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Flüchtlingspolitik
EU-Kommission will Grenzkontrollen prüfen

Dürfen einige EU-Länder wieder Grenzkontrollen durchführen? Vorübergehende Kontrollen sind zwar erlaubt – aber nur, wenn die nationale Sicherheit bedroht ist. Das will die EU-Kommission heute in Gesprächen mit Vertretern der betroffenen Länder prüfen.

Von Annette Riedel | 06.01.2016
    Arbeiter errichten einen 3,7 Kilometer langen Zaun in Spielfeld, an der Grenze zwischen Österreich und Slowenien.
    Auch der Grenzzaun zwischen Österreich und Slowenien könnte zum Thema in Brüssel werden. (afp / Joe Klamar)
    Wenn sich heute EU-Kommissar Avramopoulos mit Vertretern Deutschlands, Dänemarks und Schwedens trifft, um über die Wiedereinführung befristeter Grenzkontrollen zwischen diesen Ländern zu reden, geht man in der EU-Kommission davon aus, dass auf den ersten Blick diese Kontrollen mit den Schengen-Regeln für Reisefreiheit vereinbar sind. Sagte gestern eine Kommissionssprecherin:
    "Es ist Teil der Schengen-Regeln, befristete Grenzkontrollen in Ausnahmesituationen einzuführen – aber nur bei einer ernsthaften Bedrohung der nationalen Sicherheit."
    "Ernsthafte Bedrohung"
    Ob eine solche Bedrohung durch die ungewöhnlich große Zahl von Flüchtlingen, die in Länder wie Deutschland oder Schweden streben, gegeben ist – das zu prüfen ist eines der Ziele der heutigen Gespräche. Es scheint jedoch, dass die EU-Kommission gewillt ist, dies grundsätzlich als Begründung für die Kontrollmaßnahmen zu akzeptieren, wie aus den Äußerungen der Kommissions-Sprecherin herauszuhören ist.
    "Die EU-Kommission sieht natürlich, dass der ungewöhnliche Migrationsdruck zu einer ernsthaften Bedrohung der Sicherheit und der öffentlichen Ordnung führen könnte. Aber die EU-Länder müssen für befristete Grenzkontrollen EU-Recht beachten."
    Angst vor dem Domino-Effekt
    Dass also das, was an der dänisch-schwedischen und an der dänisch-deutschen Grenze jetzt stattfindet, nicht der Anfang vom Ende der Reisefreiheit ist, das scheint in Brüssel die allgemeine Lesart zu sein, der sich auch der CDU-Europaparlamentarier Herbert Reul anzuschließen vermag:
    "Was da in Skandinavien passiert, ist vereinbar mit den Schengen-Regeln. Wir machen dasselbe ja auch an der deutsch-österreichischen Grenze – das heißt: punktuelle Prüfungen. Natürlich besteht die Gefahr, dass jetzt andere Staaten das auch machen. Das ist noch nicht das größte Problem, weil das haben wir ja im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft auch an vielen Grenzen gehabt. Nur wenn sich das dann verstetigt, und zu stabilen Grenzkontrollen wird, dann ist Schengen hin."
    "Schengen in Gefahr"
    Was in Brüssel, was in den meisten europäischen Hauptstädten größte Sorgen bereitet - Stichwort in dem Zusammenhang auch ein befürchteter "Domino-Effekt". Fangen einzelne Länder mit Kontrollen an innereuropäischen Grenzen an, fürchtet auch Luxemburgs Außenminister Asselborn, ziehen immer mehr andere möglicherweise nach:
    "Dann würde ein Domino-Effekt entstehen. Wir müssen verhindern, dass Schengen in Gefahr kommt."
    Kontrolle an Außengrenzen
    Ist es aber bereits. Auch in den Augen von Junckers Sprecher Magaritis Schinas. Die Gefahr nicht noch wachsen zu lassen – auch diesem Ziel dienen die heutigen Konsultationen in Brüssel.
    "Schengen ist unter Druck. Wir suchen zusammen mit den EU-Ländern an Lösungen für aktuelle Probleme im Rahmen der Schengen-Regeln. Die Voraussetzung für interne Grenzen ohne Kontrollen ist die effektive Kontrolle unserer Außengrenzen."
    Herbert Reul sieht ebenfalls da die einzige Möglichkeit, um nicht zu innereuropäischen Grenzkontrollen zurückzukommen.
    "Wenn die Außengrenzen funktionieren, wenn da kontrolliert wird, wenn wir eine starke Grenzpolizei haben, wenn Frontex stark gemacht wird, wenn das Personal dafür zur Verfügung gestellt wird, wenn Daten ausgetauscht werden, dann gibt es keine Notwendigkeit."