhard


Julia Henning, Sopran
Friedhelm Eberle, Sprecher
Ensemble Avantgarde
Klavier, Leitung und Moderation: Steffen Schleiermacher