Deutsche Literatur nach 1968 und die "Neue Subjektivität"

Die Gefühle an die Macht!

Schwarzweißfoto: Der Schriftsteller Peter Schneider lehnt lässig an einem Zaun.
Der Schriftsteller Peter Schneider in einer Aufnahme aus den 70ern © imago/Leemage/Sophie Bassouls
Von Helmut Böttiger · 17.06.2018
Nach dem Einschnitt 1968 entdeckte die deutsche Literatur in den 70er-Jahren die Sinnlichkeit wieder: Literaten wie Peter Schneider, Rolf Dieter Brinkmann oder Ingeborg Bachmann wurden zu Protagonisten einer "Neuen Subjektivität".
Im Jahr 1973 veröffentlichte Peter Schneider, einer der Hauptagitatoren der 68er-Bewegung in Berlin, seine Erzählung "Lenz". Der Autor war bisher vor allem durch radikale politische Reden aufgefallen, jetzt aber schrieb er von der Sehnsucht nach Sinnlichkeit, von Gefühlen, von den Leerstellen der kurz zurückliegenden Politisierung.

Selbsterfahrung und Selbstverwirklichung

Das war ein Signal: Die 1970er-Jahre standen im Zeichen einer "Neuen Subjektivität". Selbsterfahrung und Selbstverwirklichung hießen nun die Parolen. Gedichte von Jürgen Theobaldy oder Nicolas Born kündeten in einem neuen Ton von einem neuen Weltgefühl.
Schwarzweiß-Aufnahme der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann vor einem Mikrofon
Die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann© RolandWitschel/dpa
Ingeborg Bachmanns Roman "Malina" wurde zu einem Schlüsseltext für den sich entwickelnden Feminismus, Karin Strucks "Klassenliebe" setzte Peter Schneiders Suchbewegungen die weibliche Perspektive entgegen.

Alternative Szene

Und es existierte eine rege und unüberschaubare Kleinverlags- und Zeitschriftenszene. Die alternative Buchmesse in Frankfurt wurde von vielen eine Zeitlang für wichtiger als die offizielle Branchenveranstaltung gehalten. Dieser Kurswechsel von der Politik zur Literatur hielt ein Jahrzehnt lang an.
Nähert man sich der Neuen Subjektivtät heute, hat das etwas faszinierend Archäologisches.

Das Manuskript können Sie hier als PDF herunterladen.

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