Dichten in der Idylle

Von Gerd Brendel · 21.07.2009
In seinen Gedichten schildert Marcus Roloffs urbanes Nachtleben in Sprachspielen, die an Hölderlin erinnern. Der romantische Klang verbindet ihn mit Achim und Bettina von Arnim, den früheren Besitzern des Gutes in Brandenburg.
Die Begründer der literarischen Tradition von Schloss Wiepersdorf hatten nur nach Feierabend Zeit zum Schreiben: Tagsüber kümmerten sich Achim von Arnim und seine Frau Bettina vor allem um die Landwirtschaft.

Später, zu DDR-Zeiten, als der ehemalige Gutshof zur "Arbeits- und Erholungsstätte für Schriftsteller und Künstler Schloss Wiepersdorf" geworden war, hatten es die Gäste besser: Sarah Kirsch schrieb Gedichte über den idyllischen Park und Peter Hacks hinterließ folgenden Zweizeiler im Gästebuch:

"Wo, oft in Schwermut, selten in Gedanken,
Die deutschen Dichter alle Pilsner tranken."


Heute trinken die Stipendiaten auf eigene Rechnung und ihre Stipendien werden vom Land Brandenburg, Rheinland-Pfalz, der dänischen Botschaft oder dem österreichischen Kulturministerium bezahlt, aber an der Grundkonstellation hat sich nichts geändert: Ein Dutzend Schriftsteller, Musiker, bildende Künstler leben im Durchschnitt drei Monate gemeinsam im Schloss, teilen die Mahlzeiten und hin und wieder ein paar Feierabend-Getränke.

"Ja, es hat schon was vom 'Zauberberg'. Dass das schon sehr abgeschlossen ist von der Außenwelt, man kommt hier ohne Auto nicht raus."

Beschreibt die Schriftstellerin Kathrin Schmidt ihr derzeitiges Leben auf Schloss Wiepersdorf.

"Aber wir freuen uns tatsächlich, wenn wir mal en Abend finden, wo wir alle zusammen auf der Terrasse sitzen und mal einen trinken oder eine rauchen."

Mit von der Partie ist dann meist auch Schmidts Zimmernachbar und Kollege Marcus Roloff.

"Er gehört eher zu denen, die abends länger zusammensitzen."

Was zu seiner Lyrik passt. In Roloffs Gedichten ist es meist abends oder nachts. Roloff schildert urbanes Nachtleben wie Natur in subtilen Sprachspielen, die an Hölderlin denken lassen. Der romantische Klang verbindet den 36-jährigen mit dem früheren Besitzer von Gut Wiepersdorf, die Jugend in Neustrelitz mit der DDR-Geschichte des ehemaligen Künstlerheims Schloß Wiepersdorf. In seinem letzten Lyrikband "Gedächnisformate" findet sich ein Gedicht, das klingt wie ein verregneter Sommerabend auf Schloss Wiepersdorf:

"In blaue Verkühlung
entgleiten die Beine dem Körper. Die Vögel fallen
nach oben. Der Lichtleere nach. Dem übermäßigen
Himmel stellt sich die Landschaft ins Auge. Wie eine
Frage oder ein Span. Gerötet erst abends."
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