"Die 7 größten Irrtümer über Frauen, die denken"

Große Frauen, große Vorurteile

Die Schauspielerin Isabella Vértes-Schütter verkörpert die Biochemikerin Rosalind Franklin bei einer Probe am Hamburger Ernst Deutsch Theater 2017
Die Schauspielerin Isabella Vértes-Schütter verkörpert die Biochemikerin Rosalind Franklin bei einer Probe am Hamburger Ernst Deutsch Theater 2017 © picture alliance / dpa / Markus Scholz
Von Edelgard Abenstein · 23.01.2017
Rosalind Franklin war eine begabte Molekulargenetikerin und hätte eigentlich den Nobelpreis verdient. Doch sie wurde von ihrem Kollegen Watson beklaut und der Nobelpreis ging nach ihrem Tod an ihn - nur eine von vielen Geschichten über große Frauen, die Beatrix Langner gesammelt hat.
An Büchern, die das Leben von Frauen als eine Geschichte der Ungleichheit beschreiben, herrscht kein Mangel. Gut so, denn noch immer werden Frauen in ihrer Freiheit eingeschränkt. Dennoch hat die Frauenbewegung ein Imageproblem. Kein Wunder, so lange moderne Feministinnen viel Zeit damit verbringen, über geschlechtergerechte Sprache zu diskutieren und in der Installation von Uni-Sex-Toiletten das Allheilmittel für Gleichheit erblicken. Was fehlt, ist streitlustige Ursachenforschung, ohne zu bevormunden.
Beatrix Langner, Autorin zahlreicher Biografien über Jean Paul, Chamisso, Hölderlin blättert eine Geschichte von Ressentiments auf, die da lauten: Frauen, die denken, sind Männer; göttlich; gefährlich; unsexy; egoistisch; sie denken anders; retten die Welt.

Über Jahrhunderte geschmäht oder weggetätschelt

In diesem Kompendium von Vorurteilen erzählt die Autorin von klugen, unabhängigen Frauen und davon, wie sie über Jahrhunderte weggetätschelt wurden. Man hat sie bewundert und geschmäht, idealisiert, unterdrückt oder totgeschwiegen. Von der Antike an bekommen wir eine Menge interessanter Anekdoten zu lesen, von Perikles' Geliebter Aspasia, die als Ghost-Writerin einige von dessen Staatsreden an die Athener schrieb, von der Wanderphilosophin Leontion, die spätere Chronisten nur als Hure kennen. Oder über die Biografin Alexanders des Großen, von deren Scharfsinn Plinius mit aufrichtigem Schauder berichtet.
Wenn die Schriften jener Denkerinnen nicht verloren sind, wurden sie verdammt, kleingeredet oder vergessen. Die der Mathematikerin Emily de Chatelet etwa, einer Freundin Voltaires, die Leibniz und Euler beeindruckten und danach verschwanden.
Das Buch betrachtet nicht nur die intellektuellen Leistungen von Frauen, es ist auch ein Panoptikum männlicher Bösartigkeiten, all des Unsinns, den Kollegen, Liebhaber, Arbeitgeber über ihre Konkurrentinnen, Schwestern oder Ehefrauen ausgossen. Neben Philosophinnen und Politikern stehen vor allem Naturwissenschaftlerinnen im Zentrum. Wie einen Krimi entfaltet Langner die Geschichte der Rosalind Franklin, einer Spitzenkraft der Molekulargenetik, die vor J. Watson die DNS entdeckte, von ihm beklaut wurde, bevor er dafür – nach ihrem Tod – den Nobelpreis bekam.

Es macht Spaß, über dieses Buch zu streiten

Dabei meint Langner keinesfalls, dass Frauen die bessere Hälfte der Menschheit seien, wie es die strengen Feministinnen der 1970er-Jahre glauben machten. Auch mit den soften Postfeministinnen hält sie es nicht, die von Topquoten träumen, ohne dafür eine Hand zu rühren. Überhaupt stehe es schlecht um den weiblichen Anspruch auf die Macht, die wie der Geist geschlechtslos sei. Wer ihre Mechanismen nicht durchschaue, wer nicht weiß, dass sie ohne Tricks und Anmaßung nicht zu haben ist, tauge einfach nicht zum female global player.
Unterhaltsam, boshaft, detailverliebt, polemisch: um die Täuschungsmanöver männlicher Herrschaft zu entlarven und zu erforschen, warum es nicht besser lief mit den denkenden Frauen, streckt Beatrix Langner schon mal die Salonkultur der Romantik ("Freilaufzone für lesesüchtige Hühner") samt deren Liebesideal nieder.

Beatrix Langner: "Die 7 größten Irrtümer über Frauen, die denken"
Matthes & Seitz, Berlin 2017
239 Seiten, 22 Euro

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