Deutsch-israelische Paarbeziehung

"Ich wusste nicht, dass er Deutscher ist"

Die 36-jährige Nina und der 42-jährige Sascha auf dem Sofa mit ihrem Hund in ihrer Wohnung in Tel Aviv.
Die 36-jährige Nina und der 42-jährige Sascha auf dem Sofa mit ihrem Hund in ihrer Wohnung in Tel Aviv. © Deutschlandradio / Sebastian Engelbrecht
Von Sebastian Engelbrecht · 12.05.2015
Nina ist 36 und kommt aus der israelischen Stadt Aschkelon. Sascha ist 42 und ist in München aufgewachsen. Sie ist Körper-Psychotherapeutin, er Tänzer und Filmemacher. Seit 2005 sind sie ein Paar und leben zusammen in Tel Aviv. Wie funktioniert die deutsch-israelische Beziehung?
Nina und Sascha haben noch keine Kinder, aber einen Hund. Das gutmütige Wesen sitzt beim Interview zwischen den beiden auf dem Sofa. Sascha und Nina sind ein schönes Paar: Er ist muskulös und durchtrainiert, trägt einen braunen Bart um den Mund. Sie hat weiche Gesichtszüge und ein Strahlen in den Augen.
Sascha zeigt einen preisgekrönten Kurzfilm, den er vor einem Jahr produziert: "Ein Deutscher auf dem Grill" – über das Leben eines nichtjüdischen Deutschen in Israel. Im Jahr 2004 begleitete er einen Freund, der sich bei der israelischen Schauspielergewerkschaft als Mitglied anmelden wollte. Im Büro sah er die schöne Nina.
Sascha: "Es war eigentlich, glaube ich, wirklich Liebe auf den ersten Blick. Sie hat dort am Computer gesessen, es war August, 8. August, superheiss, und habe denen, glaube ich, die Hälfte von dem Wasserautomaten leer gesoffen in der Zeit, wo ich da war, und konnte nicht davon lassen, sie anzugucken. Und hab mir die ganze Zeit überlegt, ich würde sie gern ansprechen, war mir aber klar, dass das ein bisschen problematisch ist. Der Freund von mir schreibt sich da gerade ein, und er bringt da einen ausländischen Freund mit, der da eine Mitarbeiterin anbaggert. Also da war ich zu sehr deutsch und wohl erzogen."
Danach schrieb Sascha zwei Emails an die Schauspielergewerkschaft. Er wollte die Frau wiedersehen, die er schweigend angeblickt hatte.
Nina: "Ich wusste nicht, dass er ein Deutscher ist. Als ich ihn sah, haben wir nicht miteinander gesprochen. Dann sprach er Englisch, und sein Akzent war nicht deutsch. Ich hatte keinen Schimmer, woher er kam. Als ich seine Mail-Adresse sah und das 'de' am Ende, hab ich das nicht mit Deutschland in Verbindung gebracht. Ich dachte: Vielleicht ist das Dänemark."
Für ihn sind Militär und Religion schrecklich
Zu Beginn des Interviews sind sich beide einig: Dass sie eine Israelin ist und er ein Deutscher, hat eigentlich nie eine Rolle gespielt. Das ändert sich im Laufe des Gesprächs.
Nina: "Es ist schwierig für mich, dass er nicht durch das breite Prisma blicken kann, durch das ich blicke. Ich bin hier geboren, bin hier aufgewachsen und verstehe die Dinge von einem anderen Ort her. Zum Beispiel sind für ihn Militär und Religion die schrecklichsten Dinge auf der Welt. Aber ich war bei der Armee, und alle meine Freunde waren bei der Armee. Ich bin mit der israelischen Politik auch nicht einverstanden, aber ich kann nichts Negatives über die Armee sagen, denn das bin ich, das sind meine Freunde, das sind alle."
Im Film und auch im wahren israelischen Leben hat Sascha gelernt, dass er tough sein muss in Israel, um im alltäglichen Überlebenskampf nicht unterzugehen. Er traut sich was. Für seinen Film läuft er am israelischen Unabhängigkeitstag mit einer Deutschlandfahne durch den Park.
Sascha: "Israelisch links ist nicht deutsch links. Weil bei israelisch links ist immer noch eine extreme Portion Nationalismus dabei und Patriotismus, den ich auch vollkommen nachvollziehen kann. Nur das Problem ist: Der schließt oft Diskussionen aus, weil das ist dann so wie ein Geheimbund – also Du kommst bis hierhin, aber nicht weiter. Fast wie eine schlagende Verbindung in Deutschland: Nur wenn du den Schmiss im Gesicht hast, dann darfst du rein."
Bei Netanjahu ist Schluss mit der Geduld
Was hat das mit der Beziehung zu Nina zu tun? Viel. Denn das Volk, das da im Park seinen Staat feiert, ist Ninas Volk. – Eine Gesellschaft, in der alle, auch die nicht-Religiösen, ihre Söhne beschneiden lassen.
Nina: "Zum Beispiel das Thema Beschneidung. Das hat mir die Augen geöffnet. Dadurch, dass ich mit ihm zusammen bin, kann ich über die Ansicht hinaus denken, dass das völlig selbstverständlich ist mit der Beschneidung. Plötzlich dachte ich: Gut, vielleicht öffne ich auch mal mein Prisma und schauen wir, ob das für mich richtig ist. Oder finde ich das nur richtig, weil es die allgemeine Auffassung ist. Und heute ist unsere Entscheidung: Wenn wir ein Kind kriegen, dann werden wir es nicht beschneiden lassen."
Nina wird auf die Beschneidung eines künftigen Sohnes verzichten. Sascha, der Pazifist, toleriert die israelische Armee. Aber bei Bibi Netanjahu ist Schluss mit seiner Geduld.
Sascha: "Da kommt dann schon der Gedanke so: Warum bin ich eigentlich hier oder will ich, dass mein Kind in einer Armee dient, wo sie die Politik dieser Schwachköpfe vielleicht mit dem eigenen Leben bezahlen muss?"
Aus Saschas Kurzfilm: "Hier sitz ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor. At the end of the day I'm left alone with all the questions remaining unanswered – and my heart still burns."
Mehr zum Thema