Deutsch-französischer Filmaustausch

Bitte mit viel Esprit

Szene aus dem Film "Toni Erdmann" mit Peter Simonischek und Sandra Hüller, der beim Filmfest München gezeigt wird
Überraschungserfolg aus Deutschland: Maren Ades "Toni Erdmann" © Filmfest München 2016
Jörg Taszman im Gespräch mit Susanne Burg · 01.10.2016
Der französische Film "Ziemlich beste Freunde" lief auch in Deutschland sehr gut, der deutsche Film "Toni Erdmann" wiederum kommt in Frankreich an. Doch oftmals, wenn die Filme im Nachbarland laufen, klappt das nicht so gut. Jörg Taszman weiß, welche Art von französischen Filmen die Deutschen mögen.
Susanne Burg: Wir wollen Francois Ozons neuen Film "Frantz" zum Anlass nehmen, um uns anzusehen, wie deutsch-französischer Filmaustausch funktioniert. Und "Frantz" ist ein gutes Beispiel, denn es ist eine wirkliche deutsch-französische Koproduktion. Sie ist fast zeitgleich in den deutschen und französischen Kinos gestartet, aber ganz unterschiedlich: In Frankreich liegt "Frantz" nach drei Wochen bei über 400.000 Zuschauern und ist ein echter Erfolg. In Deutschland sind die Donnerstagszahlen doch eher ernüchternd: Er ist nicht gut gestartet und man rechnet damit, dass der Film kaum 100.000 Gesamtbesucher schaffen wird.
Jörg, Du beobachtest ganz genau, was Franzosen an deutschen Filmen mögen und Deutsche an französischen Filmen. Wie unterschiedlich schaut man sich denn die Filme des Nachbarlandes an?
Jörg Taszman: Nach Erfolgen mit historischen Stoffen wie bei "Im Labyrinth des Schweigens" mit weit über 340.000 Zuschauern (Deutschland nur 265.000) trauen sich die französischen Verleiher auch wieder an historische, deutsche Stoffe. So konnte "Der Staat gegen Fritz Bauer" immerhin 73.000 Zuschauer erreichen und "Vor der Morgenröte" knapp 50.000. Rein kommerzielle Ware wie die Fackju-Göhte-Filme, Filme mit Til Schweiger oder Matthias Schweighöfer, so etwas kommt entweder nie ins Kino oder floppt total wie im ersten Teil der Fackju-Reihe. Die einzigen Ausnahmen waren "Kinderfilme" mit internationaler Tragweite wie "Heidi" oder "Biene Maja". Französische Verleiher wollen also das deutsche Arthouse Kino, die Berliner Schule und haben in den letzten Jahren Filmemacher wie Christian Petzold oder Fatih Akin entdeckt. Insgesamt wird das deutsche Kino wieder mehr wahr genommen, aber mehr als fünf bis zehn deutsche Filme schaffen es pro Jahr nicht auf die große Leinwand bei unseren cineastischen Nachbarn.

"Toni Erdmann" ist ein echter Glücksfall für das deutsche Kino

Burg: Aber nun gibt es ihn wieder einen ganz neuen, ganz unkonventionellen deutschen Film, der auch in Frankreich gefeiert wird: "Toni Erdmann". In Cannes wurde er ja auch von der französischen Presse euphorisch gefeiert. Zog das Publikum denn mit?
Taszman: Ja, dieser Film ist ein Glücksfall für die Wahrnehmung des deutschen Kinos in Frankreich, der es auch bereits auf über 300.000 Zuschauer brachte und in Paris immer noch in vielen Kinos gespielt wird. Insgesamt lief "Toni Erdmann" in über 240 Kinos, "Frantz" in Deutschland nur 80 Kinos. Mit dem Film von Maren Ade entdecken die Franzosen, dass die Deutschen auch Humor haben und es neue Filmemacher gibt. Nur leider ist "Toni Erdmann" auch hierzulande eine Ausnahme. Es kommt ja in den nächsten Wochen und Monaten kein vergleichbarer Titel in die Kinos.
Burg: Bei uns in Deutschland kommen viel mehr französische Filme ins Kino, gefühlt eine Komödie pro Woche, aber mehr als dreimal so viele deutsche Filme in Frankreich. Nach den bekannten "Ausreißern" wie "Ziemlich beste Freunde" und "Monsieur Claude", die in Deutschland ein Millionenpublikum erreichten, sind die Zahlen 2016 wieder nüchterner, aber nicht schlecht. Dabei haben es Nicht-Komödien schwer. Warum wollen Deutsche anscheinend nur Komödien sehen und welche genau?
Taszman: Nur was bei uns als "typisch französisch" gilt und dabei leicht locker und nett bleibt mit einer gewissen Dosis Esprit funktioniert. Bestes Beispiel dafür ist "Frühstück bei Monsieur Henri", der in beiden Ländern bei etwa einer halben Million Zuschauern liegt. Ein Phänomen ist "Birnenkuchen mit Lavendel". Der lief in Deutschland mit jetzt über 660.000 dreimal besser als in Frankreich. Es gibt aber in Frankreich noch ganz andere Boulevardkomödien, die hier keiner sehen will, wie andere Filme mit Christian Clavier, der soeben einen dritten Teil der Zeitreisenklamotte "Die Besucher" drehte. Da ist kein deutscher Kinostart in Sicht.

Politische Themen interessieren deutsche Zuschauer nicht

Burg: Aber viele Filmkritiker sind ja schon regelrecht allergisch gegen französische Komödien. Geht es dem Publikum nicht langsam ähnlich?
Taszman: Es kamen und kommen einfach zu viele Filme, die bestenfalls Mittelmaß darstellen und sehr formelhaft sind. Es reicht einfach nicht aus Danny Boon mit Sophie Marceau zu paaren oder Sophie Marceau mit Francois Cluzet. Wenn diese Ehegeschichten und Paarkomödien nicht gut geschrieben sind, funktionieren sie nicht. Übrigens oft auch in Frankreich nicht. Und auch Christian Clavier dreht nun bei weitem nicht immer überzeugende Filme. Letztes Beispiel dafür ist "Nur eine Stunde Ruhe".
Burg: Und ziehen denn französische Stars überhaupt? Wie sieht es mit den letzten Filmen von Omar Sy oder Francois Cluzet aus, den beiden Stars aus "Ziemlich beste Freunde"?
Taszman: Beide haben sich jetzt wieder mehr im Charakterfach versucht. Omar Sy in "Monsieur Chocolat", der weit unter den Erwartungen blieb. Aber auch "Der Landarzt von Chaussy" mit Francois Cluzet findet bei uns nicht sein Publikum. Wie die meisten französischen Filme schaffen beide nicht einmal 100.000 Besucher, also die Minimalschwelle für einen bescheidenen Erfolg. Wirklich gesellschaftsrelevante, gar politische Themen interessieren den deutschen Bildungsbürger-Arthouse-Zuschauer dagegen selten.
Burg: Wenn es so unterschiedliche Sehweisen in beiden Ländern gibt, wie steht es dann um die Zukunft von Koproduktionen wie "Frantz"?
Taszman: Immerhin funktioniert der Film ja in Frankreich und vielleicht holt er bei uns auch ein wenig auf. Er könnte auch international gut funktionieren, in Ländern wie Italien vielleicht sogar besser als bei uns. Solange diese Filme sich gut exportieren, wird es Chancen geben und auch für unsere Schauspielerinnen wie Paula Beer, die in Frankreich jetzt sehr gehypt wird und die gut Französisch spricht. Und ich könnte wetten, Maren Ade dreht ihren nächsten Film auch mit französischem Geld.
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