Französische Liebesliteratur

Françoise Sagan lässt die Jungen alt aussehen

Buchcover "L'amour toujours – toujours l'amour?" und "Ein gewisses Lächeln", im Hintergrund ein junges Liebespaar
Buchcover "L'amour toujours – toujours l'amour?" und "Ein gewisses Lächeln", im Hintergrund ein junges Liebespaar © Verlag Klaus Wagenbach / imago / Deutschlandradio
Von Manuela Reichart · 06.07.2017
Zwei Bücher über die Liebe aus Frankreich: Im Band "L'amour toujours" erzählen junge Autoren recht trostlos, urteilt unsere Rezensentin. Dafür ist "Ein gewisses Lächeln" der damals 20-jährigen Françoise Sagan ein fesselnder Roman – der bereits 1955 die Literaturwelt irritierte.
Die Liebe spricht vor allem französisch? Junge Autorinnen und Autoren von heute erzählen vor allem vom Liebesdesaster – und werden überstrahlt von einer jungen Autorin, die 1955 auf gültige Weise von einer Liebesaffäre erzählte.
Nach dem überraschenden Welterfolg von "Bonjour Tristesse" behauptete sich die 20-jähringe Françoise Sagan auch mit ihrem zweiten Roman als eigenständige Schriftstellerin. Das Sujet war nicht originell, der literarische Ton, die Grundstimmung schon.
Eine junge Studentin hat eine Affäre mit einem älteren Mann. Es soll ein Spiel werden, ein Abenteuer, nicht mehr, denn – erklärt er ihr gleich am Anfang - "die Liebe sei eine gute Sache, weniger wichtig, als man sich einbilde". Der Mann ist verheiratet, sie mag seine Frau, er spielt mit offenen Karten, sie wähnt sich souverän – und verliert sich doch im Strudel der Gefühle.

Zwischen jugendlicher Selbstüberschätzung und Langeweile

Françoise Sagan beherrschte ihn meisterhaft – diesen Ton zwischen jugendlicher Selbstüberschätzung und Langeweile, vermeintlicher Unabhängigkeit und kindlicher Ergriffenheit. Und so liest man diese Geschichte eines jungen Mädchens, das nichts rechtes mit sich und dem Leben anzufangen weiß, das durch die Tage und die Stadt ohne Ziel irrt, auch sechs Jahrzehnte später gebannt. Weder die Heldin noch die Geschichte dieser Amour fou haben an Spannung und Gefühlsgenauigkeit verloren.
Dass und wie sehr diese junge Schriftstellerin damals die literarische Welt irritierte und durcheinander wirbelte, das versteht man nach der Lektüre von "Ein gewisses Lächeln" sofort. Eine Schriftstellerin mit einem eigenen Ton hatte die Bühne betreten. Noch dazu eine, die mühelos und bildgenau über Sex schreiben konnte.

Eher trostlose Geschichte von der Liebe

Diese literarische Originalität, sprachliche Sicherheit und nicht zuletzt Erzählkunst vermisst man dagegen in den meisten Geschichten zeitgenössischer Autorinnen und Autoren, die die Wagenbach-Lektorin Annette Wassermann zusammengestellt hat. Auffällig ist an diesen 14 Erzählungen, wie trost- und perspektivlos hier von der Liebe erzählt wird.
Weder aufflammende Leidenschaften noch tragische Umstände scheinen die Protagonisten wirklich zu erschüttern. Allein in einer Geschichte wird die Konventionalität literarischer Fantasie gesprengt: Da verhelfen ein paar rote Socken einem langweiligen jungen Mann zu einem erfüllten Liebesleben. Die Fantasie siegt über den Serien-Alltag.
Ansonsten wird hier nicht nur von eher tristen Liebes-Zeiten erzählt, vor allem spürt man bei keinem die brennende Leidenschaft fürs Schreiben – wovon jede Zeile der Françoise Sagan erfüllt ist.

Françoise Sagan: Ein gewisses Lächeln
Roman
Aus dem Französischen von Helga Treichl
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2017
141 Seiten, 10 Euro

Annette Wassermann (Hrsg.): L'amour toujours – toujours l'amour? Junge französische Liebesgeschichten
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2017
187 Seiten, 12 Euro

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