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Klimaerwärmung
Die Kühlwirkung von Wolken lässt nach

Wolken kühlen die Atmosphäre, indem sie einfallendes Sonnenlicht reflektieren und erst gar nicht bis zum Boden vordringen lassen - zumindest tagsüber. Mithilfe zweier Satelliten-Missionen der NASA haben US-Forscher herausgefunden, dass sich die kühlende Eigenschaft der Wolken wohl abschwächen wird, wenn sich das Klima weiter erwärmt.

Von Volker Mrasek | 14.10.2014
    Wolkenverhangener Himmel über einem Strand
    Die große Frage: Wie ändert sich das Strahlungsverhalten von Wolken, wenn sich die Atmosphäre weiter erwärmt? (dpa picture alliance / Stefan Sauer)
    Das große Wolken-Klima-Dilemma. Daran beißen sich Wissenschaftler noch immer die Zähne aus. Experten wie der Atmosphärenphysiker Mark Zelinka vom staatlichen Lawrence Livermore National Laboratory in den USA:
    "Wir wissen heute, dass Wolken den Planeten insgesamt leicht kühlen. Aber die große Frage ist: Wie ändert sich ihr Strahlungsverhalten, wenn sich die Atmosphäre weiter erwärmt? Um diese Frage zu beantworten, betreiben wir Computermodelle. Nur müssen wir sie natürlich gegen reale Wolkenbeobachtungen testen. Da sind Satellitenbeobachtungen aus dem All von unschätzbarem Wert."
    Seit einigen Jahren liefert die US-Raumfahrtbehörde NASA den Wolken-Modellierern die lang ersehnten Daten. Sie kommen von zwei Satelliten, die 2006 ins All geschossen wurden - in eine Umlaufbahn, die über die Pole führt und Tag für Tag den ganzen Globus abdeckt. Es sind Calipso und Cloudsat. Die beiden Satelliten fliegen in Formation hintereinander. Dabei nehmen sie gleichzeitig dieselben Wolken ins Visier. Und das erstmals mit aktiven Sensoren. Also mit Instrumenten, die selbst erzeugte Messstrahlung auf die Wolken loslassen und dann die reflektierten Signale auffangen.
    Der NASA-Physiker Dave Winker ist Chef-Wissenschaftler der Calipso-Mission.
    "Unser Satellit ist der erste, der Laserlicht-Pulse aussendet. Und Cloudsat macht das gleiche mit Mikrowellen-Strahlung. Dadurch, dass wir beide Satelliten gemeinsam nutzen, können wir dünne wie auch dicke Wolken erfassen. Und wir haben zum ersten Mal einen Überblick über die dreidimensionale Verteilung von Wolken in der Atmosphäre."
    Satellitenbeobachtungen und Modelle decken sich in einem Punkt: Cirren oder Federwolken in großer Höhe zeigen die Tendenz, sich noch weiter nach oben zu verlagern. Und damit in kühlere Gefilde. Denn mit der Höhe nimmt die Temperatur in der Wetterschicht ab. Nun sind die aus Eis bestehenden Cirren ein Wolkentyp, der die Atmosphäre zusätzlich erwärmt. Weil Cirren die Wärmestrahlung blockieren, die die Erde vor allem nachts ins All abstrahlt.
    Mark Zelinka zufolge verstärkt sich der Treibhauseffekt der Federwolken noch, wenn sie kälter sind. Das kurbelt die Erwärmung zusätzlich an.
    Ganz anders die riesigen Bänder von Schicht- und Haufenschichtwolken über den subtropischen Ozeanen. Sie kühlen das Klima, weil sie effektiv einfallendes Sonnenlicht reflektieren und zudem eine dunkle Meeresoberfläche bedecken, die sich ohne sie stark aufheizen würde. Auch hier deuten sich aber ungünstige Veränderungen an:
    "Wir sehen, dass diese Wolken in den Modellen generell abnehmen, das heißt es gibt weniger von ihnen. Außerdem nimmt ihr Feuchtigkeitsgehalt ab und damit auch ihre Fähigkeit, Sonnenlicht zu reflektieren. Der Effekt wäre, dass sich das Klima zusätzlich erwärmt."
    Eine weitere Entwicklung, mit der nach den Modellsimulationen zu rechnen ist:
    "In mittleren Breiten, wo wir leben, verlagern sich die Sturmbahnen Richtung Pol. Das führt auch zu mehr Erwärmung. Denn dadurch bewegen sich Wolken aus Regionen mit stärkerer in Breiten mit schwächerer Sonneneinstrahlung. Sie können dann nicht mehr so viel einfallendes Licht reflektieren. Das sind ebenfalls wichtige Veränderungen, die wir in unseren Modellen sehen."
    Es könnte also sein, dass Wolken in ihrer Gesamtheit die Atmosphäre bald nicht mehr kühlen, sondern zusätzlich aufheizen. Und damit der globalen Erwärmung nicht mehr entgegenwirken, sondern sie zusätzlich ankurbeln. Danach sieht es jedenfalls in den Modellen aus.
    Unterdessen laufen die Calipso- und Cloudsat-Missionen aus. Man gibt den beiden NASA-Satelliten noch zwei, drei Jahre Lebensdauer. Und hofft, dass keine Datenlücke entsteht. Denn das Nachfolgeprojekt - der europäisch-japanische Satellit EarthCare - soll erst 2018 starten ...