Störenfried: Kurt Geisler

Ein Gasrebell im Brandenburger Land

Ein Gaszähler in einem privaten Haushalt
Ein Gaszähler in einem privaten Haushalt. © picture alliance / dpa / Foto: Carsten Rehder
Von Ernst-Ludwig Aster · 06.10.2015
"Abzocke" nennt Kurt Geisler die Gasgebühren, deshlab zahlt der Rentner schon seit Jahren nicht mehr den vollen Rechnungsbetrag an das Unternehmen EWE. Bis vor Gericht hat es der Konflikt geschafft. Das Lachen ist Kurt Geisler aber noch nicht vergangen, ganz im Gegenteil.
Jedes Mal, wenn Kurt Geisler seine Küche betritt, wird ihm warm ums Herz.
"Das isser hier, das nannte sich Forster-Kessel, der kam aus Forst, den hat die DDR erfunden. Der funktioniert 100 prozentig."
Ein Holzheizungssystem. Klein wie ein Kühlschrank. Aber groß genug für ein Einfamilienhaus. Einfach, zuverlässig, leicht zu reparieren. So mag es der 82-jährige Fahrzeugschlosser und Maschinenbauingenieur. Der Küchenofen macht ihn unabhängig vom Gaskessel im Keller.
"Ich habe da fast alles umgebaut, damit das mit der Gasheizung zusammenpasst, ja. Das wollte ein Installateur nicht machen, der hat gesagt, was sie sich da ausgedacht haben, geht gar nicht. Und da habe ich gesagt, also lass das mal meine Sorge sein, das mache ich schon..."
Und dann machte er. Bis es passte. "Das geht doch nicht" – den Satz hat Geisler oft gehört. Und oft ignoriert. In den letzten Jahren hat diesen Widerstandsgeist vor allem sein Gasversorger zu spüren bekommen.
"Vorher ging es gegen die Funktionäre, da waren sich alle einige, aber diese Kampfbereitschaft gibt es nicht mehr. Es gibt nichts mehr, wofür man kämpfen muss. Das Gas wird geliefert, dann zahle ich eben, egal was es kostet..."
Aber nicht Kurt Geisler. Sein stetig steigender Gaspreis machte ihn zum Störenfried. Der Rentner holt einen Ordner aus dem Regal, bittet in den Wintergarten, auf eine knarzende Eckbank.
"So, das sind die Preiserhöhung, so wie die EWE die vorgenommen hat..."
Ein DIN A4 Blatt. Seine Gasrechnungen. Graphisch aufgetragen. Exakt. Seit 1998. Da wurde 15,6 Prozent erhöht, sechs Monate später nochmal um 17,9 Prozent. Fünf Monate später um 21, 9 Prozent. Das waren insgesamt zu diesem Zeitpunkt 55, 7 Prozent. Und da habe ich angefangen zu protestieren...
Gegen die "Abzocke", wie er sagt. Sein Gaspreis folgt – mit einiger Verzögerung –dem Ölpreis, antwortet ihm sein Versorger. Als der Ölpreis sinkt, merkt Geisler auf seiner Rechnung davon allerdings kaum etwas. Der Finger des Ingenieurs fährt über seine Übersicht. Folgt einer grünen Linie. Die verläuft, parallel zur x-Achse, bei 3,2 Cent pro Kilowattstunde. Soviel kostete das Gas im Jahr 2000 und im Jahr 2004. Und mehr gibt es in den anderen Jahren auch nicht, beschließt Kurt Geisler.
"Die Reizgrenze. Bis dahin und nicht weiter. Und da habe ich angefangen die Rechnung zu kürzen..."
Seit mehr als zehn Jahren geht das so
Seitdem zahlt Geisler nur noch 3,2 Cent pro Kilowattstunde. Egal was auf der Rechnung steht. Seit mehr als zehn Jahren geht das so. Briefwechsel und Mahnschreiben füllen die Order. Strahlend-weißes Papier, laserbedruckt mit buntem Briefkopf – das sind die Schreiben des Gasversorgers und seiner Anwälte. Auf angegilbtem Papier oder dünnen Durschlägen stehen Geislers Erwiderungen. Geschrieben auf einer Schreibmaschine:
"Die Schreibarbeiten macht meine ehemalige Mitarbeiterin, die ist perfekt in Stenographie und Schreibmaschine. Wenn mir was einfällt, rufe ich sie bloß an: Kann ich kommen? Und dann geht das los..."
Und los geht es oft.
"Da habe ich sie auf den Paragraphen 315 hingewiesen."
Der § 315 aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Das ist sein Trumpf, sagt Geisler. Danach können Preise nur nach "billigem Ermessen" erhöht werden. Also begründet. Und nicht beliebig.

"Dann kam das erste Mahnverfahren... ist vom Amtsgericht Bernau verhandelt worden und ist für die EWE negativ verlaufen, ist abgewiesen worden... weil sie kein Recht hatten, die Preise zu erhöhen."

Punktsieg für Geisler. Aber der Richter wundert sich trotzdem. Über die Renitenz des Rentners…
"Der hat dann gesagt, warum tun sie sich das eigentlich in ihrem Alter noch an, und spielen hier den Robin Hood? Suchen sie sich doch einen anderen Anbieter, dann kriegen sie eine Wechselprämie und dann kommt das auf dasselbe raus. Bloß der Richter weiß ja nicht, um was es geht, ja."

Es geht nicht um ein paar hundert Euro, die Geisler nachzahlen müsste. Nein, es geht um einen anständigen Preis, wie der Rentner sagt. Arbeitsleistung ohne Abzocke. Und es geht natürlich um Geisler gegen den Gaskonzern.
"Die versuchen mit allen möglichen Tricks mich kleinzuhalten. Und denken, ich gebe auf. Ich gebe nicht auf..."
Eigentlich könnte jeder Verbrauche vor Gericht ziehen, sagt der Rentner. Doch den meisten ist das zu anstrengend. Geisler nicht. Im Gegenteil. Er freut sich.

"Und unten habe ich dann unterzeichnet; Und stets gerne mit ihnen beschäftig und freundlichen Grüßen... Das macht mir Spaß. Man muss sich mal vorstellen, dass eine Horde Juristen sich abmüht, mit einem kleinen Bürger in solcher Angelegenheit."
Ganz oben im Ordner liegt jetzt ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Oldenburg. Sie bittet ihn, Dokumente einzureichen. Kurt Geisler hat Anzeige erstattet, gegen den Vorstand des Gasversorgers. Wegen Nötigung. Und Erpressung.
Mehr zum Thema