Deutscher Pavillon auf der Biennale in Venedig

Spiel mit Identitäten und Biografien

Das Bild zeigt die Künstlerin Natascha Süder Happelmann mit einer Stein-Maske auf dem Kopf.
Die Künstlerin Natascha Süder Happelmann mit Stein-Maske und Sprecherin (links). © Jasper Kettner
Von Claudia Wheeler · 20.02.2019
Manchmal trägt sie eine Stein-Maske, wechselt ihren Namen oder die Biografie: die Künstlerin Natascha Süder Happelmann. Sie bespielt ab Mai den Deutschen Pavillon bei der Biennale in Venedig – und unterläuft bewusst die Erwartungen des Kunstbetriebs.
Wieder hat sie niemand gesehen: Natascha Sadr Hagighian alias Natascha Süder Happelmann, denn sie blieb inkognito im Hintergrund. Ihre Aufmerksamkeit gehöre der Kunst, sagt die Kuratorin des Deutschen Pavillons, Franciska Zólyom.
"Oft suchen wir nach Dingen, oder konzentrieren uns auf Dinge, die uns ablenken von der künstlerischen Intention, von der künstlerischen Arbeit. Und dem wollten wir zuvorgreifen, in dem wir die Aufmerksamkeit lenken."
Video von Natascha Süder Happelmann # 20. Februar 2019 auf der Seite des Deutschen Pavillons:

Die Biografie mit Kolleginnen tauschen

Die eigene Biografie verschleiern und die Kunst sprechen lassen, das ist eines der Konzepte von Natascha Süder Happelmann. Schon vor 15 Jahren fing sie an, ihre Biografie mit Kolleginnen zu tauschen oder sich neue zu basteln.
Den Namen Süder Happelmann hat sie sich eigens für die Venedig Biennale zugelegt. Er speist sich aus den unzähligen Falschschreibungen ihres Namens. Und auch sonst jongliert sie gerne mit unterschiedlichen Identitäten, sagt Franciska Zólyom.
"Im Kunstbetrieb ist es nach wie vor immer noch eine Zuspitzung auf die Person des Künstlers und der Künstlerin, es wird sozusagen seit der Renaissance immer wieder auch eine Verbindung zwischen Biografie und künstlerischer Arbeit hergestellt. Aber oft sind das tatsächlich erfundene Geschichten, die etwas belegen sollen, und wir denken, die Arbeit einer Künstlerin hängt jetzt nicht in erster Linie mit der Person, mit der Biografie zusammen, sondern mit den Interessen, die sie nach vorne bringt."

Maskerade: Ein Stein als Gesicht

Und so stülpt sich Natascha Süder Happelmann eine Steinmaske über den Kopf und begibt sich auf eine Reise. Sie sucht verschiedene Orte auf und lässt sich von der Kamera begleiten. Auf einem Video sieht man sie durch sonnige Dorfstraßen in Bayern und Baden-Württemberg laufen, wo sie auf sogenannte Ankerzentren blickt.
In einem zweiten Video läuft sie in Apulien an riesigen Tomatenfeldern vorbei, wo im Sommer überwiegend Migranten aus Ghana unter menschenunwürdigen Bedingungen und für einen Hungerlohn arbeiten.
Begleitet wird das Ganze vom Sound einer Demonstration in Rom, bei der Tausende Menschen Mitte Dezember 2018 für die Rechte von Migranten und gegen die restriktive Einwanderungspolitik der italienischen Regierung demonstriert hatten.

Der Name als Grenze

Diese Videoarbeiten sind sicherlich ein Hinweis auf die thematische Ausrichtung des Deutschen Pavillons. Ob es eine künstlerische Auseinandersetzung mit Flucht und Migration geben wird? So eng möchte Kuratorin Franciska Zólyom das Thema nicht fassen.

"Ich denke, man kann die künstlerische Arbeit in den Zusammenhang mit Grenzen, Grenzziehungen setzen in vielfältiger Form. Also welche Grenze stellt ein Name dar, welche Grenze stellt das äußere Erscheinungsbild dar. Wo ziehen wir die Grenzen und warum halten wir an diesen Grenzen und Abgrenzungen fest und welche Effekte produziert das."

Musik und Klang im Deutschen Pavillon

Was in jedem Fall klar ist: Klang und Musik werden im Deutschen Pavillon eine wichtige Rolle spielen. Natascha Süder Happelmann arbeitet mit anderen Musikerinnen und Performerinnen zusammen – eine kleine Kostprobe gab es heute schon zu hören: Trommelschläge, Pauken und Pfeifen breiteten sich fast schon zu einem disharmonischen Dialog im Raum aus.

Mit Natascha Süder Happelmann betritt eine Künstlerin die Bühne in Venedig, die in der Kunstwelt noch nicht so bekannt ist. So hatte sie zum Beispiel noch keine große Einzelausstellung in einem deutschen Museum.
Eine Künstlerin, die sich lieber zurückhält, die ihre Identitäten wechselt, die sich konkreten Zuschreibungen verweigert und somit die Erwartungen des Kunstbetriebs unterläuft. Nach dem starken Aufritt von Anne Imhof vor zwei Jahren, die für ihre Performance im Deutschen Pavillon mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde, ist das ein kluger Schachzug.
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