Deutsche Souldiva zum Anfassen

Von Mirko Schwanitz · 06.09.2006
Joy Denalane hat gelernt, sich durchzusetzen. Als Tochter eines Südafrikaners und einer Deutschen hat sie den alltäglichen Rassismus unter Immigrantenkindern in Berlin-Kreuzberg kennen gelernt. Respekt verschaffte sie sich mit ihrer Musik: Für die engagierten Texte, ihre außergewöhnliche Interpretation und Stimme wurde sie mit dem Comet ausgezeichnet.
"'Born and Raised' ist auf jeden Fall eine kleine Zeitreise durch mein Leben, angefangen als Teenager oder sogar noch viel jünger als, als Achtjährige, die in Berlin-Kreuzberg aufgewachsen ist, die in so ´nem multiethnischen Hochhaus groß geworden ist, erzählt einfach die Geschichte, wie ich mich durchgeboxt habe."

Wenn Joy Denalane über ihr Leben singt, dann erzählt die 33-jährige Tochter eines Südafrikaners und einer Deutschen über den Weg eines Mädchens, das früh Diskriminierung wegen ihrer Hautfarbe erfährt, zu kiffen beginnt, bei H&M Klamotten klaut und mit einer Mädchengang durch Kreuzberg streift und doch nichts anderes sucht als Liebe und Anerkennung.

"Ich komme aus einem sehr brodelnden Umfeld. Ich hätte auch mich in eine ganz andere Richtung bewegen können, hab ich aber nicht, weil ich immer sehr fokussiert war. Ich wusste am Ende des Tages doch immer genau, wo ich hin will, ich habe das geschafft auch und das würde ich gern auch vermitteln."

Was sie heute ist, sagt sie, verdankt sie dem HipHop, der in den 80er Jahren Deutschland erobert. Auf einmal, sagt sie, war sie für die Jungs aus der Schule nicht mehr die "Negerin", die mit dem "Entenarsch" und den "Zottelhaaren". Auf einmal war sie angesagt, weil sie aussah, wie die neuen amerikanischen Vorbilder. Sie selbst beginnt zu singen, die HipHop-Sängerin Mary J. Blige wird ihr großes Vorbild.

"Sie war immer so, so wahrhaftig! Und das war was, womit ich mich identifizieren konnte. Und es gibt diesen Song, da widme ich ihr eine ganze 'hook’ (...) und ich bin also völlig verzweifelt und so und mir fällt dann nichts weiter ein, als Mary J. zu bitten, 'nen Song für mich zu singen und uns zu helfen, dass sie uns wieder auf den Weg bringt."

Joy Denalane hat ihren Weg gefunden. Als viermalige Sitzenbleiberin schafft sie dennoch ihr Abitur – mit 22. Sie lässt sich nicht auf die Popschiene drängeln. Sie verliebt sich in den Musiker Max Herre, mit dem sie heute zwei Kinder hat und schließlich das Album "Mamani" aufnimmt.

Für die engagierten Texte, ihre außergewöhnliche Interpretation und Stimme wird die dreimal für den Echo nominiert, erhält den Comet als Beste HipHop- und R&B-Sängerin und die Medien feiern sie plötzlich als die deutsche Souldiva zum Anfassen.

"Also dieses Diva ist eher etwas, was von außen kommt, weil ich immer sehr klar formuliere, was ich denke, was ich meine. Das macht einen, zumal wenn man ´ne Frau ist dann schnell zu ´ner Diva … und zum Anfassen, das ist sicher so gemeint, dass, wenn du mich auf der Straße triffst, ich auf jeden Fall ´n Wort mit dir wechsel. Ich unterhalt mich mit allen Leuten, ob es die Verkäuferin bei Kaisers ist oder die Verkäuferin in der Boutique."

Wie um dem Klischee der deutschen Souldiva zu entkommen, singt sie auf ihrer neuen Tour und CD nur Englisch. Aber das, meint sie, sei es nicht allein, schließlich habe jeder das Recht, sich weiter zu entwickeln.

"Ich hab mich gefunden. Ich glaub, was ich sagen will und ich weiß, wie ich mich musikalisch ausdrücken will. Damit will ich nicht sagen, ich bin schon angekommen. Ich glaub, ich komm nie an und ich bin auch nie wirklich zufrieden, aber ich bin mehr eins mit mir, lockerer…"

Und das spürt, wer die neue Joy Denalane hört. Der Ernsthaftigkeit ihrer Texte tut das keinen Abbruch. Der Bogen den sie spannt reicht vom Appell an die Frauen, sich ihrer eigenen Stärken bewusst zu werden bis hin zu Titeln wie "Change", in dem sie letztlich sogar Präsident Bush die Leviten liest und alle auffordert zu erkennen, dass jeder von uns die Chance hat, die Welt zu verändern, jeden Tag ein bisschen mehr ...