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William Hogarth
Außenseiter mit exzentrischem Humor

Der Maler William Hogarth war im 18. Jahrhundert erfolgreich mit beißender Kritik an gesellschaftlichen Missständen. Er erfand ein neues Genre, die Modern Moral Subjects, und war Anstoßgeber für ein Vorläufergesetz des Urheberschutzes in England. Hogarth starb vor 250 Jahren in London.

Von Carmela Thiele | 26.10.2014
    Das Gemälde "The Graham Children" von William Hogarth(1697-1764) in einer Ausstellung des Tate Museums in London.
    Das Gemälde "The Graham Children" von William Hogarth(1697-1764) in einer Ausstellung des Tate Museums in London. (picture-alliance / dpa/David Wimsettc)
    Nur wenige britische Künstler des 18. Jahrhunderts erlangten Weltruhm. Dazu gehörte William Hogarth, der als wichtiger Vorläufer der modernen Karikatur in die Geschichte einging. In seinen detailliert ausgeführten Kupferstichen erzählte er von gesellschaftlichen Missständen, die er täglich in London vor Augen hatte: von Trunksucht, Prostitution und Gewalt. Aber auch von den Folgen "unvernünftigen" Handelns wie Geiz oder Habgier. Der Aufklärer Hogarth hielt seinem Publikum durch seine "modern moral subjects" einen Spiegel vor, er wollte belehren und gleichzeitig amüsieren:
    "Ich wandte meinen Blick auf ein neues Genre, nämlich auf das Malen und Stechen moderner Lebensbilder, ein Feld, das noch in jedem Lande brach lag. Ich erkannte, dass die Schriftsteller und auch die Maler im historischen Stil die Zwischenstufe vom Erhabenen zum Grotesken übersahen. Das veranlasste mich, auf meine Art zu zeichnen."
    "A Harlots Progress" wird zum Durchbruch
    Der 1697 nahe London geborene Hogarth musste früh Verantwortung tragen. Sein Vater, ein Dorfschullehrer, hatte sich mit einem Café ruiniert, in dem nur Latein gesprochen werden sollte. William begann nach dessen Rückkehr aus dem Schuldgefängnis eine Lehre bei einem Graveur, trat aber bald in die private Akademie des Hofmalers Sir James Thornhill ein. Dort widmete er sich zunächst völlig der Malerei und schuf Szenenbilder zur legendären "Bettleroper" von John Gay. Im Jahr darauf entführte Hogarth die Tochter seines Lehrers und heiratete sie. Nach der Versöhnung mit Thornhill standen Hogarth die Türen zur besseren Gesellschaft offen. Doch mit seiner Malerei fand er nur wenig Anklang. Die Aufträge blieben aus. Mit einer grafischen Bildfolge dagegen wurde Hogarth 1732 berühmt. "A Harlots Progress", "Der Weg einer Hure", erzählt in acht Blättern das Schicksal eines armen Mädchens vom Lande: Auf Prostitution folgen Diebstahl, Zwangsarbeit, Syphilis und Tod.
    "Mein Bild ist meine Bühne, und Männer und Frauen sind meine Schauspieler, die durch gewisse Gesten und Stellungen ein stummes Spiel vorführen."
    Heikle Themen im liberalen London
    Hogarth lenkte den Blick auf das Leben der einfachen Leute, stellte aber auch stadtbekannte Übeltäter dar. Dem deutschen Publikum der Goethe-Zeit erklärte der für seine Aphorismen bekannte Gelehrte Georg Christoph Lichtenberg die Drucke bis ins letzte Detail. Etwa die erste Szene, in der die Kupplerin Mother Needham und ein Unbekannter die noch unschuldige Molly Hackabout in London empfangen. Georg Christoph Lichtenberg:
    "Der Mann da mit einem Fuße im Hofe, mit dem anderen noch im Hause; die linke Hand auf einen Stock gestützt, ist der berüchtigte Obrist Carters. Wer weiß, mit welcher Leichtigkeit Hogarth Gesichter und Formen traf, den muss es freuen, auf diesem Blatt die Physiognomie eines der größten Schurken aufbewahrt zu sehen, den der Grabstichel je verewigt hat."
    Hogarth machte auf seine Art Karriere. Er sprach in seinen grafischen Blättern heikle Themen an, die im liberalen London auf großes Interesse stießen. England wurde bereits parlamentarisch regiert, Zeitungen sorgten für eine informierte und kritische Öffentlichkeit. Bis zu seinem Tod in der Nacht vom 25. auf den 26. Oktober 1764 widmete sich Hogarth seiner mitunter sarkastischen Kritik an den Verhältnissen.
    75 Jahre später urteilte der Schriftsteller William Makepeace Thackeray:
    Anstoßgeber für Urhebergesetz
    "Die Welt toleriert Satire heute nicht mehr. Jedenfalls nicht mehr jene von Hogarth und Fielding. ‚Der Weg einer Hure' darf in keiner Weise als abgeschlossen gelten. Fieldings und Hogarths Nachfolger sind Dickens und Cruikshank , ausgezeichnet durch das Zehnfache an Handwerk und Kraft. Doch wagen letztere Humoristen nicht von Dingen zu sprechen, welche die Älteren ernsthaft erörterten."
    In Erinnerung blieb der Name William Hogarth auch durch den sogenannten Hogarth-Act, dem ersten, von einem Parlament verabschiedeten Urheberschutzgesetz. Anlass war seine Bildergeschichte des gefallenen Mädchens Molly gewesen, von der zahllose Raubkopien in Umlauf kamen. Hogarth forderte deren Verbot und schuf damit die Voraussetzung für sein weiteres Schaffen, aber auch das vieler ihm nachfolgender Generationen.