Deutschlands einziger Stand-Up-Historian

Von Martin Koch · 06.09.2007
Das Mittelalter übt auf viele Menschen heutzutage eine große Faszination aus. Sie stellen sich das Leben damals aufregend und idyllisch vor. Der Historiker Stephan M. Rother aus dem niedersächsischen Bad Bodenteich hat sich ebenfalls ganz dieser Ära verschrieben - und vermittelt seit zehn Jahren Amüsantes und Wissenswertes über das grausig-schöne Zeitalter.
"Magister Rother ist ein Wissenschaftler, der sich vielleicht ein bisschen zu intensiv mit seiner Materie, dem Mittelalter, auseinandergesetzt hat, so dass er manchmal nicht mehr so ganz weiß, in welcher der beiden Epochen er lebt: in der Jetztzeit oder in der Welt des Mittelalters."

So beschreibt Stephan M. Rother aus Bad Bodenteich sein Alter Ego, die Bühnenfigur "Magister Rother". Gekleidet in einen grauen Umhang mit Fledermausärmeln steht er auf der Bühne, auf dem Kopf ein schwarzes Samtkäppi, an den Füßen spitze Lederschuhe. Deutschlands einziger Stand-Up-Historian präsentiert seinem Publikum ungeahnte Einblicke selbst in intimste mittelalterliche Lebensbereiche:

(Live-Ausschnitt aus Bühnenprogramm:)
"Wenn eine Frau nicht mehr schwanger werden möchte, dann gehe sie nachts in den Wald und fange dort ein Wiesel - was nicht einfach ist (Publikum lacht) - und entfernt diesem männlichen Wiesel die Hoden und lässt es dann wieder laufen (Publikum lacht). Sie nimmt diese Wieselhoden und wickelt sie in eine Eselshaut."

Und dann will kein Mann mehr was mit ihr zu tun haben - das Mittel wirkt! Nach solchen etwas derben Pointen blinzelt Stephan Rother verschmitzt durch seine ovalen Brillengläser und wartet auf die - manchmal verzögerte - Reaktion des Publikums. Seine Begabung, historisches Material humorvoll aufzubereiten, entdeckte der 39-Jährige während seines Geschichtsstudiums in Göttingen - Magister Rother war geboren.

Schon als Jugendlicher hatte Stephan Rother keine Lust auf Angepasst Sein. Deshalb war er in seinem Heimatdorf Wittingen auch immer der Exot, erinnert er sich und streicht mit der Hand über den nur noch spärlich behaarten Kopf:

"Ich bin damals schon schwarz rumgelaufen, als noch niemand schwarz rumgelaufen ist. Gerade hier auf dem Lande, ich hatte blondierte, hochtoupierte Haare, weil ich aussehen wollte wie Martin Gore von Depeche Mode, daraufhin sind sie mir ausgegangen, und ich hab meine jetzige Frisur."

Eigentlich hätte Stephan Rother Jurist oder Journalist werden sollen - weil sein Vater diese Berufe selbst gern ausgeübt hätte. Der Sohn setzte seinen Willen durch - und ist erfolgreich, weil er von den Eltern das perfekte Rüstzeug für ein Leben als freiberuflicher Künstler mit auf den Weg bekommen hat:

"Von meinem Vater die Fähigkeit, mich vor Leute hinzustellen und ihnen was zu erzählen in dem festen Vertrauen darauf, dass das irgendwie witzig sein muss, weil ich selbst das witzig finde, so sieht er das auch. Und von meiner Mutter das Preußische, die Disziplin: Sechzehn Stunden am Tag tatsächlich zu arbeiten, bis man mit dem Ergebnis zufrieden ist."

Viel Durchhaltevermögen hat er auch mit sich selbst bewiesen: vor sieben Jahren wog der 1,80-Mann noch 130 Kilo. Innerhalb eines Jahres nahm er fünfzig Kilo ab - für ihn war es wie das Betreten einer neuen Welt:

"Es ist alles sehr viel bewegter, sehr viel bunter, sehr viel schöner, sehr viel intensiver geworden, es ist ein Gefühl, als ob man aus einem Käfig herauskommt."

Kurz danach lernte er seine Frau Katja kennen. Sie teilt die Begeisterung fürs Mittelalter, schneidert historische Kostüme. Und sie ist diejenige, die den manchmal etwas unsortiert wirkenden Kabarettisten wieder "erdet", seine Termine und die Finanzen verwaltet.

Seit ein paar Jahren verarbeitet Stephan Rother seine Ideen und sein Wissen über das Mittelalter auch in Büchern. Zwei Mystery-Thriller hat er schon veröffentlicht, demnächst folgen zwei Fantasy-Jugendbücher. Im Prinzip geht es immer wieder um die Fragen "Wer bin ich?" und "Wo will ich hin?". Er hat für sich - ein Jahr vor seinem vierzigsten Geburtstag - eine Antwort gefunden, die ihn verändert hat:

"Ich war auf einmal der Meinung, ich brauch die Version 2.0 oder 3.0 von Stephan Rother: Darf das dieser krude Kerl noch sein, dieser Magister Rother, der da mit Körpereinsatz auf der Bühne rumturnt, das bin ich sicherlich auch, aber ich muss auch einen Stephan Rother haben, der ein erwachsener Mensch ist, und der sich selbst gefunden hat."

Dieser "neue Stephan Rother" fährt kein schnelles Auto mehr, dreht Stromsparbirnen in die Lampen und isst Bio-Gemüse. Und er hat sich beim Umbau des alten Bauernhauses in Bad Bodenteich endlich einen langgehegten Traum verwirklicht: eine eigene Bibliothek!

Und so sitzt Stephan Rother in seinem Heiligtum, umgeben von Tausenden von Büchern, einem Computer und einer Kanne Kaffee. Und bereitet sich auf seinen nächsten Auftritt vor: als der Dichter, Höfling und Zuhälter François Villon, dessen bewegtes Leben er vertont und vertextet hat:

"Die dicken Fresser in Kamelhaarkutten, die frommen Nonnen und die Herren Kardinäle mit ihren parfümierten Luxus-Nutten, Minister, Marmelukken und die Generäle, mit Blech verklebt von Arsch bis Ohr, Renostam obendrein, der königliche Mohr, du lieber Gott, das alte Schwein, die mögen mir mein Ungeschick verzeih'n."

Weitere Infos:
www.magister-rother.de