Die Absurditäten des Nahostkonflikts

Filme über Dinge, die nur fünf Minuten entfernt sind

Der israelische Regisseur Eran Riklis
Der israelische Regisseur Eran Riklis © picture alliance / dpa / Urs Flueeler
Patrick Wellinski im Gespräch mit Eran Riklis · 16.05.2015
Der israelische Regisseur Eran Riklis blickt in seinen Filmen auf die großen und kleine Konflikte seines Landes. In "Mein Herz tanzt" geht es um die Diskriminierung arabischer Israelis. Komödiantisch der Einstieg, dramatisch der Verlauf, aber keine Tragödie - so erklärt Eran Riklis seinen neuen Film.
Patrick Wellinski: Kritik am Umgang der Menschen miteinander, Gesellschaftskritik, der Aufzeigen der kleinen und großen Ungerechtigkeiten - das sind die Themen der Eran-Riklis' -Filme. Wie es scheint, können Sie nicht anders?
Riklis: Ja, ich bin schon kritisch, aber ich denke, ich tu das mit einem guten Herzen. Ich glaube wirklich an die Menschen, und ich respektiere eine andere Meinung, auch wenn ich diese Meinung nicht unbedingt selber teilen muss. Aber ich versuche schon, dem Zuschauer die Augen zu öffnen und in dem Fall natürlich der israelischen Gesellschaft, und das ist jetzt nicht nur etwas, was nur rein für Israel gilt. Mein neuer Film "Mein Herz tanzt" könnte auch die Geschichte eines jungen Türken sein, der nach Berlin kommt, um dort zu studieren. Ich glaube, es geht letztendlich darum, dass ich eben versuche zu zeigen, dass es auch andere Optionen gibt und dass man immer auch andere Möglichkeiten hat. Ich lebe nun mal nicht in dieser großen Seifenblase, sondern das ist alles sehr konkret für einen Amerikaner, zu sagen: "Hm, das ist in Afghanistan, das ist weit weg." Das hat mit ihm wenig zu tun. Bei mir ist es so: Die Dinge, über die ich rede, sind wirklich nur fünf Minuten entfernt. Klar gibt es auch diese Einstellung, zu fragen: Mein Gott, das Thema ist schon so präsent immer in den Medien und in den Nachrichten, müssen jetzt auch noch die Filme davon handeln? Aber ich sage eben, dass es für mich einfach notwendig ist, darüber zu reden, und das ist meine Stimme, die ich einbringe.
Wellinski: Ihr Film basiert ja auf einem Roman, auf einem Buch, was hat Sie an dem Stoff eigentlich fasziniert?
Riklis: Nun, da waren zwei Dinge: Das eine war der Humor. Ich finde wirklich, dass die ersten 25 Minuten meines Films die reine Komödie sind, und damit fordere ich den Zuschauer auch auf, in meine Geschichte mit einzusteigen. Er kann am Anfang wirklich lachen, dann lächelt er, dann wird es vielleicht ein bisschen schwerer, aber ich denke, die Dramaturgie ist hier sehr ausgewogen und kann auf verschiedenste Stimmungen zurückgreifen. Und der zweite Aspekt war: Es handelt sich hier um eine sehr persönliche Geschichte, und dennoch kann ich sie auch mit meinem Leben assoziieren und genau das kann auch der Zuschauer tun. Da hatte ich dann einfach ein gutes Gefühl.
Humor ist immer ein gutes Mittel - solange es nicht zynisch wird
Wellinski: Denken Sie, dass so ein Thema, vielleicht auch die Absurdität des Nahostkonflikts erst durch eine Komödie richtig behandelt werden kann?
Riklis: Nun, es ist nicht der einzige Weg, aber es ist meiner Meinung nach ein schöner Weg, weil mit den Mitteln der Tragödie ist es wirklich problematisch, dann wird es sehr politisch und man wird zu einem Prediger, und das mag ich nicht. Ich möchte die Leute nicht belehren, sie sind wirklich ganz gut informiert, und dann ist es mir lieber, das mit einem etwas leichten, offeneren Tonfall zu schaffen. So erreicht man auch die Herzen der Zuschauer viel einfacher, und ich halte Humor immer für ein gutes Mittel, solange es nicht zynisch wird.
Wellinski: Im Mittelpunkt stehen vor allem junge Menschen. Meinen Sie, junge Menschen empfinden den Nahostkonflikt viel heftiger, weil er gerade bei ihnen irgendwie stattfindet und sie vielleicht andere Werte haben und andere Ideen über ihr Leben, viel selbstbestimmter sein möchten, aber dieser alte Konflikt kommt über sie, über ihren Alltag und lässt sie gar nicht leben.
Riklis: Das ist das alte Shakespeare'sche Prinzip, Shakespeare hat das sowieso schon alles gewusst, er macht das in "Romeo und Julia" beispielsweise. Aber Sie haben schon ganz recht, am Anfang herrscht da wirklich so ein optimistisches Lebensgefühl vor, und diese jungen Menschen haben das Gefühl, dass die Welt auf sie wartet, dass alles möglich ist. Und das ist natürlich die Tragödie heutzutage, dass man eigentlich ein gutes, ein unbeschwertes Leben führen möchte, eigentlich nur die kleinen Alltagssorgen haben möchte, aber dass man dann doch mit den ganz großen, auch politischen Dingen konfrontiert wird, die uns das Leben schwermachen. Wie man dagegen ankämpfen soll? - Ich weiß es nicht.
Wellinski: Einmal sagt Eyad – und das ist ein Satz, vielleicht ist es nicht der beste Satz des Films, aber es ist der weitreichendste: "Ich versteh das alles nicht." Und ich gebe ihm recht, ich verstehe das alles auch nicht, weil wir aus unserer Außenperspektive aus Deutschland, aus Europa, diesen Konflikt vielleicht wirklich nicht begreifen. Aber Sie sind ja aus dem Inneren, verstehen Sie ihn denn?
"Am Ende verstehe ich dann doch fast nichts"
Riklis: Das ist eine sehr gute Frage, ich verstehe die einzelnen Elemente, ich verstehe so viel wie Geschichte, Religion, böses Blut, Land, Kontrolle. Es gibt so viele Worte, mit denen man diesen Konflikt umschreiben kann, und die verstehe ich als einzelne Worte, aber insgesamt verstehe ich dann auch nichts. Wenn wir uns eins zu eins im Alltag treffen, dann verstehen sich die Menschen meist und kommen miteinander klar und respektieren sich auch. Und ich glaube, das Problem, das, was uns fehlt, ist einerseits der Respekt, und das andere, und das ist ein sehr altmodisches Wort, was ich hier aber erwähnen muss, das ist einfach Liebe. Letztendlich sind wir alle Menschen, und das respektieren wir einfach nicht immer genug. Also eine kurze Antwort ist: Ich versuche mein Leben lang, es zu verstehen, ich glaube auch nicht, dass ich naiv bin, ich glaube auch, dass ich die Komplexität durchaus verstehe, aber am Ende verstehe ich dann doch fast nichts.
Wellinski: Ich frage mich "Wie empfinden die Leute in Israel Ihre Filme?" denn wir empfinden sie ganz klar: Man liest die Rezension, wir sehen das immer als Kritik des Landes, weil wie gesagt, wir sind Außenseiter. Aber wie läuft das dann vor Ort?
Riklis: Also ich denke, das ist so eine gewisse Mischung, mit der man meine Filme aufnimmt. Einerseits bin ich wirklich kritisch und ich bin realistisch, ich bin aber, glaube ich demokratisch genug, nicht zu predigen. Und dann hab ich natürlich auch diese Einstellung, die das US-amerikanische Kino hat: Man darf in meinen Filmen durchaus Popcorn essen. Und ich möchte auch, dass sich in meinen Filmen die Leute gut unterhalten fühlen. Wenn man zwei Stunden in einem dunklen Kinosaal sitzt, dann muss es sich auch lohnen, das muss auch eine gut verbrachte Zeit sein. Und manchmal habe ich Probleme mit meinen Filmen, manchmal hält man mich für politischer, als ich es wirklich bin, dabei versuche ich wirklich über der Politik zu stehen.
Wellinski: Wohin geht Ihre Reise, was sind die nächsten Projekte beziehungsweise haben Sie auch Ambitionen, jetzt noch was ganz anderes zu machen?
Riklis: Nun ja, meine nächsten beiden Filme, die werden etwas anders sein. Ich werde zwei Thriller drehen, die natürlich auch mit der Thematik des Nahen Ostens etwas zu tun haben, aber es geht dann auch noch um etwas ganz Neues, beispielsweise um den Mossad. Und der eine Film spielt in Paris, der andere Film wird hier in Deutschland spielen, das ist eine Reise von dem Süden bis nach Hamburg, und wir lieben alle solche Geschichten, wie sie John le Carré schreibt. Und solche Geschichten versuche ich dann mit den politischen Themen des Nahen Ostens zu vermischen.
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