Deutsche Forscher in den USA wollen zurück

Von Jürgen König · 05.11.2012
Bessere Jobchancen, mehr Geld für die Forschung: Immer mehr deutsche Wissenschaftler, die in den USA oder Kanada tätig sind, kehren zurück in die Heimat. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des German Academic International Network.
Aus den Stipendiatentreffen der Alexander von Humboldt-Stiftung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes ging es hervor: das German Academic International Network, kurz GAIN. Das größte Netzwerk deutscher Wissenschaftler in Nordamerika. Vom Bundesbildungs- und forschungsministerium seit Langem gefördert, soll es den Wissenschaftlern im Ausland dabei helfen, Kontakte nach Deutschland zu pflegen. Man könnte auch sagen: Es soll dafür sorgen, dass deutsche Wissenschaftler in den USA und Kanada zwar reichhaltige Erfahrungen sammeln, dann aber tunlichst nach Deutschland wieder zurückkehren – zum Wohle der Innovationskraft deutscher Wissenschaft.

Und die Chancen dafür stehen gut. Über zwei Drittel der deutschen Wissenschaftler, die zwischen 2004 und 2009 nach Nordamerika gingen, sind inzwischen wieder zurückgekehrt. Das ergab eine Studie des Netzwerks. Dafür wurden alle Teilnehmer der GAIN-Jahrestagungen von 2004-2011 per Online-Fragebogen interviewt. Von denen, die sich auf die Anfrage hin nicht meldeten, wurden Aufenthaltsort und derzeitige Tätigkeit recherchiert, sodass auch ihre Daten als "Non responder-Ergebnisse" in die Untersuchung einfließen konnten. Gerrit Rößler, der GAIN-Programmleiter der USA, spricht von einer "repräsentativen Studie".

"Ich denke schon, dass das repräsentativ ist, da wir versuchen, innerhalb Nordamerikas alle deutschen Wissenschaftler, die da aktiv sind, vor allen Dingen in dieser Karrierestufe Postdoc, Assistant Professor und auch zunehmend Doktoranden in unser Netzwerk aufzunehmen. Also GAIN hat etwa 4500 Mitglieder derzeit und wenn wir davon ausgehen, dass so ungefähr 6000 bis 7000 Wissenschaftler in den USA und Kanada arbeiten, dann greifen wir damit eigentlich schon einen ziemlich hohen Teil ab."

Laut GAIN-Studie sind die Chancen, in Deutschland eine dauerhafte Stelle zu bekommen, höher als in den USA. Gut zwölf Prozent der Zurückgekehrten bekamen eine W2- oder W3-Professur, knapp elf Prozent eine Juniorprofessur, 28 Prozent wurden Gruppenleiter. Dagegen traten nur gut sieben Prozent der in Nordamerika Gebliebenen eine Stelle als Associate oder Full Professor an, knapp 15 Prozent wurden Assistant Professor. Sind in Deutschland 24 Prozent der Rückkehrer als Postdoktoranden oder wissenschaftliche Mitarbeiter tätig, sind es von den in Nordamerika Gebliebenen 67 Prozent - deren Verträge zumeist schlechter dotiert sind als vergleichbare Stellen in Deutschland. Die These, wonach die Verdienstmöglichkeiten in den USA grundsätzlich besser seien, so Gerrit Rößler, habe die Studie widerlegt.

Einer der Rückkehrer ist Baris Tursun. Seit Kurzem ist er Gruppenleiter am Max Delbrück Centrum für Molekulare Medizin in Berlin. Natürlich gab es für seine Rückkehr auch private Gründe: Wer in New York Vater von Zwillingen wird, kommt bei 1200 Dollar Kita-Gebühren pro Kind und Monat schon in Grübeln. Liegen auch die Spitzengehälter in den USA deutlich höher als bei uns, bleibt zum Leben deutlich weniger übrig als in Deutschland. Und:

"Meine Möglichkeiten hier, um Forschung zu betreiben, sind enorm. Wir bewegen uns da in Summen, die kriegt man in den USA nicht so einfach. Und das war natürlich eine sehr, sehr gute Voraussetzung für mich zurückzukommen, weil ich natürlich wusste: Ich kann hier auch Spitzenforschung betreiben, die natürlich auch einen wichtigen Grund darstellt, dass ich zurückkomme."

Natürlich habe die Wirtschaftskrise in den USA den Rückkehrwunsch deutscher Wissenschaftler verstärkt, erzählt Baris Tursun. Aber auch jenseits dessen sei der Wissenschaftsstandort Deutschland in den vergangenen Jahren sehr viel attraktiver geworden. Dass man angefangen hat, Juniorprofessuren als Dauerstellen auszubauen, die Exzellenz-Initiative, die immer besseren Möglichkeiten der Zusammenarbeit von universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die Förderprogramme der großen Wissenschaftsverbünde – dies alles sei sehr verlockend. Auch für Nicht-Deutsche.

"Davon kann ich auch wieder aus meiner eigenen Erfahrung sprechen, wo in unserem Labor 13 Postdocs hauptsächlich Europäer waren, zwei Engländer, Spanier, Franzosen – und die dann immer nachgefragt haben und sich informiert haben: Wie ist die Situation in Deutschland? Klar: In Frankreich ist die Situation nicht so gut wie in Deutschland, auch nicht in England. Und da habe ich selber gespürt, dass Deutschland anscheinend wirklich attraktiver geworden ist."

Eine Studie mit erfreulichen Ergebnissen also, diese stehen für sich: Vergleichbare Untersuchungen gibt es nicht. Wie attraktiv der Wissenschaftsstandort Deutschland tatsächlich geworden ist, wird sich zeigen - sobald es den USA wirtschaftlich wieder besser geht.