Die Akustische Kamera

Von Susanne Nessler · 03.12.2008
Die akustische Kamera kann sozusagen mit den Augen hören. Sie ist eine Erfindung, die Schall und Bilder zusammenbringt und digital exakt errechnen kann, wo ein Geräusch herkommt. Seit 2005 helfen die Entwickler der Kamera mit ihrer Technik beim Bau von Sportstadien, Konzertsälen oder bei der Entwicklung von Motoren oder anderen Autorteilen.
Wissenschaftspark Berlin Adlershof: Neue Funktionsbauten mit Spiegelfassaden in denen sich Forschungsinstitute und kleine Firmen befinden, stehen zwischen großen freien Rasenflächen. Hier am äußeren Ende des Berliner Wissenschaftsparks befindet sich die Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik. Ein doppelstöckiger beigefarbener Flachbau, in dem um die 100 Mitarbeiter nach neuen Ideen für Entwicklungsprojekte suchen.

Hier wurde vier Jahre lang an der akustische Kamera gearbeitet. 2000 stand dann das erste einsatzfähige Gerät bereit, erzählt Physiker und Geschäftsführer Ralf Schröder.

" Alle Komponenten die zur Akustischen Kamera gehören außer dem Rechner, werden bei uns im Haus entwickelt, gebaut und programmiert. "

Besonders stolz sind die Mitarbeiter auf eine Aufnahme vom 9. Juli 2006. Da gewann Italien gegen Frankreich das Fußball WM-Finale und die akustische Kamera stand nur wenige hundert Meter vom Olympiastadion entfernt.

Mit 50 kleinen Mikrophonen, die auf einem großen Stahlring saßen und einer kleinen Videokamera, verfolgte damals Vertriebsmitarbeiter Joachim Feierabend das Spiel. Er stand ungefähr 600 Meter entfernt vom Olympiastadion auf einem Balkon im 8.Stock. Abwechselnd sah er vom Stadion auf dem seinen Computerbildschirm. Denn dort macht die akustische Kamera die schallintensiven Bereiche durch eine rote Markierung deutlich:

" Das war so gegen Abend und da sind die Vögel ja in der Regel aktiv und flogen so umher und zwitschern so ein bisschen vor sich hin. Und das war dann natürlich mit drauf …. "

Als das entscheidende fünf zu drei der Italiener im Elfmeterschiessen fällt, ist von den Vögeln nichts mehr zu hören.

Auf dem Monitor der akustischen Kamera erscheint eine große rote Wolke über dem Olympiastadion. Nur wenig später bläht sich ein zweiter roter Ring links vom Stadion auf. Denn jetzt ist auch hier das Siegestor zu sehen, sagt Kevin Hildebrandt, der sich um den Vertrieb der akustischen Kamera kümmert:

" Wenn man so ein paar hundert Meter weg mit der akustischen Kamera war, hat man wunderbar gesehen den Zeitversatz zwischen dem Torjubel im Stadion und dem Torjubel auf dem Maifeld davor. Also da gab es ein bis zwei Sekunden Zeitversatz bevor das Videobild auf dem Public View Bereich angekommen ist und dadurch hat man erst einen großen roten Fleck über dem Olympiastadion gesehen und dann zeitversetzt einen großen roten Fleck über dem Maifeld. "

Mit den Fußballbildern der WM und den roten Wolken demonstrieren die Techniker Interessenten aus Wirtschaft und Wissenschaft gern, wie die akustische Kamera funktioniert.

Im realen Einsatz misst das Gerät den Geräuschpegel von Pürierstäben, Motoren, Computern, Waschmaschinen, Windkrafträdern und ganzen Industrieanlagen. Denn das Ziel der akustischen Kamera lautet: Fertigungsfehler oder störende Geräusche lokalisieren. Dort wo auf dem Videobild etwas rot zappelt, laufen entweder die Maschinen nicht rund oder die Schalldämmung reicht nicht aus.

" Sie sehen die lautesten Stellen, in diesem Fall die Nadelmechanik und natürlich auch der Motor. "

Millimeter genau bestimmt die Kamera die Lärmquelle. Mit unseren Ohren könnten wir das nie so genau erkennen, sagt Ralf Schröder.

" Wir nutzen aus, dass ein Schallereignis von seinem Ausgangspunkt zu den verschiedenen Mikrophonen, die wir in einem Array haben verschiedenen lange Zeit benötigt. Diese unterschiedliche Zeit, dieses Delay wird berechnet. "

Circa 50.000 einzelne Hörbilder erfasst die akustische Kamera pro Minute. Zusammen mit dem Digitalbild ermittelt die Software daraus dann den lautesten Punkt. Das war´s, sagt Kevin Hildebrandt und lacht. Denn nach dem kleinen Lauschangriff, ist der Konstrukteur oder Ingenieur gefragt:

" Der kennt sein Produkt am besten. Und meistens kennt der auch schon die Umkehrschlüsse, wenn wir sagen, an den Stellen krachst, dann weiß er immer schon welche Komponente ist daran beteiligt und dann legt er halt los. Das kann was Konstruktives sein, er kann im Endeffekt wirklich das Produkt konstruktive verändern [.] oder er kann es bedämmen. [.] Da gibt es verschiedene Maßnahmen von ganz klein bis ganz groß, das überlassen wir dann lieber dem Ingenieur. "

Doch nicht nur Konstruktionsfehlern kommt die akustische Kamera auf die Spur.

Im brasilianischen Urwald haben die Wissenschaftler zum Beispiel mit ihrer Technik eine bestimmte Froschart orten können. Biologen konnten einen kleinen grünen Frosch im großen grünen Urwald nicht finden und baten die Techniker um Hilfe. Die bauten ihre Mikrophone auf einen großen Stahlring und starteten die Kamera. Kurz darauf konnte man auf dem akustischen Bild verschiedene rote Punkte erkennen. Die Biologen waren begeistert.

Die Techniker können mittlerweile auch ganz andere Tiere orten. Sogar Fledermäuse, die für das menschliche Ohr gar nicht hörbar sind.

" Dazu waren wir in Waren in einer Fledermauspension und haben überprüft, ob wird das mit unserer Technik auch wirklich orten können. Wir können Fledermäuse auch im Flug orten, und natürlich charakteristische Frequenzmuster dazu finden."

So ein Frequenzmuster sieht aus wie ein buntes Mosaik. Anhand der Farb- und Linienanordnung können die Techniker schnell bestimmen um welche Feldermaus- oder auch um welche Froschart es sich handelt. Sie vergleichen einfach die Stimmbilder mit Aufnahmen aus einer Datenbank, und schon wissen sie wer da fiept oder quakt.

" … und wenn man mal etwas sensibel seine Umwelt betrachtet, dann findet man allen Ecken und Enden etwas, was Geräusche macht. "

Das brachte die Erfinder der akustischen Kamera auf die Idee, jetzt auch ein besonders kleines, tragbares Modell zu entwickeln. Das könnte zum Beispiel jeder Handwerker in seinem Werkzeugkoffer haben und so schnell die Fehlerquelle vor Ort identifizieren. Doch warum auf der Erde bleiben, wenn man nach den Sternen greifen kann. Die Techniker aus Adlershof haben ihr neustes Modell auch den Forschern der internationale Raumstation ISS vorgestellt. Mit Erfolg. In Zukunft soll die akustische Kamera sogar mit ins All fliegen.