Spurensuche in Dublin

Der dunkle, irische Herzschlag

Typisch Dublin: Eine Guiness Kneipe im Stadtteil Temple Bar in Dublin
Guinness Kneipe im Stadtteil Temple Bar: Zwischen Liffey und Trinity College, St. Stephen’s Green und Vicar Theatre, in den Pubs vonTemple Bar bis Sandyford im Süden oder Bally im Norden - Dublins Herz schlägt immer im gleichen Rhythmus. © Imago / Rainer Unkel
Von Uwe Golz · 06.04.2015
In Dublin, der irischen Hauptstadt, prallen Jahrhunderte aufeinander - und damit sind nicht die Bauten und Gebäude gemeint. Während die einen Dubliner sich nach irischer Seligkeit sehnen, sind andere im rasenden 21. Jahrhundert angekommen. Keine andere Stadt auf der Welt bringt diese Gegensätze so gekonnt unter die Haube: Dublin ist geprägt von turbulenter, irischer Meditation.
"Céad Míle Fáilte" - 100.000-mal Willkommen - dieser Spruch begrüßt die Touristen aus aller Welt am Dublin Airport an der M1 in Richtung Belfast, er hängt in den Bahnhöfen Heuston Station und Connolly Station und er ist auf Abertausenden kleiner und größerer Schilder in den Souvenirshops quer durch das ganze Land zu lesen. Und wie man dieser Begrüßung nicht entkommen kann, so auch nicht jener berühmten Molly Malone, die mit ihrem Karren durch Dublin zog und ihre lebenden Herz- und Miesmuscheln feilhielt.
"In Dublins schönem Städtchen,
wo so hübsch sind die Mädchen,
viel mein Blick auf die süße Molly Malone ..."
Treppenwitz der irischen Musikgeschichte: Diese heimliche Nationalhymne Dublins wurde von dem Schotten James Yorkston 1883 in Edinburgh komponiert. Der Mann hatte halt einen Blick für die irische Damenwelt. Apropos Damenwelt. Natürlich gibt es nicht nur Mollys in Baile Átha Cliath (Stadt an der Hürdenfurt), wie der irische Name dieser Großstadt am Fluss Liffey mit ihren 500.000 Einwohnern lautet. Da werden die Cathleens ebenso besungen und bedichtet und die Marys natürlich auch.
James Joyce Statue in der Earl Street North in Dublin
James Joyce Statue in der Earl Street North in Dublin© Imago / Sabine Gudath

Dublin ist eine Stadt der Künste. James Joyce hat ihren Einwohnern mit "Die Dubliner" ein literarisches Denkmal gesetzt und mit der "Ulysses", der Odyssee des Herrn Bloom, dem Fremdenverkehr an jedem 16. Juni eines Jahres einen Höhepunkt. Dann nämlich versammeln sich die Joyce-ianer und wandeln an diesem einen Tag auf den Spuren des Anzeigenakquisiteurs Leopold Bloom durch die Kneipen der Stadt.
Am Rande bemerkt, es musste der 16. Juni sein, denn an diesem Tag führte Joyce seine spätere Ehefrau Nora zum ersten Mal aus. Und dann wären da ja auch noch Oscar Wilde, Samuel Beckett und sein Godot, der Zyniker und Nobelpreisträger George Bernard Shaw und der Saufbold, Dichter und Sänger Brendan Behan.
"The most hospitable city I ever passed through" Mary Wollstonecraft
Und wer sich mehr für das ganz normale Dublin interessiert? Der muss einfach nur durch die Straßen schlendern, die Augen aufhalten und den Menschen und ihren Gesprächen lauschen - natürlich zuvor sollte man schon die Pflichtstationen abgegrast haben. Das Hauptpostamt, das GPO, in der O'Connel Street. Hier wendete sich beim Osteraufstand 1916 die irische Geschichte. Hier riefen die irischen Freiheitskämpfer am Ostermontag die irische Republik aus, doch es erst 1949 erlangte die Republik Irland wirklich völlige Unabhängigkeit von Großbritannien.
"Gedächtnis ist das Tagebuch, das wir immer mit uns herumtragen" Oscar Wilde
Und noch zwei weitere geschichtsträchtige Orte gilt es zu besuchen: das Kilmainham Gaol, jenes Gefängnis, in dem die Anführer des Osteraufstands eingesperrt wurden, und Christ Church Cathedral mit "Tom & Jerry", einer mumifizierten Katze und einer ebensolchen Ratte. Übrigens hat James Joyce beide in seinem Roman "Finnegans Wake" verewigt. Und wenn wir schon bei Mumien sind, dann sollte ein Abstecher zu St. Michan's Church mit eingeplant werden. Dort soll eine Kreuzritter-Mumie liegen (die allerdings nur runde 650 Jahre alt ist). Ein Händeschütteln mit dem Verblichenen soll übrigens Glück bringen.
Davon einmal abgesehen soll auch ein gewisser Händel auf der Orgel dieser Kirche aus dem 11. Jahrhundert zum ersten Mal seinen "Messiahs" intoniert haben. Was fehlt noch, natürlich ein Besuch in der irischsten aller irischen Brauereien und die Stippvisite im Trinity College, Irlands ältester Universität. Hier kann man einen Blick auf das irische Nationalheiligtum, das Book of Kells, mit seinen grandiosen Illustrationen werfen und im Long Room eine der ältesten gälischen Harfen, die Brian Boru's Harp, bewundern.
Und dann? Dann ist der Abend gekommen und aus einer Pub klingen melancholische Weisen und der müde Wanderer kehrt ein, bestellt sich sein Pint Stout und gibt sich Dublins irischem Herzschlag hin.

Komponistenrätsel - die Auflösung

1742 wurde in Dublin Georg Friedrich Händels Oratorium "Der Messias" uraufgeführt. Bis heute ist es eines der beliebtesten geistlichen Werken überhaupt; insbesondere das "Hallelujah", der Schlusschor des zweiten Teils, inspirierte über die Jahre Künstler aus verschiedensten Musikrichtungen zu einer Neuinterpretation – unter ihnen Quincy Jones, Cliff Richards und der deutsche Jazzpianist Rolf Zielke.

Dichterrätsel - die Auflösung

Berühmt wurde der irische Schriftsteller James Joyce durch seinen Roman "Ulysees", in dem er die Leser auf die 24-stündige Irrfahrt des Anzeigenverkäufers Leopold Bloom durch Dublin mitnimmt. Noch heute wird von Joycefans der Bloomsday jedes Jahr am 16. Juni gefeiert. Dazu gehört auch der Besuch der Joyce-Statue vor dem Café Kylemore in der O'Connell Street.
Joyce erster Erzählband "Dubliner" erschien 1914 und enthält fünfzehn Geschichten, die alle um die Jahrhundertwende spielen und einen kritischen Blick in die irische, städtische Gesellschaft gewähren. Sein einziges Bühnenstück "Verbannte" erschien 1918. Vier Jahre später wurde dann – nach einem Vorabdruck in der Zeitschrift "The Little Review" sein Roman "Ulysees" in Paris, wo Joyce inzwischen lebte, veröffentlicht. Dieses Werk und die darin verwendete Technik des sogenannten Bewusstseinsstroms oder auch inneren Monologs machten ihn zu einem der wichtigsten Autoren des 20. Jahrhunderts. Sein 1939 erschienenes Werk "Finnegans Wake" ging noch einen Schritt weiter und gilt nicht nur auf Grund seiner Komplexität als unübersetzbar.
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