Die AfD-Formel

Das kleine Einmaleins der Rechtspopulisten

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Ein Mann trägt am Rande einer Wahlkampfveranstaltung der AfD Sachsen ein blaues Polo-Shirt und einen Fischerhut in Deutschlandfarben.
Deutschlandflagge und etwas DDR-Nostalgie: Die AfD beschwört eine angeblich spezielle ostdeutsche Identität. © dpa/Zentralbild/ Sebastian Kahnert
Ein Kommentar von Daniel Bax · 27.09.2019
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Klare Feindbilder, einfache Lösungen. So spricht die AfD ihre Wählerschaft auch vor der Landtagswahl in Thüringen an. Der Journalist Daniel Bax analysiert diese Wahlkampf-Rhetorik, die auf eine Spaltung der Gesellschaft setzt.
In Sachsen und Brandenburg hat sich die AfD im vergangenen Wahlkampf als einzig wahre Volkspartei des Ostens in Szene gesetzt. "Wir gegen die" – diese Formel ist das Lebenselixier von Populisten. Die AfD setzte im Osten nun vor allem auf Ressentiments und Affekte gegen den Westen. Brandenburg und Sachsen stellte sie dabei als das vermeintlich "bessere Deutschland" dar: ein angeblich unverstelltes Deutschland, in dem Heimat und Patriotismus noch zählen.

Dabei bezog sie sich mehrfach auf die untergegangene DDR. "Vollende die Wende" oder gar "Wende 2.0" lauteten die Slogans, die die AfD in Sachsen und Brandenburg plakatierte. Sie warb vollmundig für eine "friedliche Revolution mit dem Stimmzettel", und warnte düster vor einem Wahlbetrug wie in den letzten Tagen der DDR. Einerseits stellte sie sich damit dreist in die Tradition jener Bürgerrechtler, die einst das Regime zu Fall brachten. Andererseits verbreitete sie im Wahlkampf auch wohlige DDR-Nostalgie. Sie lobte das Schulsystem unter Margot Honecker und suggerierte, damals habe in gewisser Weise noch Recht und Ordnung geherrscht.

Westler beschwören ostdeutsches "Wir-Gefühl"

Die penetrante Beschwörung eines ostdeutschen "Wir-Gefühls" dient der AfD dazu, solche offensichtlichen Widersprüche zu übertünchen. Von denen gibt es viele. So stellt sich die AfD als "Kümmerer-Partei" für den abgehängten Osten dar. Doch ihr Programm erweist sich bei näherer Betrachtung als unsozial und wirtschaftsliberal. Das scheint ihrer Glaubwürdigkeit bei vielen ostdeutschen Wählerinnen und Wählern aber nicht zu schaden. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass ihr Spitzenpersonal fast ausnahmslos aus dem Westen stammt. Trotzdem geriert sich die AfD in den neuen Bundesländern als Stimme des Ostens. Die Bundeskanzlerin, die tatsächlich aus dem Osten stammt, diffamiert sie hingegen als eine Art Fremdherrscherin.

Die AfD beschwört eine angeblich spezielle ostdeutsche Identität und hat damit Erfolg. Man sollte ihrer Rhetorik jedoch nicht auf den Leim gehen und diese Partei mit dem Osten insgesamt gleichsetzen, wie sie selbst es gerne macht. Denn den "einen" Osten gibt es nicht. Auch Brandenburg und Sachsen zerfallen immer mehr in zwei Teile. Auf der einen Seite stehen die Gewinner: urbane und boomende Regionen wie der Speckgürtel um Berlin oder die Metropole Leipzig. Auf der anderen Seite finden sich die Verlierer: zum Beispiel die Grenzregionen an der Oder und im Erzgebirge, die Braunkohlereviere in der Lausitz und schrumpfende Städte wie Eisenhüttenstadt. Diese Städte und Regionen sind von Abwanderung, Wut und Resignation geprägt. Genau dort erzielte die AfD wieder einmal Spitzenergebnisse.

Verbitterte Männer mit autoritären Einstellungen

Auch im Westen punktet die AfD in Kleinstädten und Regionen, in denen eine frustrierte Wählerschaft sich abgehängt fühlt. Auch dort wird sie besonders häufig von verbitterten Männern mit autoritären Einstellungen gewählt. Das sind oft, aber nicht nur, Arbeiter, Handwerker und prekär Beschäftigte, die der kulturelle Wandel überfordert und die pessimistisch in die Zukunft blicken.

Die wachsende Kluft zwischen den Gewinnern und den Verlierern der Globalisierung nutzt die AfD, um die Gesellschaft weiter zu spalten. Paradoxerweise verfängt ihre Rhetorik gerade jetzt in einer Zeit, in der sich die Lebensverhältnisse zwischen Ost und West grundsätzlich so weit angeglichen haben wie nie zuvor.
Und die Ironie der Geschichte ist, dass die Wähler der AfD mit ihrer Wahlentscheidung die politische Spaltung in ihren Ländern vertieft haben. Ausgerechnet der größte Widerpart der AfD, die Grünen, werden nun in Brandenburg wie Sachsen erstmals mitregieren. Die Politik dieser beiden Länder dürfte dadurch ökologischer und bunter werden – und die Wut der AfD-Wählerschaft damit noch verstärken.

Daniel Bax ist Journalist und Autor. Geboren 1970 in Blumenau (Brasilien), lebt er seit über 30 Jahren in Berlin. Er schreibt regelmäßig über Themen wie Migration und Integration, Religion und Gesellschaft sowie Musik und Popkultur. In seinem 2015 veröffentlichten Buch "Angst ums Abendland" ging er den Wurzeln des populären antimuslimischen Ressentiments nach. 2018 erschien sein aktuelles Buch "Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind".

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