Deutsches Symphonie-Orchester Berlin

Trauer und Erlösung

Der Dirigent Ingo Metzmacher
Der Dirigent Ingo Metzmacher © Harald Hoffmann/DSO
08.02.2015
Der ehemalige Chefdirigent Ingo Metzmacher leitet einen rein polnischen Abend beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin. Musik von zwei sehr unterschiedlichen, aber sehr prägenden Komponisten-Gestalten unseres Nachbarlandes steht auf dem Programm. Zu Gast sind außerdem drei hervorragende Vokalisten und der Berliner Rundfunkchor.
Ingo Metzmacher war bis 2010 drei Jahre lang Chefdirigent und künstlerischer Leiter des DSO. In lockerer Folge kehrt er immer mal wieder zu diesem Orchester zurück. Diesmal hat er sich vorgenommen, den Prozess der deutsch-polnischen Annäherung, die zu einer Partnerschaft der Verantwortung in Europa werden soll, musikalisch zu untermauern.
Zwei sehr gegensätzliche Pole der polnischen Musik des 20. Jahrhunderts setzt Metzmacher aufs Programm. Karol Szymanowski gilt als Gründer der polnischen Moderne überhaupt, die sich von ihrem Übervater Chopin, aber auch den übermächtigen Vorbildern und Schulen aus Deutschland, Frankreich und Russland emanzipieren konnte. Szymanowskis frühe Konzertouvertüre eröffnet den Abend. Sie zeigt ihn noch voll und ganz im Bann der Sinfonischen Dichtungen a là Richard Strauss. Den Abend beschließt Szymanowkis Stabat Mater, ein geistliches Werk, das Metzmacher mit drei hervorragenden polnischen Gästen und dem Rundfunkchor im polnischsprachigen Original aufführen will, um die authentische Klangwelt des Stücks erlebbar zu machen.
Der zweite polnische Meister an diesem Abend ist Witold Lutosławski. In seiner "Trauermusik", die Béla Bártok gewidmet ist, erkundet er erstmals avantgardistische Techniken, nachdem er vorher aus überwiegend politischen Gründen in der Nachkriegszeit eher realistisch-melodiöse, zum Teil folkloristisch anmutende Musik komponiert hatte.
Am Ende seines Lebens um 1990 herum schuf Lutosławski dann seine vierte Sinfonie. Die klingt erstaunlich experimentell und energetisch aufgeladen. Überhaupt hat der Komponist - je älter er wurde - stetig avantgardistischer geschrieben. Wie es seine Eigenart ist, sorgt er auch in dieser Sinfonie für Passagen kontrollierter Aleatorik, also für Passagen, in denen die Orchestermusiker frei aufeinander reagieren, in denen sie spontan Kammermusik spielen dürfen, ohne dass der Dirigent eingreift.
Ingo Metzmacher ist es wichtig, an diesem Abend die Gegensätze zwischen bewegter und nachdenklicher, zwischen optimistischer und zaghafter Musik erlebbar zu machen. Der Trauergestus des zweiten Konzertteils passt nicht zuletzt zur Passionszeit, die in zehn Tagen beiderseits der Oder beginnen wird. Der lebensbejahende Ton vor allem der Vierten Sinfonie Witold Lutosławskis bietet zuvor Auswege und Trost, ja musikalische Möglichkeiten der Erlösung. Das Abendprogramm zum Nachlesen
Live aus der Philharmonie Berlin
Karol Szymanowski
Konzertouvertüre E-Dur
Witold Lutosławski
Symphonie Nr. 4
ca. 20.50 Uhr Konzertpause, darin:
"Ich kam mir fast berauscht vor..." - Witold Lutosławski und sein "Vorbild auf Distanz" Karol Szymanowski, ein Beitrag von Jan Brachmann; außerdem eine kurze Buchvorstellung "Musik in Auschwitz" von Simon Laks, erschienen im Verlag Boosey&Hawkes, Buch und CD kosten 29,95 Euro
Witold Lutosławski
"Muzyka żałobna" (Trauermusik)
Karol Szymanowski
"Stabat mater" für Soli, Chor und Orchester
Aleksandra Kurzak, Sopran
Ewa Wolak, Alt
Tomasz Konieczny, Bassbariton
Rundfunkchor Berlin
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Ingo Metzmacher