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Tolle Idee! Was wurde draus?
Ausgediente Jets vor Ort recyceln

Flugzeuge werden am Ende ihrer Tage oft einfach abgestellt – auf großen Flugzeugfriedhöfen oder direkt am Hangar. Die Wracks werden nur teilweise ausgeschlachtet, der Rest rostet vor sich hin. Vor ein paar Jahren startete ein Projekt, um eine mobile Recyclingeinheit für Flieger zu entwickeln.

Von Frank Grotelüschen | 31.01.2018
    Flugzeugfriedhof in Arizona
    Flugzeugfriedhöfe waren bislang die letzte Station für ausrangierte Flieger (picture-alliance / dpa)
    Langelsheim, ein Städtchen am Rand des Harzes. Auf dem Gelände einer Recyclingfirma stehen zwei blaue Container, wie man sie von Schiffen und Lastwagen kennt.
    "Das sind zwei Standardcontainer, die überall verbracht werden können, kostengünstig."
    Sebastian Jeanvré arbeitet bei einem Start-up namens More Aero. Seine beiden Container bilden die weltweit erste mobile Recyclingeinheit für Flugzeuge. Mobil deshalb, weil es meist kaum möglich ist, ein ausgemustertes Flugzeug zu einer Wiederverwertungsanlage zu befördern, sagt Daniel Goldmann, Recyclingexperte an der TU Clausthal.
    "Diese Flugzeuge stehen in der Regel irgendwo. Und man kann so ein Flugzeug nicht in einem Überführungsflug woanders hinfliegen. Das ist teuer und manchmal kriegt man auch keine Fluggenehmigung mehr dafür. Wichtig ist, dass man zu diesen Standorten kommt und die Flugzeuge mobil vor Ort zerlegen kann und dass man die Materialien systematisch in Container verbringen kann und von da zu entsprechenden Recyclinganlagen."
    2011 nahm die Sache Fahrt auf
    Grundsätzlich lohnt sich die Wiederverwertung eines Flugzeugs. Schließlich besteht es aus wertvollen Materialen.
    "Verschiedene Aluminiumlegierungen. Der gesamte Bereich der Elektronik vorne im Flieger, die mit sehr hochwertigen Materialien ausgerüstet ist – Edelmetalle im großen Stil, aber auch Kupfer. Das Fahrwerk und natürlich die Triebwerke, die aus sehr hochwertigen Materialien hergestellt werden. Da reden wir über Tantal und Rhenium. Titan ist auch ein interessanter Stoff."
    Nur: Wie kommt man an all diese Wertstoffe heran, ohne den kompletten Flieger zu einer Recyclinganlage zu verfrachten? Um eine Lösung zu entwickeln, tat sich Goldmann mit anderen Experten zusammen, darunter der Recycling-Unternehmer Mark Keske und der Luftfahrt-Experte Norbert Steinkemper. 2011 nahm die Sache Fahrt auf.
    Mobiles Flugzeugrecycling - die Ausrüstung passt in zwei Container
    Mobiles Flugzeugrecycling - die Ausrüstung passt in zwei Container (Frank Grotelüschen / Deutschlandradio)
    "Da kam uns ein Förderaufruf des Bundesforschungsministeriums sehr recht. Im Programm KMU innovativ haben wir 2011 das Projekt More Aero aus der Taufe gehoben, mit dem wir in die Lage versetzt worden sind, diese mobile Zerlege-Einheit für Flugzeuge zu entwickeln."
    Nach zwei Jahren war der Prototyp fertig. Zunächst versuchten sich Keske und seine Leute an der Demontage kleiner Propellermaschinen – offenbar mit Erfolg.
    "Mit dem Verwertungsprozess der ersten kleineren Flugzeuge haben wir erkannt, dass eine Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Das hat letzten Endes dazu geführt, dass wir viel Energie in die Entwicklung der mobilen Einheit gesteckt haben. Da liegt der Wettbewerbsvorteil. Wir sind da, wo die Flugzeuge sind und nicht umgekehrt."
    Container 1 - Gefahrenstoffe entfernen
    2016 wurde aus dem Projekt eine Firma, die More Aero GmbH. Sie betreibt die mobile Recyclingeinheit bestehend aus den beiden Containern, die gerade auf dem Hof in Langelsheim abgestellt sind. Container Nummer 1 dient dazu, die Gefahrenstoffe aus dem Flieger zu entfernen, beschreibt Sebastian Jeanvré.
    "Wir haben KMF, also künstliche Mineralfaser, kann krebserregend sein. Wir haben druckbelastete Systeme, die sehr gefährlich sein können. Wir haben abgereichertes Uran als Ausgleichsgewichte bei den ganz alten Maschinen. Und wir haben pyrotechnische Sätze, die vorher ausgebaut werden müssen."
    Mark Keske vor Container 1
    Mark Keske vor Container 1 (Frank Grotelüschen / Deutschlandradio)
    Und: In der Regel ist noch Treibstoff im Flugzeug, also müssen die Tanks erst geleert werden.
    "Wir haben eine Pumpe entwickelt, um das Kerosin rauszubekommen. Das muss alles abgepumpt und auch belüftet werden, dass keine explosionsfähige Atmosphäre entsteht, dass uns das Flugzeug nicht in die Luft fliegt."
    Container 2 - die Zerlegeeinheit
    Erst jetzt kann Container 2 in Aktion treten, die eigentliche Zerlegeeinheit. Jeanvré dreht sich um und zeigt ins Containerinnere.
    "Dort ist ein unabhängiges Stromaggregat verbaut, dass wir überall autark arbeiten können. Dann ist da eine 3,5-Tonnen-Schere drin, die das Flugzeug vor-zerkleinern kann. Und es ist drin ein großer Sortiergreifer, dass wir die LKWs beladen können. Massives Gerät."
    Sebastian Jeanvré in Container 2
    Sebastian Jeanvré in Container 2 (Frank Grotelüschen / Deutschlandradio)
    Die wuchtige Schere wird an einen vor Ort gemieteten Bagger montiert. Sie schneidet und reißt die Flugzeughülle in Stücke – zwei bis drei Meter groß, damit sie auf LKWs passen. Die bringen die Stücke dann zu Recyclinganlagen wie jene in Langelsheim, wo Schredder sie weiter zerkleinern und Abscheideverfahren die verschiedenen Stoffe voneinander trennen. Das Resultat ist zum Beispiel ein Aluminiumgranulat.
    "So hört sich unser Produkt an, mit einer sehr hohen Sortenreinheit, wie Sie sehen."
    Mobiles Flugzeugrecycling - das Ergebnis ist ein Aluminiumgranulat
    Mobiles Flugzeugrecycling - das Ergebnis ist ein Aluminiumgranulat (Frank Grotelüschen / Deutschlandradio)
    Es lässt sich einschmelzen und zum Beispiel zu Getränkedosen verarbeiten. Und wie läuft das Geschäft mit der mobilen Recyclingeinheit? Vielversprechend, meint Mark Keske. Bislang sind die Container in Deutschland zum Einsatz gekommen, aber auch im Ausland wie etwa auf dem Flughafen von Kuala Lumpur, wo die Einheit eine ausgewachsene Boeing 737 zerlegte. Der Bedarf jedenfalls sei da, und zwar für die nächsten Jahrzehnte.
    "Wir rechnen in den nächsten 20 Jahren mit rund 400 bis 500 Flugzeugen pro Jahr, die auf den Recyclingmarkt kommen."