Deutsches Symphonie-Orchester Berlin

Hübsche Fassaden

Deutsches Symphonie-Orchester Berlin (DSO) mit Dirigenten Tugan Sokhiev / Kai Bienert, 2014
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin mit Dirigenten Tugan Sokhiev © Kai Bienert
14.11.2014
Leicht und hübsch sei die letzte Sinfonie Sergej Prokofjews. Das sagt Tugan Sokhiev. Feurig und wild dagegen ist Maurice Ravels "Tzigane", das steht fest. Doch ist alles nur Fassade in der exotischen "Zigeunerromantik" und in der dunklen "Russian Angst"? Das DSO Berlin, die Geigerin Janine Jansen und der Dirigent Tugan Sokhiev geben an diesem Abend Antworten.
"Prokofjews Musik motiviert mich — und sie spricht zu meinem Herzen." Der Chefdirigent des DSO Berlin, Tugan Sokhiev, hält nicht hinter dem Berg mit seiner Sympathie für die Musik des Komponisten Sergej Prokofjew. Der in der heutigen Ukraine geborene Künstler begann als geniales "enfant terrible" und endete als um seine künstlerische Freiheit ringender Remigrant.
Tugan Sokhiev will mit seinem Berliner Orchester die verschiedenen Facetten des Gesamtwerks von Prokofjew zeigen - nicht nur die international eingeführten Renner wie die erste und fünfte Sinfonie oder die Klavier- und Violinkonzerte (von den Ballettmusiken oder "Peter und der Wolf" ganz zu schweigen), sondern gerade auch die späten Werke, deren Gehalt zwiespältig wirkt: Sind die Filmmusiken zu den Eisenstein-Klassikern "Alexander Newski" oder "Iwan der Schreckliche" oder die letzten großen Orchesterwerke Zeugnisse ehrlichen künstlerischen Strebens oder faule Kompromisse, bei denen der Komponist sich den Erfordernissen der Propaganda und seiner persönlichen Angst unterworfen hat?
An diesem Abend setzen Sokhiev und das DSO ihre Prokofjew-Reihe fort - im zweiten Teil steht dessen siebente Sinfonie auf dem Programm, die wenige Monate vor Prokofjews Tod uraufgeführt wurde. Ein Stück, das aus einer Musik für Kinder heraus entstanden ist, immer noch leicht und lyrisch klingt, dennoch aber auch die Schwere der Zeit reflektiert - auf Prokofjews unnachahmlich spröde Art. Nie hat er sich in seiner Musik die direkte existentielle Emotionalität oder die barock-symbolischen Widerstandsgesten gegönnt, die sein jüngerer Kollege Schostakowitsch so vollendet berherrschte.
Ganz anders beginnt der Abend in der Berliner Philharmonie - mit einem rein französischen Teil. Die Musik dieses Landes (dem klassischen Sehnsuchtsort der meisten russischen Künstler seit tiefsten Zarenzeiten) liegt Tugan Sokhiev sehr am Herzen, schließlich ist er seit vielen Jahren auch als Chefdirigent in Toulouse tätig. Nach Claude Debussys farbenreich-subtilen "Nachmittag eines Fauns" stehen zwei Bravour-Stücke der Violinliteratur auf dem Programm. Die niederländische Geigerin Janine Jansen wird ihre gesanglich-poetischen Fähigkeiten in Ernest Chaussons "Poème" offenbaren, um dann in Maurice Ravels "Tzigane" die feurige Virtuosin zu geben, in einem Werk, das einmal mehr das Klischee der "Zigeunermusik" auf höchstem Niveau beschwört und zugleich in Frage stellt.
Sergej Prokofjews letzte Sinfonie klinge nur äußerlich hübsch und leicht, meint Tugan Sokhiev. An diesem Abend wollen er, sein Orchester und Janine Jansen hinter die Fassaden sowohl der westeuropäischen wie der russischen Musik blicken.
Live aus der Philharmonie Berlin
Claude Debussy
"Prélude à l'après-midi d'un faune"
Ernest Chausson
"Poème" für Violine und Orchester Es-Dur op. 25
Maurice Ravel
"Tzigane" Konzertrhapsodie für Violine und Orchester
ca. 21.00 Konzertpause, darin:
Eva Blaskewitz im Gespräch mit Janine Jansen, Volker Michael im Gespräch mit Tugan Sokhiew
Sergej Prokofjew
Sinfonie Nr. 7 cis-Moll op. 131
Janine Jansen, Violine
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Tugan Sokhiev