Deutsch-Griechische IHK: Griechenlands Talfahrt noch lange nicht zu Ende

Martin Knapp im Gespräch mit Ute Welty · 24.05.2011
Angesichts des Personalüberhangs und des zum Teil schlechten Managements bei griechischen Staatsunternehmen sieht Martin Knapp, Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer (IHK), Privatisierungsbestrebungen in der Wirtschaft tendenziell positiv. Die Staatsbetriebe seien in der Vergangenheit zu Wahlkampfzwecken missbraucht worden.
Ute Welty: Falls Sie also ohnehin gerade einen Hafen oder eine Postbank hätten kaufen wollen, Griechenland hätte da was im Angebot. Und viel Zeit bleibt nicht, denn bereits im Juli, wie gesagt, könnte der griechische Staat zahlungsunfähig sein. In der griechischen Hauptstadt begrüße ich jetzt Martin Knapp, Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer. Guten Morgen nach Athen!

Martin Knapp: Guten Morgen!

Welty:! Neue Steuern, neue Sparmaßnahmen, den Staatsbesitz privatisieren, das sind ja alles keine Nachrichten, die einen Mann der Wirtschaft erfreuen könnten – ist die Lage so trostlos, wie sie sich darstellt?

Knapp: Ja, leider ist sie das, ja, man kann es nicht anders sagen.

Welty:! Und wie gehen Sie und Ihre Mitarbeiter damit um? Das sind ja auch an die 20 Menschen, die bei Ihnen in Lohn und Brot stehen?

Knapp: Das ist richtig, aber wir haben natürlich als Deutsch-Griechische Industrie- und Handelskammer jede Menge zu tun, gerade in solchen schwierigen Zeiten, und wir werden ja auch noch unterstützt von der deutschen Seite. Wir sind ja auch im öffentlichen Auftrag tätig, also wir machen uns zunächst einmal um uns nicht so große Sorgen wie natürlich um die griechische Wirtschaft und die Unternehmen.

Welty:! Sie arbeiten ja auch mit griechischen Partnern zusammen, mit eben griechischen Unternehmen, was bekommen Sie da an Stimmung, an Emotion auch widergespiegelt?

Knapp: Na ja, die Unsicherheit ist sehr, sehr groß. Sie haben eben große Angst davor, dass die Krise den eigentlich gesunden Kern der griechischen Wirtschaft immer stärker erfasst. Man merkt das ja auch an den vielen Schließungen von Unternehmen, vor allen Dingen zunächst einmal im Einzelhandel, aber langsam erstreckt sich das Ganze auch auf andere Branchen, sodass wir und dafür fürchten, dass diese Rezession, diese Talfahrt noch lange nicht zu Ende ist.

Welty:! Könnte das auch mit den Sparmaßnahmen zusammenhängen, die eingeleitet wurden und die ja jetzt noch mal verstärkt werden sollen, dass diese Sparmaßnahmen – darüber ist ja auch schon viel diskutiert worden – eigentlich kontraproduktiv sind?

Knapp: Völlig richtig, denn durch solche Maßnahmen wird eine Abwärtsspirale eingeleitet. Es wird weniger gearbeitet, es gibt weniger Steueraufkommen, der Staat ist dann noch ärmer, muss also noch weiter sparen, Steuern noch weiter erhöhen, und das geht dann ohne Ende so weiter. Und genau in dieser Entwicklung befinden wir uns im Moment.

Welty:! Sehen Sie die Privatisierungsanstrengungen, die jetzt eingeleitet werden, sehen Sie die ähnlich kritisch? Weil ja, wenn man so einen Hafen verkauft hat, kann man ja mit einem Hafen auch keine Einnahmen mehr erzielen.

Knapp: Das stimmt ja so nicht, denn der Hafen geht ja nicht weg, der wird ja nicht an den Haken des Schleppers genommen und weggezogen, sondern der bleibt ja dort, der wirtschaftet ja weiter. Und dadurch entsteht natürlich einmal wirtschaftliche Aktivität um den Hafen herum und zum Zweiten natürlich zahlt dieser Hafen auch Steuern. Also ob der Staat so etwas selbst betreibt oder ob es eventuell eben mit einem besseren Management privat betrieben wird und am Ende Steuern zahlt, ist im Prinzip gleich. Es kann sogar sein, dass der private Hafen am Ende dem Staat mehr einbringt als der staatliche Hafen vorher. Wenn man bedenkt, wie auch in Griechenland viele staatliche Unternehmen bisher gemanagt wurden, ist eigentlich sogar zu erwarten, dass ein privater Hafen für einen Staat mehr einbringt als ein staatlicher.

Welty:! Ich höre da doch eine, wie soll ich sagen, in den Zwischentönen eine gewisse kritische Einstellung über den griechischen Staat als Unternehmer.

Knapp: Ja, also man hat ja lange Zeit – und das ist ja auch gar kein Geheimnis – man hat also lange Zeit diese staatlichen Unternehmen als Masse missbraucht, die man in jedem Wahlkampf einsetzen konnte, indem man immer neue Leute eingestellt hat. Der Personalüberhang ist gewaltig. Es wird vor allen Dingen in diesen staatlichen Betrieben auch sehr, sehr gut bezahlt. Das ist inzwischen alles rausgekommen, und deshalb sind auch viele Leute, die im normalen privaten Sektor arbeiten, jetzt zu vehementen Befürwortern der Privatisierung geworden – ganz im Gegensatz natürlich zu den Gewerkschaften der Staatsbediensteten selber, vor allen Dingen der Leute, die in diesen Unternehmen arbeiten.

Welty:! Sie haben ja zu tun, Herr Knapp, mit deutschen wie mit griechischen Partnern. Können oder wollen Sie vermitteln, wenn Sie zum Beispiel gefragt werden nach der Urlaubsäußerung der Kanzlerin, die ja, ich sag's mal so, den Schluss nahelegt, dass sich die Griechen auf deutsche Kosten ein schönes Leben machen, respektive gemacht haben?

Knapp: Gut, diese Äußerung war natürlich unqualifiziert, das muss man sagen, denn es ist ja auch sofort danach in der Presse berichtet worden, dass man in Griechenland weniger Urlaub hat als in Deutschland. Es geht da gar nicht um die Urlaubstage, es wird aber indirekt schon ein Schuh daraus, wenn man überlegt, dass die Mittelmeerländer allgemein – das ist jetzt nicht nur Griechenland, das gilt allgemein, rund ums Mittelmeer – immer noch so zwei Monate im Jahr haben, wo sie gewissermaßen die Rollladen runterlassen. Das kommt aus der Zeit vor den Klimaanlagen, das hat einfach Tradition, dass man im Juli und im August nicht viel ... Man arbeitet zwar inzwischen, weil man eben individuell nicht so viele Ferien hat, aber insgesamt läuft in diesen Ländern alles auf Sparflamme. Und das wirkt sich natürlich schon auf das Bruttoinlandsprodukt aus. Wir erinnern mal an die Diskussion in Deutschland, ob man nicht den Pfingstmontag abschaffen muss – man meinte, durch die Abschaffung eines einzigen Feiertages könnte man ganz gewaltig was leisten fürs Bruttoinlandsprodukt. Und hier haben wir zwei Monate, wo in diesen Ländern sehr viel weniger läuft als im Norden Europas. Früher war das gerechtfertigt, weil es war zu heiß zum Arbeiten, aber heute, im Zeitalter der Klimaanlage, ist das nicht mehr unbedingt so der Fall. Da ist auch ein Körnchen Wahrheit in dem, was die Kanzlerin gesagt hat, sie hat es nur sehr, sehr unglücklich ausgedrückt.

Welty:! Die Zeiten ändern sich, auch in Griechenland. Martin Knapp, Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer, ich danke fürs Gespräch!

Knapp: Bitte!